EuGH-Generalanwalt zum erlaubten Zugriff auf Handydaten: Wie schwer muss eine Straftat dafür wiegen?

03.05.2018

Strafverfolgungsbehörden sollten aus Sicht des EuGH-Generalanwaltes auch bei Ermittlungen minderschwerer Verbrechen auf persönliche Handydaten zugreifen dürfen - sofern dadurch das Privatleben nicht schwerwiegend beeinträchtigt werde.

Nach Ansicht des Generalanwaltes am Europäischen Gerichtshof (EuGH) Hendrik Saugmandsgaard Øe soll der Zugriff auf Handydaten auch dann möglich sein, wenn der den strafrechtlichen Ermittlungen zugrundeliegende Sachverhalt keine "schwere" Straftat darstellt. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass der Zugriff auf die Telekommunikationsdaten nicht zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des Privatlebens führe, so er Generalanwalt (Az. C-207/16).

Hintergrund der Stellungnahme des Generalanwaltes, die am Donnerstag in Luxemburg veröffentlicht wurde, waren Ermittlungen in Spanien zum Raub einer Brieftasche und eines Handys. Dabei hatte die Kriminalpolizei den Zugang zu den Identifikationsdaten jener Personen beantragt, die in den zwölf Tagen nach dem Raub mit dem gestohlenen Handy angerufen worden waren. Der Ermittlungsrichter wies den Antrag unter anderem mit der Begründung zurück, es handele sich nicht um eine schwere Straftat - es drohe also keine Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren.

Die EU-Regeln sehen vor, dass die Achtung des Privatlebens sowie der Schutz personenbezogener Daten nur in besonderen Fällen eingeschränkt werden dürfen. Ausnahmen dürfen gemacht werden, wenn es der nationalen Sicherheit sowie der Verhütung und Ermittlung von Straftaten dient. Um einen solchen Eingriff zu rechtfertigen, verwendete der EuGH in vorherigen Urteilen den Begriff der "schweren Straftat".

Der Generalanwalt betont in seinem Gutachten jedoch, dass der EuGH auch einen Zusammenhang zwischen der Schwere des Verbrechens und der Schwere des Eingriffs in die Privatsphäre hergestellt habe. Er wies darauf hin, dass ein Eingriff in die EU-Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation "durch das Ziel des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein könne, Straftaten zu verhüten und zu verfolgen". Die Straftaten, die die betreffende einschränkende Maßnahme rechtfertigten, müssten somit nicht zwingend als "schwer" im Sinne früherer EuGH-Urteile zu qualifizieren sein. Nur wenn der erlittene Eingriff besonders schwer sei, müssten auch die Straftaten, die einen solchen Eingriff rechtfertigen, besonders schwer sein.

Seiner Ansicht nach handelt es sich im konkreten Fall nicht um einen schweren Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und das Recht auf Schutz personenbezogener Daten, sondern um eine gezielte Maßnahme, da nur Namen und eventuell Anschriften einer begrenzten Personenzahl abgefragt worden seien. Zudem seien auch die möglichen schädlichen Folgen für die betroffenen Handybesitzer "moderat und begrenzt", da sie nicht für eine Verbreitung in der Öffentlichkeit bestimmt seien. Außerdem sei die den Polizeibehörden eingeräumte Zugangsmöglichkeit "von Verfahrensgarantien eingehegt" und unterliege der richterlichen Kontrolle, heißt es in der Pressemitteilung des EuGH.

Wie der EuGH am Ende entscheiden wird, bleibt abzuwarten. Der EuGH folgt zwar häufig den Gutachten der Generalanwälte, aber nicht immer. Das Urteil dürfte in einigen Monaten fallen.

dpa/hs/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EuGH-Generalanwalt zum erlaubten Zugriff auf Handydaten: Wie schwer muss eine Straftat dafür wiegen? . In: Legal Tribune Online, 03.05.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28435/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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