EuG billigt EU-Regulierung von Pflanzenschutzmitteln: Bie­nen­schutz geht vor Inves­ti­ti­ons­schutz

17.05.2018

Zum Schutz der regionalen Bienenbestände untersagte die EU die Verwendung bestimmter Pestizide. Die herstellenden Konzerne wie Bayer klagten dagegen vor dem EuG - und kassierten nun eine deutliche Pleite.

Eine gerade in Zeiten des Insektensterbens interessante Entscheidung gab es am Donnerstag in Luxemburg: Unternehmensinteressen gehen in der EU nicht zwangsläufig vor Insektenschutz, stellte das Gericht erster Instanz der EU (EuG) in seinem Urteil klar (Urt. v. 17.05.2018, Az. T-429/13 u. a.). Gegenstand des Verfahrens waren diverse Klagen von Unternehmen, darunter auch der deutsche Bayer-Konzern, die sich gegen Verordnungen der Kommission wandten, mit denen die Verwendung bestimmter Pestizide untersagt worden war.

Nachdem bereits ganze Bienenvölker durch die unsachgemäße Verwendung von Pflanzenschutzmitteln ausgerottet worden waren, entschloss sich die EU-Kommission im Jahr 2012, etwas gegen die bereits als "Bienenkiller" verschrienen Stoffe zu tun. Sie beauftragte zunächst die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die Gefahren für die Bienenbestände durch die besagten Mittel zu überprüfen.

Deren Ergebnisse überzeugten die Kommission offenbar davon, dass sofortige Schutzmaßnahmen nötig seien, um das weitere Bienensterben zu stoppen. Aus diesem Grund erließ man bereits 2013 zwei Verordnungen mit klaren Restriktionen zur Verwendung und Verbreitung der Pestizide. Die erste betraf die Wirkstoffe Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid, von denen erster und letzterer von Bayer hergestellt werden, Thiamethoxam unterdessen vom Schweizer Konzern Syngenta.

EuG: Neue Studien rechtfertigen Beschränkungen

Die Verwendung der drei bis dato zugelassenen sogenannten Neonikotinoide wurde damit weitgehend untersagt, zudem wurde auch das Inverkehrbringen von Saatgut bestimmter Kulturpflanzen, das mit den Wirkstoffen behandelt worden worden war, verboten. Dies dürfte für die Hersteller einen enormen wirtschaftlichen Verlust bedeutet haben. So bezifferte Syngenta den entstandenen Schaden auf mindestens 367,9 Millionen Euro und verlangte diesen ersetzt, Bayer machte dagegen keinen solchen Anspruch geltend. Zudem forderten die beiden Konzerne vor dem EuG die Nichtigerklärung der Verbote.

Dem trat das Gericht nun aber klar entgegen: Die Kommission habe sehr wohl die Beschränkungen erlassen dürfen, auch wenn nicht abschließend geklärt gewesen sei, wie gefährlich die Mittel für die Bienen wirklich seien. Schließlich müsse man nicht erst abwarten, bis die von Wissenschaftlern befürchteten Risiken eingetreten seien. Der Vorsorgegrundsatz räume dem Umweltschutz Vorrang vor Unternehmensinteressen ein, stellten die Richter klar.

Dabei wies man auch auf die hohe Bedeutung der Bienenbestände für die Umwelt hin. Aufgrund des durch Studien belegten neuen Wissensstandes habe man die Zulassung der Pestizide demnach überprüfen dürfen.

Bayer-Sprecher: "Geht um Rechtssicherheit"

Die Konzerne sehen dies freilich anders, wie Utz Klages, Pressesprecher von Bayers Agrar-Abteilung Crop Science nach der Urteilsverkündung gegenüber LTO bestätigte. Es gehe dem Unternehmen vor allem um Rechtssicherheit, die durch die Entscheidung der Kommission gefährdet sei: "Die Mittel waren alle ordnungsgemäß geprüft und zugelassen," monierte Klages. Die Neubewertung habe die Kommission dann aufgrund eines von den Mitgliedsstaaten noch nicht anerkannten Leitlinienentwurfs der EFSA vorgenommen.

Ob man gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen werde, könne man noch nicht sagen, so Klages: "Wir werden das Urteil eingehend prüfen und dann unsere Optionen abwägen". Dass der Konzern, der im Gegensatz zu Syngenta bis dato keine Schadensersatzforderungen geltend gemacht hat, durch die Restriktionen wirtschaftliche Einbußen erlitten hat, bestritt er auf Nachfrage indes nicht. Ein Vorgehen gegen die Entscheidung ist damit wohl nicht unwahrscheinlich.

Eine weitere Klage eines deutschen Unternehmens hatte dagegen Erfolg: Die zweite Verordnung der Kommission, welche die Verwendung des Wirkstoffs Fipronil weitgehend untersagte, wurde vom EuG auf Antrag des BASF-Konzerns insoweit kassiert. Grund war, dass die Kommission hier schon gar keine Abwägung der Folgen einer Beschränkung vorgenommen habe. Eine solche gebiete der Vorsorgegrundsatz aber jedenfalls auch. Ganz unbeachtet dürfen wirtschaftliche Interessen damit auch bei der Rettung der Bienen nicht bleiben.

mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EuG billigt EU-Regulierung von Pflanzenschutzmitteln: Bienenschutz geht vor Investitionsschutz . In: Legal Tribune Online, 17.05.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28675/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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