Die juristische Presseschau vom 7. Februar 2012: Luf­tige Vor­rats­da­ten­spei­che­rung – Gekün­digtes Weih­nachts­geld – Poesie auf Wei­sung

07.02.2012

Das Bundeskriminalamt veröffentlicht sein Gutachten zur Vorratsdatenspeicherung – und erntet prompt Kritik. Für manche ist die Forderung nach umfassender Speicherung inzwischen eine Luftnummer. Die Presseschau heute außerdem mit paternalistischen AGB, gekündigtem Weihnachtsgeld, dem Geldwäsche-Paradies Deutschland und einem Richter, der gern Gedichte aufsagen lässt.

Vorratsdatenspeicherung: Das Bundeskriminalamt hat seine Studie zur Erforderlichkeit der Vorratsdatenspeicherung an den Innenausschuss weitergeleitet. Danach habe die Speicherung der Verbindungsdaten "eine hohe Bedeutung" für die Ermittlungstätigkeit, berichtet die SZ (Wolfgang Janisch). Dieses Ergebnis werde jedoch vom Justizministerium in Zweifel gezogen; die Studie sei methodisch fragwürdig. Einige Annahmen seien "hypothetisch". Jedenfalls zeige die Studie, dass sich "der Bedarf der Ermittler fast ausschließlich auf die Internet-Verbindungsdaten richtet".

Als "Soufflee der deutschen Sicherheitspolitik" verspottet Heribert Prantl (SZ) die Speicherung sämtlicher Telekommunikationsverbindungsdaten. Von Rechtspolitikern europaweit für "unverzichtbar erklärt", falle sie nun unter dem kalten Luftzug der Studien des Max-Planck-Instituts und des Bundeskriminalamts in sich zusammen. Denn die Studie zeige: "Die Polizei braucht die ganz große Speicherung aller Daten auf Vorrat nicht." Es genüge, sich auf temporär vergebene IP-Adressen zu beschränken. Es stehe daher zu erwarten, dass die europäischen Gerichte der Vorratsdatenspeicherung "den Garaus machen".

Weitere Themen – Rechtspolitik

AGB-Recht: Als "paternalistische Anmaßung" kritisiert Joachim Jahn (FAZ) die Anwendung des deutschen AGB-Rechts auf Verträge zwischen Unternehmen. Die Rechtsprechung mache das, was einst als Ausnahme gedacht war, zur Regel.

Kollektivklagen: Einen "Nachtrag" zur avisierten Ausweitung des kollektiven Rechtsschutzes in Europa liefert blog.beck.de (Rolf Hempel). So habe das EU-Parlament den entsprechenden Bericht angenommen; es plädiere im Gegensatz zur Kommission für allgemeine und nicht auf das Kartellrecht beschränkte Kollektivklage-Möglichkeiten.

Weitere Themen – Justiz

Gekündigtes Weihnachtsgeld: Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, die von der Arbeitsrechtsanwältin Kerstin Maria Albers als "Urteil der Woche" in der FTD vorgestellt wird, darf ein Arbeitgeber die Auszahlung einer Weihnachtsgratifikation davon abhängig machen, ob das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Auszahlung noch ungekündigt besteht. Entscheidend sei der Zweck der Sonderzahlung – die hier nicht an bereits geleisteten Arbeiten anknüpfe, sondern als Bonus für Betriebstreue zu verstehen sei.

Auskunftsanspruch: Mit einem für den März erwarteten Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs im Antidiskriminierungsrecht beschäftigt sich Catrin Gesellensetter auf der "Recht & Steuern"-Seite des Handelsblatts. Zur Entscheidung stehe die Frage, ob eine abgelehnte Bewerberin einen Anspruch auf Auskunft darüber hat, wer statt ihrer eingestellt worden ist. Nach der inzwischen vorliegenden Stellungnahme des Generalanwalts dürfe ein Unternehmen dies zwar verschweigen – das könne im Rahmen einer Gesamtabwägung dann aber zu einer vermuteten Diskriminierung und damit zu Schadensersatzansprüchen führen.

Last-Minute-Rückzug: Anhand des Clerical Medical-Verfahrens beschäftigt sich lto.de (Uwe Schmidt-Kasparek) mit der Strategie von Versicherungsunternehmen, Grundsatzurteile des Bundesgerichtshofs dadurch zu verhindern, dass bei negativen Aussichten im letzten Moment Rechtsmittel zurückgezogen oder Vergleiche abgeschlossen werden.

Londoner Terror-Urteil: Die beiden in London wegen des "Besitzes terroristischen Schriftguts" angeklagten Deutschen sind zu 12- und 16-monatigen Haftstrafen verurteilt worden, berichtet die FAZ (Johannes Leithäuser). Sie hätten gewalt- und terrorverherrlichende Schriften bei sich gehabt, darunter Bombenbauanleitungen.

KAS vor Gericht: Zwei Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung sollen in Ägypten neben 41 weiteren Personen vor den Kairoer Strafgerichtshof gestellt werden. Der Vorwurf: Das Betreiben einer illegalen Nichtregierungsorganisation. Darüber berichtet unter anderem die taz.

Als "weiteres Kapitel der antiwestlichen Propaganda" des ägyptischen Militärrats analysiert ein Leitartikel der FTD die Anklage.

Buback-Prozess: Eine erste Bilanz der Beweisaufnahme im Buback-Prozess liefert der SWR-Terrorismus-Blog (Holger Schmidt) nach fast 75 Verhandlungstagen. Dabei präsentiert er die Eindrücke von sechs Journalisten, die den Prozess beobachten.

Brustimplantate: Wie nun auch die SZ (Alina Fichter) berichtet, haben etwa 100 Frauen Klage gegen die Allianz-Versicherung wegen minderwertiger Brustimplantate des französischen Unternehmens PIP eingelegt. Strittig sei allerdings, ob der Haftpflichtversicherungsvertrag zwischen PIP und Allianz überhaupt gültig ist.

Scharia-Anwendung: Mit dem Unterschied zwischen "gottgegebenem" und weltlichem Recht setzt sich Georg Paul Hefty (SZ) im Zusammenhang mit der Debatte um die Anwendung von Scharia-Recht in Deutschland auseinander. Das "Menschenrecht, von der regional oder familiär tradierten Religion Abstand zu nehmen" sei hier die entscheidende Schwelle – und damit eine Frage auch der Religionsfreiheit.

Julie Billaud dagegen berichtet auf verfassungsblog.de ihre ersten Eindrücke ihres Forschungsaufenthalts am "Muslim College" in London – wo sie die Berührung von islamischem Recht und der modernen Welt studieren will.

Geldwäsche: Unter der Überschrift "Keiner wäscht so sauber" beschäftigt sich die FTD (Jens Brambusch) mit Geldwäsche in Deutschland. Das Land sei der "neue Liebling des organisierten Verbrechens", die Behörden leisteten "kaum Widerstand".

Weitere Themen – Recht in der Welt

Breivik-Prozess: Vom ersten öffentlichen Auftritt des norwegischen Attentäters Anders Breivig vor Gericht berichtet die SZ (Gunnar Hermann). Bei seinem Haftprüfungstermin habe das Gericht erstmals Fernsehteams und Fotografen zugelassen. Die "perfide Gerichtsshow" Breiviks ist auch spiegel.de (Gerald Trauvetter) eine Reportage wert.

Scientology: In Frankreich ist Scientology wegen bandenmäßigen Betrugs zu insgesamt 600.000 Euro Geldstrafe verurteilt worden. Das berichtet blog.beck.de (Bernd von Heintschel-Heinegg).

Doping: Der internationale Sportgerichtshof CAS hat den Radsportprofi Alberto Contador wegen Dopings verurteilt. Ihm werden seine Tour de France und Giro d'Italia-Siege aberkannt und er wird für 2 Jahre gesperrt, so die SZ (Andreas Burkert).

Das Letzte zum Schluss

Bierglas-DNA: Der Dieb eines Geldbeutels ist in Schriesheim per DNA-Abgleich überführt worden. Er hatte am Tatort, einem Eiscafé, ein Bier getrunken – von diesem Glas nahm die Polizei eine DNA-Probe. Der Fall zeige, so lawblog.de (Udo Vetter), dass anders als landläufig angenommen für einen DNA-Abgleich auch Delikte "im Bagatellbereich" ausreichten.

Poesie-Weisung: Ein bayerischer Richter hat offenbar drei jugendlichen Brandstiftern als Weisung aufgegeben, das Gedicht "Feuerreiter" von Eduard Mörike auswendig zu lernen und ihm vorzutragen - neben zwei mehrjährigen Haft- und einer Bewährungsstrafe, versteht sich. An "altertümliche Erziehungsmethoden" erinnert fühlt sich Udo Vetter auf lawblog.de.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/thd

(Hinweis für Journalisten)

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 7. Februar 2012: Luftige Vorratsdatenspeicherung – Gekündigtes Weihnachtsgeld – Poesie auf Weisung . In: Legal Tribune Online, 07.02.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5509/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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