Datenschutz in der Corona-Krise: Telekom gibt anony­mi­sierte Nut­zer­daten weiter

18.03.2020

Die Deutsche Telekom hat dem Robert Koch-Institut anonymisierte Bewegungsdaten von ihren Mobilfunknutzern weitergegeben, damit die Forscher Infektionszahlen analysieren können. Datenschützer sind skeptisch - aber nicht alle. 

Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat von der Deutschen Telekom kostenlos anonymisierte Bewegungsdaten von Handy-Nutzern erhalten, damit es den Erfolg von Maßnahmen gegen die Coronavirus-Ausbreitung einschätzen kann. "Die Daten zeigen uns, ob insgesamt die Mobilität der Bevölkerung nachgelassen hat", sagte RKI-Präsident Lothar Wieler am Mittwoch in Berlin. "Es sind aggregierte, anonymisierte Daten und keine individuellen Daten", betonte er.

Für den Landesdatenschutzbeauftragten (LfdI) von Baden-Württemberg, Stefan Brink, ist dieses Vorgehen allerdings nicht unproblematisch. "Wir befinden uns mitten in einer Gesundheitskrise. Die Nutzung von Ortungsdaten zur Kontrolle/Überwachung Einzelner wird gerade bei uns diskutiert und anderswo bereits praktiziert", sagte Brink gegen LTO. Er appellierte aber daran, auch in diesen Zeiten die Debatte darüber nicht zu vernachlässigen, ob und inwiefern die Gesundheit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einschränken sollte. Letztlich sei dies eine Entscheidung, die der Gesetzgeber treffen müsse.    

BfDI: "Zum Zwecke des Gesundheitsschutzes vertretbar"

Das Robert Koch-Institut müsse beurteilen können, warum es Rückgänge oder Anstiege bei Infektionszahlen gibt, sagte RKI-Präsident Wieler: "Wenn wir sehen, dass die Menschen die Maßnahmen gar nicht umsetzen - und das sehen wir anhand dieser aggregierten Daten -, dann sehen wir den Grund dafür, dass die Intervention, die wir wünschen, nicht erfolgreich ist. Die Daten könne man sowieso kaufen, "wir kriegen sie nur diesmal umsonst".

"Es handelt sich um bundesweite Daten, die auf Bundesländer und Kreis-Gemeinde-Schlüssel heruntergebrochen werden können", erklärte ein Sprecher der Deutschen Telekom. "Aussagen zu Aufenthaltsorten oder Bewegungsspuren einzelner Mobilfunknutzer, also das individuelle Tracking von positiv getesteten Personen, sind ausgeschlossen", betonte er. Die Telekom habe am Dienstagabend fünf Gigabyte an Daten an das Robert Koch-Institut übermittelt. Kommende Woche werde es eine weitere unentgeltliche Datenlieferung geben.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte (BfDI) Ulrich Kelber hält die Maßnahme in der gewählten Form für vertretbar. "Vor allem unter den aktuellen Umständen spricht nichts gegen die Weitergabe dieser Daten zum Zweck des Gesundheitsschutzes", schrieb Kelber am Mittwoch bei Twitter. Es handele sich um Daten, die keine Rückschlüsse auf einzelne Personen ermöglichten. Aktuell werde in anderen Staaten während der Coronavirus-Pandemie der Datenschutz teilweise vernachlässigt. "In Deutschland sehe ich dafür keinen Grund, denn alle Lösungen lassen sich auch grundrechtskonform gestalten."

Wie anonym sind die Daten wirklich?

Der Baden-Württemberger Datenschützer Brink fragt sich in den Zeiten von Big Data und Künstlicher Intelligenz, wie anonym die Daten wirklich sind. Die fortschreitende Vernetzung und die Steigerung von Rechenpower lasse Daten, die vor drei Jahren noch als anonym galten, heute als personenbeziehbar erscheinen. Für die politische Debatte gab er mit auf den Weg, dass dem etwa durch die Vorgabe kurzer Löschfristen für personenbezogene wie auch für anonyme Ortungsdaten Rechnung getragen werden müsse.

Ein Problem sei es auch, das derjenige, der die Rohdaten habe (hier also die Telekom), auch derjenige sei, der die Anonymisierung durchführe, so Brink gegenüber LTO. Anonymisierung sei und bleibe anspruchsvoll. Auch hier müsse der Gesetzgeber Schutzvorschriften entwickeln.

Die Bundesregierung betonte, die Einführung einer flächendeckenden Handydaten-Auswertung sei in Deutschland nicht geplant. "Das Robert-Koch-Institut begleitet erste wissenschaftliche Ansätze, die sich damit beschäftigen, wie Standortdaten zur Verfolgung von Infektionsketten eingesetzt werden können", hieß es auf Anfrage der dpa.

hs/mgö/LTO-Redaktion

Mit Materialien der dpa

Zitiervorschlag

Datenschutz in der Corona-Krise: Telekom gibt anonymisierte Nutzerdaten weiter . In: Legal Tribune Online, 18.03.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40915/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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