Berliner Senat beantragt Normenkontrolle in Karlsruhe: Schwei­ne­hal­tung vor dem BVerfG

26.09.2017

Die Haltung von Schweinen in Deutschland verstoße gegen das Tierschutzgesetz und die Verfassung, meint der Berliner Senat. Nun soll das Bundesverfassungsgericht entscheiden.

Das Land Berlin will die Vorschriften zur Schweinehaltung in Deutschland vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) überprüfen lassen. Wie Sprecher Sebastian Brux gegenüber LTO bestätigte, wird der rot-rot-grüne Senat auf einen Beschluss vom Dienstag hin in Karlsruhe einen Antrag auf abstrakte Normenkontrolle stellen.

"Die Bedingungen in vielen deutschen Schweineställen verstoßen gegen das Tierschutzgesetz und auch gegen die Verfassung", erklärte dazu Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne). Die Tiere hätten vielfach zu wenig Platz, keine separaten Liegeplätze und unzureichende Abwechslung. Ihre artspezifischen Grundbedürfnisse würden zu wenig beachtet.

Gegenstand des Antrags ist nach Angaben von Brux die Tierschutz-Nutztierverordnung (TierSchNutztV) von 2006. Bei der Vorbereitung des Antrags hat sich der Senat der Expertise einer Hamburger Rechtsanwaltskanzlei bedient. Diese kam in ihrem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Regelungen der TierSchNutztV gegen das TierSchG und das Grundgesetz verstießen. Dabei stützt man sich auch auf ein Urteil des BVerfG, in dem es die Hennenhaltungsverordnung von 1987 u. a wegen mehrerer Verstöße gegen § 2 Nr. 1 TierSchG für nichtig erklärt hatte (Urt. v. 06.07-1999, Az. 2 BvF 3/90).

Senat: Enge Ställe führen zu Schmerzen und dauerhaften Schäden

Der Vorstoß der Berliner Regierung zielt nun vor allem auf die Schweinehaltung ab. Die Grundbedürfnisse von Schweinen, die nach den Mindestanforderungen der TierSchNutztV gehalten werden, würden demnach stark beeinträchtigt, teilte Brux mit. Sozialverhalten, Bewegung oder Futteraufnahme seien durch das unzureichende Platz- und Futterangebot beeinträchtigt.

So ist nach Erkenntnissen des Senats bspw. der vorgeschriebene Stallumfang zu klein. Speziell die nach der Verordnung zugelassene Haltung in Kastenständen führe zu Schmerzen und dauerhaften Schäden bei den Tieren. Die Möglichkeit zur Fortbewegung sei im Kastenstand vollständig aufgehoben, Gehen, Laufen, Rennen und sich Umdrehen praktisch unmöglich. Dies führe zu Symptomen wie Leerkauen, Stangenbeißen, vermehrtes Stehen und Sitzen, Trauern sowie zeitweilige Hyperaktivität.

Auch soll die von der Verordnung verlangte Mindesthelligkeit in den Ställen zu gering bemessen sein, die Grenzwerte für Ammoniak, Kohlendioxid und Schwefelwasserstoff sei dagegen zu hoch angesetzt.

Bundesregierung und Schweinehalter weisen Vorwürfe zurück

Pro Jahr werden in Deutschland 59 Millionen Schweine geschlachtet. Viele der Tiere werden in riesigen Mastbetrieben gehalten. Bereits vor einigen Monaten kam ein Greenpeace-Gutachten zu dem Schluss, dass die Haltungsbedingungen den Tieren Schmerz, Leid und Schäden zufügten. Sie widersprächen dem Tierschutzgesetz und dem im Grundgesetz festgeschriebenen Staatsziel Tierschutz. Bundesregierung, Bauernverband und Schweinehalter hatten den Vorwurf zurückgewiesen.

Das Grundgesetz formuliert in Art. 20a das Ziel des Tierschutzes wie folgt: "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung".

In Berlin selbst spielt Schweinehaltung praktisch keine Rolle. In großen Agrarländern wäre ein solcher Vorstoß wohl nur schwer gegen die dortige Lobby durchzusetzen. Doch auch wenn in Berlin nur eine sehr geringe Zahl an Schweinen gehalten werde, hätten die Berliner Verbraucher dennoch die berechtigte Erwartung, dass Tiere auch in der konventionellen Aufzucht artgerecht gehalten würden, so Brux.

mam/LTO-Redaktion/dpa

Zitiervorschlag

Berliner Senat beantragt Normenkontrolle in Karlsruhe: Schweinehaltung vor dem BVerfG . In: Legal Tribune Online, 26.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24717/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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