Erster Tag im NPD-Verbotsverfahren: Von V-Leuten und anderen Ver­fah­rens­hin­der­nissen

von Pia Lorenz

01.03.2016

Am Nachmittag ging es im NPD-Verbotsverfahren darum, ob und wie der Bundesrat die V-Leute in den Führungsgremien der NPD abgeschaltet hat. Die NPD trägt bislang zur Sache kaum vor, angekündigte "Knaller" blieben am ersten Prozesstag aus.

Während der Morgen bis zur späten Mittagspause in Karlsruhe von erfolglosen Befangenheitsanträgen und Besetzungrügen, Verschwörungstheorien und politischer Propaganda der NPD geprägt war, ging es am Nachmittag vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) um die Frage, ob die Politik diesmal alle Hindernisse aus dem Weg geräumt hat. Ein erster Verbotsanlauf war 2003 gescheitert, weil der Verfassungsschutz bis in die NPD-Spitze hinein Informanten hatte. Das BVerfG stellte damals das Verfahren ein, weil dieses rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht genüge.

So nahm auch am Dienstagnachmittag die Erörterung des V-Leute-Problems breiten Raum ein. Die Bundesländer hatten dafür im vergangenen Mai zusätzlich zum 250-seitigen Verbotsantrag noch einmal vier Aktenordner mit Belegen eingereicht.

Bundesratspräsident Stanislaw Tillich (CDU) betonte vor Gericht, in der NPD gebe es seit 2012 keine V-Leute mehr. Bundesrats-Vertreter Prof. Dr. Christian Waldhoff sagte, man habe die Lehren aus dem ersten Verfahren gezogen: Staatsfreiheit und Quellenfreiheit,
kein wesentliches NPD-Mitglied werden mehr ausgespäht, alle V-Leute seien abgeschaltet. 

Bundesrats-Vertreter: "Keine geheimdienstlichen Quellen"

Nach dem 6. Dezember 2012 habe es auch keine informationsgewinnende Nachsorge mehr gegeben, alle Verbindungen zu den Informanten seien gekappt worden. 5000 Belege in der Materialsammlung, 600 in den eingereichten Schriftsätzen seien frei von geheimdienstlichen Quellen. "Die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens war die oberste Maxime." Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sagte, es seien auch keine Erkenntnisse ausländischer Geheimdienste verwendet worden.

Das höchste deutsche Gerichte interessierte sich sehr für die Umsetzung der Abschaltung der V-Leute.  Mehrere hochrangige Verfassungsschützer berichteten, wie diese vonstatten ging und im Anschluss daran sichergestelt wurde, dass tatsächlich kein Kontakt mehr zwischen Beamten und den ehemaligen Informanten stattfand. NRW-Innenminister Jäger schilderte, wie er sichergestellt habe, dass alle ihm unterstellten Mitarbeiter sich an die erteilten Weisungen hielten.

NPD-Anwalt Richter bezweifelte die Aussagekraft der Bescheinigungen zur Abschaltung der V-Leute. Diese seien unglaubwürdig, weil sie von Behörden stammten. Die Befürchtung, dass man weiterhin überwacht und ausgeforscht werde, sei auch der Grund dafür, dass sich die NPD inhaltlich bisher nicht zum Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit geäußert habe. Verfassungsrichter Müller hielt dem entgegen, dass dem Gericht unter anderem umfangreiche Protokolle aus den Abschaltgesprächen mit den V-Leuten vorgelegt worden seien. "Und nun kommen Sie und sagen: Ich glaube das alles nicht!", sagt Müller. "Das ist etwas dünn, meine ich."

Viele Belege vom Bundesrat, keine "Knaller" von der NPD

Die von Richter vorab angenkündigten "Knaller" blieben am ersten Prozestag aus.  Er verweist auf einen Spitzel, der sich angeblich im Auftrag des bayerischen Verfassungsschutzes mit ihm auf Facebook befreunden wollte. Auf einen Mitarbeiter des saarländischen Verfassungsschutzes, der seiner Mutter 2012 ins Auto gefahren sei. Zwei Mitglieder des NPD-Landesvorstands NRW seien außerdem 2015 "mit nachrichtlichen Methoden" überwacht worden.

Nach der Mittagspause war bei der Polizei schon in Erfahrung gebracht, dass die beiden Frauen in NRW nur deshalb ins Visier gerieten, weil sie einen als "Gefährder" eingestuften Mann aus dem Gefängnis abholten. Auch die Nachfragen der Richter Huber und Müller lassen Richters Vortrag eher dünn aussehen. "Und das reicht, um die Glaubwürdigkeit all dessen, was auf dem Tisch liegt, zu entkräften?", fragt Müller. Am Dienstagabend ging es noch um einen angeblichen Versuch im Jahr 2014, einen Rechtsradikalen als V-Mann anzuwerben. Der sächsische LKA-Präsident dementierte, dass es einen solchen gegeben habe.

Ab Mittwoch wird es beim BVerfG um Zulässigkeit und Begründetheit des Antrags der Länderkammer gehen. Ob die zunächst für Mittwoch und Donnerstag anberaumten weiteren Verhandlungstage ausreichen werden, ist unklar. Ist die NPD darauf aus, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beseitigen oder zu beeinträchtigen? Ist die Partei dazu überhaupt einflussreich genug -  oder vielleicht viel zu unwichtig, zerstritten und unorganisert? Wäre ein Verbot als denkbar größter Einschnitt in die grundgesetzlich geschützte Freiheit einer Partei verhältnismäßig? Und würde es auch europäischem Recht standhalten?

Kommen doch noch "Knaller" von der NPD? Vieles spricht dafür, dass es eher bei Anträgen auf Schrifsatznachlass bleiben dürfte damit die Partei überhaupt erst einmal zur Sache Stellung nehmen kann. Mit einem Urteil wird erst in Monaten gerechnet. 

Mit Materialien von dpa

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, Erster Tag im NPD-Verbotsverfahren: Von V-Leuten und anderen Verfahrenshindernissen . In: Legal Tribune Online, 01.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18644/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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