BVerfG zu Gesetzgebungskompetenz beim Arbeitsschutz: Auch zwei freie Samstage sind erlaubt

11.03.2015

In Thüringen müssen Arbeitnehmer in Verkaufsstellen an mindestens zwei Samstagen im Monat frei bekommen. Das BVerfG hat die entsprechende Regelung auf die Verfassungsbeschwerde eines Möbelhauses hin bestätigt - obwohl das Ladenschlussgesetz des Bundes nur einen freien Samstag vorsieht.

Die Gesetzgeber der Länder dürfen vorschreiben, dass Beschäftigte im Einzelhandel an mindestens zwei Samstagen im Monat nicht beschäftigt werden dürfen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat anhand des thüringischen Ladenöffnungsgesetzes entschieden, dass eine solche Regelung der des Ladenschlussgesetzes (LadSchlG) des Bundes nicht entgegensteht und sie auch nicht unzulässig in die Berufsfreiheit der Arbeitgeber eingreift (Beschl. v. 14.01.2015, Az. 1 BvR 931/12).

Anlass des Beschlusses war die Verfassungsbeschwerde eines Möbelhauses, mit der dieses gegen § 12 Abs. 3 des Thüringer Ladenöffnungsgesetzes (ThürLadÖffG) vorging. Die Norm sieht vor, dass die im Verkauf tätigen Arbeitnehmer zwingend an zwei Samstagen im Monat frei haben müssen. Allerdings sind auch Ausnahmen durch Verordnungen zulässig.

Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung

Klärungsbedürftig erschien den Karlsruher Richtern vor allem die Frage der Gesetzgebungskompetenz des Landes Thüringen für eine solche Regelung. Dafür musste zunächst die Materie des angegriffenen Gesetzes bestimmt werden. Denn für Gesetze, die den Ladenschluss betreffen, haben die Länder seit der Föderalismusreform 2006 nach Art. 70 Abs. 1 i.V.m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 Grundgesetz (GG) die Befugnis zur ausschließlichen Gesetzgebung. Für arbeitsrechtliche Regelungen gilt demgegenüber nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG die konkurrierende Gesetzgebung.

Nach Ansicht der Richter betrifft die angegriffene Norm nicht den Ladenschlusses, da sie keinerlei Vorgaben hinsichtlich der täglichen Verkaufszeit in Einzelhandelsgeschäften macht. Die Vorschrift diene vielmehr dem Arbeitnehmerschutz und unterfalle somit der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz. Die Länder hätten damit die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Zuständigkeit nicht Gebrauch mache, also "eine bestimmte Frage erschöpfend regelt".

Eine solche Sperrwirkung ergebe sich nicht etwa aus dem Ladenschlussgesetz des Bundes (LadSchlG), welches ursprünglich nicht nur die Öffnungszeiten von Verkaufsstellen regeln, sondern auch dem Arbeitsschutz dienen sollte. Dort ist in § 17 Abs. 4 bestimmt, dass Arbeitnehmer in Verkaufsstellen verlangen können, an einem Samstag pro Monat freigestellt zu werden. Eine abschließende Regelung sei das aber nicht, führten die Richter aus. Zwar habe die Norm zum Zeitpunkt ihrer Verabschiedung "faktisch abschließende Wirkung" gehabt. Allerdings hätten die Länder damals auch noch keine Regelungskompetenz für den Ladenschluss gehabt. Dafür hatte erst die Föderalismusreform 2006 gesorgt, mit der die Gesetzgebungskompetenz auf die Länder verlagert worden ist. Vorher habe der Bundesgesetzgeber sich "schlicht keine Gedanken" machen müssen, ob die Regelung abschließend gelten solle.

Wenn der Bundesgestzgeber dennoch eine einheitliche oder abschließende arbeitszeitrechtliche Vorgabe machen wolle, sei ihm dies unbenommen, so das BVerfG. § 17 Abs. 4 LadSchlG reiche dafür derzeit aber nicht aus.

Berufsausübungsfreiheit nur geringfügig betroffen

Somit sei die angegriffene Norm des Landesgesetzes formell verfassungsgemäß. Darüber hinaus verletze sie auch nicht die Grundrechte der Beschwerdeführerin, so das BVerfG. Sie greife zwar in die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG ein. Dies sei aber gerechtfertigt. Das Gesetz wolle auf die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen reagieren, die mit den Ausweitungen der Ladenöffnungszeiten verbunden seien. Hiervon seien sowohl die Gesundheit als auch das Familienleben betroffen. Die Regelung sei vor diesem Hintergrund verhältnismäßig und angemessen, zumal die Berufsausübungsfreiheit nur geringfügig beschränkt werde, so die Richter. Die Unternehmen seien dadurch schließlich nicht gehindert, ihre Geschäfte an Samstagen zu öffnen. Die Regel erzwinge nur organisatorische Vorkehrungen.

Zwar könne das streitige Gesetz für zusätzliche Kosten und sogar für Umsatzeinbußen sorgen, wenn nicht alle Fachkräfte an allen Samstagen zur Verfügung stünden. Die Belange des Arbeitnehmerschutzes seien jedoch insoweit vorrangig.

una/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BVerfG zu Gesetzgebungskompetenz beim Arbeitsschutz: Auch zwei freie Samstage sind erlaubt . In: Legal Tribune Online, 11.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14913/ (abgerufen am: 27.03.2024 )

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