BVerfG verlangt Rechtswegerschöpfung: Gegen sitzungspolizeiliche Anordnung muss Beschwerde erhoben werden

29.04.2015

Wann gegen die Anordnung eines Vorsitzenden Richters das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft ist, ist umstritten. Nun verwarf das BVerfG eine Verfassungsbeschwerde eines Zeitungsverlags, der aufgrund einer sitzungspolizeilichen Anordnung nur verpixelte Fotos veröffentlichen durfte. Hier hätte zunächst die höhere Instanz eingeschaltet werden müssen, so Karlsruhe.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Verfassungsbeschwerde, die sich gegen eine sitzungspolizeiliche Anordnung eines Vorsitzenden nach § 176 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) richtet, konkretisiert. Demnach muss zunächst der Rechtsweg erschöpft, also Beschwerde gegen die Anordnung in der höheren Instanz erhoben werden. (Beschl. v. 17.04.2015, Az. 1 BvR 3276/08).

Dies gilt dem Beschluss des BVerfG nach jedenfalls für solche sitzungspolizeilichen Anordnungen, die über die Dauer der jeweiligen Hauptverhandlung hinausreichen und nicht nur der Ordnung der Sitzung dienen. So wie die Anordnung des Landgerichts (LG) Oldenburg, mit der sich die Verfassungsrichter aktuell befasst haben. In einer Hauptverhandlung im Jahr 2008 hatte der Vorsitzende den anwesenden Medien untersagt, nicht anonymisierte Bilder vom Angeklagten zu veröffentlichen. Einer der hiervon betroffenen Zeitungsverlage scheiterte jetzt mit seiner Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe. Denn es spreche vieles dafür, dass das Rechtsmittel der Beschwerde nach § 304 Abs. 1 Strafprozessordung (StPO) gegeben sei, so das BVerfG.

Die Richter nahmen die Verfassungsbeschwerde also nicht zur Entscheidung an. Denn die Erschöpfung des Rechtsweges ist nach § 90 Abs. 2 S. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) eine wesentliche Zulässigkeitsvoraussetzung. Sie entfällt nur, wenn der mögliche Rechtsbehelf offensichtlich unzulässig ist. Ob dies für die Beschwerde gegen eine sitzungspolizeiliche Anordnung gilt, ist umstritten. Die ältere Rechtsprechung und auch Teile der Literatur lehnt sie ab. Eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) gibt es nicht. Es gibt aber auch Stimmen in Rechtsprechung und Kommentarliteratur, die sich für die Statthaftigkeit der Beschwerde aussprechen, wenn der sitzungspolizeilichen Anordnung eine größere Wirkung zukommt, insbesondere wenn sie Grundrechte beeinträchtigt.

Den Streit haben die Karlsruher Richter mit ihrem aktuellen Beschluss nicht entschieden. Sie haben die Verfassungsbeschwerde jedoch nicht zur Entscheidung angenommen. Denn die verschiedenen Ansichten zu der Frage zeigten, dass der Rechtsweg gegen eine Anordnung nach § 176 GVG jedenfalls nicht "offensichtlich" unzulässig sei, wenn diese Wirkungen über die Hauptverhandlung hinaus entfalte. Dies sei bei der Anordnung des LG Oldenburg, welche vor allem in die Pressefreiheit eingreife, auch der Fall.

una/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BVerfG verlangt Rechtswegerschöpfung: Gegen sitzungspolizeiliche Anordnung muss Beschwerde erhoben werden . In: Legal Tribune Online, 29.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15386/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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