BVerfG: Befangenheitsantrag gegen Verfassungsrichter Di Fabio abgelehnt

21.10.2011

Eine Gruppe von Beschwerdeführern, die sich mit ihren Verfassungsbeschwerden gegen Maßnahmen zur Griechenland-Hilfe und zum Euro-Rettungsschirm wenden, hatte im August 2011 den in diesen Verfahren als Berichterstatter zuständigen Richter des BVerfG Udo Di Fabio wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Die 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG hat das Ablehnungsgesuch am Freitag als unbegründet zurückgewiesen.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) begründete die Entscheidung damit, dass die vorgetragenen Umstände bei vernünftiger Würdigung keinen Anlass bieten würden, an der Unvoreingenommenheit des Richters Di Fabio zu zweifeln. Dass ein Richter des BVerfG eine bestimmte wissenschaftliche Meinung, Rechtsauffassung oder politische Überzeugung hat und diese auch nach außen offenbart und vertritt, begründe für sich genommen noch keine berechtigten Zweifel an seiner Unparteilichkeit.

Das Grundgesetz und das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) setzten voraus, dass die Richter des Bundesverfassungsgerichts gleichwohl ihr Amt im Bemühen um Objektivität wahrnehmen (Beschl. v. 11.10.2011, Az. 2 BvR 1010/10, 2 BvR 1219/10).

Das Vertrauen in die richterliche Unvoreingenommenheit könne daher durch solche Äußerungen nur gefährdet sein, wenn weitere Umstände hinzutreten. Aus der Sicht eines Verfahrensbeteiligten müsse zu befürchten sein, dass der Richter  bei der Entscheidungsfindung einem offenen rechtlichen Diskurs nicht mehr zugänglich sei und ihre Argumente nicht ernsthaft erwägen werde.

Die von den Beschwerdeführern beanstandeten Veröffentlichungen, Vorträge und Äußerungen des Richters Di Fabio würden solche Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit in der Sache nicht rechtfertigen. Wissenschaftliche Äußerungen eines Verfassungsrichters zu einer Rechtsfrage führten nach ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht zu seinem Ausschluss von der Ausübung des Richteramtes (§ 18 Abs. 3 Nr. 2 BVerfGG) und könnten daher für sich genommen auch keine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen.

Keine unsachlichen Erwägungen seitens Di Fabio

Auch aus dem prozessualen Verhalten des Richters ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine Befangenheit. Der Umstand, dass über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht bereits vor der Zustimmung der Bundesregierung entschieden worden ist, die die Beschwerdeführer mit ihrem Antrag verhindern wollten, rechtfertige nicht die Annahme, dass Zeitpunkt oder Inhalt dieser Entscheidung auf unsachlichen Erwägungen des Berichterstatters beruhten.

Auch die Vermutung der Beschwerdeführer, die Nichteinbeziehung ihrer Verfahren in die mündliche Verhandlung am 5. Juli 2011 sei auf sachfremde Erwägungen zurückzuführen, entbehre jeglicher Grundlage. Es entspreche ständiger Übung der Senate des BVerfG, bei einer Vielzahl von Verfassungsbeschwerden, die denselben Sachverhalt betreffen, zunächst einige wenige als Pilotverfahren für eine mündliche Verhandlung auszuwählen.

Die Beschwerdeführer hatten vorgetragen, dass schriftliche Äußerungen di Fabios zur Eurokrise in diversen Nachrichtenmagazinen und sonstigen Publikationen mit der gebotenen richterlichen Zurückhaltung nicht vereinbar und geeignet seien, Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters zu begründen. Außerdem habe er an insgesamt zwölf Veranstaltungen teilgenommen, die Bezüge zum Themenkomplex Euro-Krise aufgewiesen hätten, und sich dort jeweils thematisch einschlägig geäußert. Schließlich hätte auch sein prozessuales Verhalten in den anhängigen Verfahren, Anhaltspunkte für eine Befangenheit geboten.

asc/LTO-Redaktion

 

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Zitiervorschlag

BVerfG: Befangenheitsantrag gegen Verfassungsrichter Di Fabio abgelehnt . In: Legal Tribune Online, 21.10.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4619/ (abgerufen am: 18.03.2024 )

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