BVerfG: Abschiebungsanordnung ist rechtmäßig: Gefährder wissen, was sie tun

von Tanja Podolski

27.07.2017

Sie versuchen es – und scheitern: Erneut hat das BVerfG die Verfassungsbeschwerde eines Gefährders gegen seine Abschiebungsordnung nicht zur Entscheidung angenommen. Die angegriffene Norm sei verfassungsgemäß.

Die Regelung zur Abschiebungsanordnung von Gefährdern nach § 58a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Dies hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit am Donnerstag veröffentlichtem Beschluss entschieden (Beschl. v. 24.07.2017, 2 BvR 1487/17).

Damit scheiterte auch die Verfassungsbeschwerde eines algerischen Staatsangehörigen gegen die vom Senator für Inneres der Freien Hansestadt Bremen erlassene Abschiebeanordnung gemäß § 58a AufenthG.

Der Algerier war erstmals Anfang 2003 in das Bundesgebiet eingereist. Im März 2017 ordnete der Senator für Inneres der Freien Hansestadt Bremen gemäß § 58a AufenthG die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Algerien an. Er verband dies mit einem unbefristeten Einreise- und Aufenthaltsverbot. Zur Begründung führte er an, vom Beschwerdeführer gehe die Gefahr eines terroristischen Anschlags aus.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) lehnte den Antrag des Beschwerdeführers gegen die Abschiebungsanordnung ab (Beschl. v. 31.05.2017, Az 1 VR 4.17 / 1 A 5.17). Einzige Bedingung: Die algerische Regierung sollte zusichern, dass dem Mann keine menschenrechtswidrige Behandlung drohe.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügte der Algerier vornehmlich die formelle und materielle Verfassungswidrigkeit des § 58a AufenthG. Insbesondere habe der Vermittlungsausschuss diese Norm in seinen Einigungsvorschlag aufgenommen, ohne dass sie zuvor Gegenstand parlamentarischer Beratung gewesen sei.

Vermittlungsausschuss vermittelt nur

Das BVerfG sieht das anders: Die Norm sei in formeller Hinsicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Aufgabe des Vermittlungsausschusses sei es, aus verschiedenen Meinungen einen Beschlussvorschlag zu entwickeln. Und zwar aus Meinungen, die bereits zuvor in den Gesetzgebungsorganen erörtert worden oder jedenfalls erkennbar geworden seien. Der Ausschuss habe weder ein Gesetzesinitiativrecht noch dürfe er das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren verkürzen und der öffentlichen Aufmerksamkeit entziehen. Der Vermittlungsvorschlag könne also nur Regelungen enthalten, die bis zur letzten Lesung im Bundestag in das jeweilige Gesetzgebungsverfahren eingeführt worden waren.

Schon im parlamentarischen Verfahren sei die Forderung nach einer effektiven Abwehr terroristischer Aktivitäten unter anderem durch den Vorschlag lebenslanger Einreisesperren, die Erweiterung der Ausweisungstatbestände sowie die Reduzierung von gesetzlichen Abschiebungsverboten zum Ausdruck gekommen, so die Richter. Entsprechende Regelungen hätten auch für den Fall von Terrorismusverdacht gefunden werden sollen, darauf habe sich dann auch der Änderungsantrag bezogen. Dass diese Anträge bereits im Innenausschuss abgelehnt und im ersten Gesetzesbeschluss des Bundestages unberücksichtigt geblieben seien, sei unschädlich und führe nicht dazu, dass der Vermittlungsausschuss seine Grenzen überschritten habe

"Terroristische Gefahr" hinreichend bestimmtbar

Auch materiell-rechtlich bestünden gegen die Regelung keine Bedenken. Es gehe um eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland bzw. eine terroristische Gefahr. Diese Tatbestandsmerkmale seien hinreichend bestimmbar. Schon das BVerwG habe die Tatbestandsvoraussetzungen konkretisiert und herausgearbeitet, worin die Unterschiede zwischen §58a AufenthG und den allgemeinen Ausweisungstatbeständen bestehen. Dabei habe das Gericht insbesondere auf die von terroristischen Straftaten ausgehenden Gefahren abgestellt, die sich jederzeit und ohne großen Vorbereitungsaufwand realisieren könnten.

Von dem Algerier gehe eine solche Gefahr aus, für diese Erkenntnis habe das BVerwG auf umfangreiche Erkenntnisse zurückgreifen können. Der Mann sei bereit, seine religiös motivierten Ziele durch gewaltsame oder terroristische Methoden zu erreichen.

Allerdings darf auch ein Gefährder nach § 58a AufenthG nicht abgeschoben werden, wenn ihm im Zielland eine menschenrechtswidrige Behandlung iSd § 60 AufenthG droht. Die Abschiebung eines Gefährders könne von der Zustimmung der algerischen Behörden abhängig zu machen. Die Anforderungen an eine solche sei dabei abhängig von den Bedingungen im Zielstaat und den Umständen des Einzelfalles.

Im Fall des Algeriers müsse garantiert werden, dass die Haftbedingungen überprüft und der Mann ungehinderten Zugang zu seinen Prozessbevollmächtigten bekomme. Zudem müsse der Beschwerdeführer vor seiner Abschiebung Gelegenheit haben, die Zusicherung zur Kenntnis zu nehmen und gegebenenfalls um Rechtsschutz nachzusuchen.

Bereits im April hatte das BVerfG die Verfassungsbeschwerde eines islamistischen Gefährders aus Göttingen nicht zur Entscheidung angenommen (Beschl. v. 04.04.2017, Az. 2 BvR 743/17).

Zitiervorschlag

Tanja Podolski, BVerfG: Abschiebungsanordnung ist rechtmäßig: Gefährder wissen, was sie tun . In: Legal Tribune Online, 27.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23659/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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