BVerfG zu Besoldung von Richtern und Staatsanwälten: Zweifel an Verfassungsmäßigkeit

03.12.2014

Das BVerfG hat am Mittwoch bezweifelt, dass Richter und Staatsanwälte in Deutschland ausreichend bezahlt werden. Das schwache Abschneiden im internationalen Vergleich fand Gerichtspräsident Voßkuhle "irritierend". Bis zum Urteil im nächsten Frühjahr suchen die Richter nun nach geeigneten Kriterien für eine angemessene Besoldung. Das Verfahren betrifft etwa 20.000 Richter und 5.000 Staatsanwälte.

Einige Richter und Staatsanwälte halten ihre Besoldung für mittlerweile absolut unzureichend und damit für verfassungswidrig. Sie zogen deshalb in verschiedenen Bundesländern vor die Verwaltungsgerichte. Diese setzten ihre Verfahren aus und wandten sich im Wege der konkreten Normenkontrolle an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG).

Die Verfassungsrichter haben zwar nur ein eingeschränktes Prüfrecht, denn den Ländern steht bei der Bezahlung ihrer Beamten ein großer Gestaltungsspielraum zu. Dennoch bezweifelte der zweite Senat des BVerfG in der mündlichen Verhandlung am Mittwoch, dass die Besoldung dieser Berufsgruppen mit dem in Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz (GG) verankerten "Alimentationsprinzip" vereinbar sei. Die Karlsruher Richter suchen deshalb nun nach praktischen Kriterien für die Festlegung einer angemessenen Besoldung (Az. 2 BvL 17/09 u.a.).

Für den Verhandlungstermin hatte das Verfassungsgericht große Mengen an Material zur allgemeinen Lohnentwicklung sowie den beruflichen Anforderungen an Richter und Staatsanwälte und dem Ansehen der Justiz zusammengetragen. Auch die großzügige Pension der Beamten floss in die Erwägungen mit ein.

"Ein irritierendes Ergebnis"

Als Beamte unterliegen Richter und Staatsanwälte gewissen Einschränkungen. Sie können zum Beispiel nicht über ihr Gehalt verhandeln und haben kein Streikrecht. Das Grundgesetz schreibt im Gegenzug vor, dass Beamte nach dem Alimentationsprinzip zu bezahlen sind. Das heißt, ihr Dienstherr muss ihnen einen angemessenen Lebensunterhalt garantieren.

Was angemessen ist, regelt das Grundgesetz aber nicht. Das Gericht müsse daher einen "plausiblen und für alle nachvollziehbaren und praktikablen Entscheidungsmaßstab" entwickeln, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle in Karlsruhe.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in der Vergangenheit festgestellt, dass bei der Besoldung "die Attraktivität des Beamtenverhältnisses für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte, das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft, die vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung und seine Beanspruchung" zu berücksichtigen sind.

Die verbreitete Annahme, dass Deutschland besonders viel Geld für die Justiz bereitstelle, erweise sich als Irrtum, denn nur 1,5 Prozent der Gesamtausgaben kämen der Justiz zu, so Voßkuhle. Deutschland belege damit im Vergleich mit 43 europäischen Ländern den 30. Platz. "Für ein Gemeinwesen, das sich in besonderer Weise der Rechtsstaatsidee verpflichtet fühlt, ein zumindest irritierendes Ergebnis."

Große Gehaltsunterschiede je nach Bundesland

Bis 2006 wurden alle Richter und Staatsanwälte nach einem bundesweiten Tarif bezahlt. Im Rahmen der Föderalismusreform sind nun die Länder für die allermeisten Angehörigen dieser Berufsgruppen zuständig. Der Bund zahlt die Gehälter für die Bundesrichter und Bundesanwälte. Die Verfassungsrichter werden somit nicht zu Richtern in eigener Sache, da sie über Landesrecht entscheiden und selbst nach Bundesrecht bezahlt werden.

Wie viel ein (Landes-)Richter konkret verdient, ist je nach Bundesland verschieden. Nach Angaben des Deutschen Richterbundes bekommt ein lediger Berufsanfänger im Saarland brutto zum Beispiel 3.235 Euro, in Hamburg dagegen 4.052 Euro. Wie sich das Gehalt weiterentwickelt, richtet sich dann nach verschiedenen Faktoren wie Alter, Berufserfahrung, Position und Familienstand.

Wegen klammer Länderkassen und der Schuldenbremse mussten Staatsdiener in den letzten Jahren auch noch Gehaltseinschnitte und die Kürzung des Weihnachts- und des Urlaubsgeldes akzeptieren.

NRW-Haushalt heute: 40 Prozent Personalkosten

Die Kläger hatten kritisiert, ihre Gehälter hinkten vergleichbaren Tarifeinkommen mittlerweile regelrecht hinterher, sie erbrächten ein "Sonderopfer".  Oliver Sporré vom Deutsche Richterbund sagte dazu: "Wir erhoffen uns aus Karlsruhe das deutliche Signal, dass es so wie bisher nicht mehr weiter geht". Das Verwaltungsgericht Halle sprach davon, dass sich die Besoldung "greifbar" von den Gehältern vergleichbarer Posten in der Wirtschaft abgekoppelt habe.

Die Länder hingegen hatten um Verständnis für ihr Vorgehen geworben. 40 Prozent des nordrhein-westfälischen Haushalts bestünden aus Personalkosten, sagte etwa NRW-Finanzstaatssekretär Rüdiger Messal. "Das kann man bei Einsparungen nicht gänzlich außen vor lassen."

Bundesweit dürften etwa 20.000 Richter und 5.000 Staatsanwälte betroffen sein. Das Urteil, das wohl im nächsten Frühjahr zu erwarten ist, könnte Signalwirkung für andere Personengruppen haben, da das Alimentationsprinzip genau so für die übrigen Beamten gilt. Dem Verfassungsgericht liegt auch eine Klage der Polizei aus Nordrhein-Westfalen vor.

ahe/dpa/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BVerfG zu Besoldung von Richtern und Staatsanwälten: Zweifel an Verfassungsmäßigkeit . In: Legal Tribune Online, 03.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14008/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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