Wie Gefangene ihr Wahlrecht ausüben: Das Kreuz­chen hinter Git­tern

28.08.2017

Am 24. September ist Bundestagswahl. Doch wie steht es um die Wähler hinter Gittern? Das Gesetz verleiht auch ihnen das Recht, den neuen Bundestag mitzugestalten. Ein Überblick.

Wenn Deutschland am 24. September einen neuen Bundestag wählt, zählt die Stimme eines jeden Wahlberechtigten. Dies gilt auch für die Insassen von Haftanstalten. Diese sind zwar in ihrer Freiheit beschränkt, nichtsdestotrotz haben auch sie ein aktives Wahlrecht, wie sich aus Art. 38 Grundgesetz (GG) ergibt. Dieser sieht lediglich die Einschränkung vor, dass das Mindestalter von 18 Jahren erreicht sein muss.

Zudem gebietet das Resozialisierungsgebot als Ausfluss des Sozialstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 1 GG i. V. m. der Menschenwürdegarantie aus Art. 1 Abs. 1 und dem Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG die rechtliche Gleichstellung von Gefangenen und freien Bürgern, soweit eine unterschiedliche Behandlung nicht durch die Inhaftierung notwendig gemacht wird.

Die Bundeswahlordnung (BWO) sieht sogar ausdrücklich die Möglichkeit vor, in Justizvollzugsanstalten (JVA) Wahllokale einzurichten. In der Praxis aber ist die Briefwahl meist die einzige Möglichkeit.

Gefangene wählen per Briefwahl

Die Berliner Senatsverwaltung für Justiz erklärt ihr Vorgehen wie folgt: Es werde dafür gesorgt, dass die beantragten Stimmzettel unbeobachtet angekreuzt und in den entsprechenden Umschlag gesteckt werden könnten. Die verschlossenen Wahlbriefe würden nicht überwacht. Für Gefangene, die nicht allein untergebracht sind, werde zur Stimmabgabe ein extra Raum zur Verfügung gestellt. Das Wahlgeheimnis sei damit gesichert.

Wer sich im offenen Vollzug befindet und damit die Haftanstalt tagsüber verlassen darf, um einer Arbeit nachzugehen, kann seine Stimme demnach sogar direkt im Wahllokal abgeben oder den Briefwahl-Umschlag selbst absenden.

Doch wen soll man überhaupt wählen? Während freie Bürger Wahlprogramme lesen, Fernsehen schauen oder an Kundgebungen teilnehmen können, um ihre Wahlentscheidung zu treffen, sind die Möglichkeiten in der Justizvollzugsanstalt eingeschränkt: Plakate oder Infostände hinter Gefängnismauern gibt es nicht, wie die Berliner Verwaltung mitteilt: "Es gibt keine Wahlwerbung", erklärte ein Sprecher. Inhaftierte könnten sich aber an die Parteien wenden und Informationsmaterial schicken lassen. Dieses könne dann auch im Haftraum ausgebreitet oder angehängt werden.

Wahlbeteiligung unter Gefangenen nicht bekannt

Derzeit sind laut Statistischem Bundesamt in Deutschland rund 64.000 Personen inhaftiert, die meisten davon Männer. Sie sind überwiegend unter 40 und die wenigsten sitzen länger als fünf Jahre ein. Etwa ein Drittel ist ausländischer Staatsangehörigkeit.

Wie viele der Berliner Gefangenen ihr Recht nutzen, ist nach Angaben der Senatsverwaltung unklar, eine statistische Erfassung zur Wahlbeteiligung gebe es nicht. Wie groß das Interesse an der Wahl überhaupt ist, darüber können ebenfalls keine zuverlässigen Aussagen getroffen werden.

Fest steht: Wer wählen will, der muss sich das vorher überlegen. Denn eine Briefwahl muss beantragt werden. Laut Landeswahlgesetz richtet sich die Wahlberechtigung der Berliner nach dem Wohnsitz. Als dieser gilt bei Gefangenen eben die Haftanstalt.

mam/LTO-Redaktion

Mit Materialien von dpa

Zitiervorschlag

Wie Gefangene ihr Wahlrecht ausüben: Das Kreuzchen hinter Gittern . In: Legal Tribune Online, 28.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24167/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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