Brustimplantate-Skandal: Gericht kippt Urteil gegen TÜV Rhein­land

02.07.2015

Der TÜV Rheinland muss im Skandal um minderwertige Brustimplantate in Frankreich doch nicht haften. Ein Berufungsgericht in Frankreich gab den Prüfern Recht und wies Schadensersatzansprüche in Millionenhöhe ab.

Ein französisches Berufungsgericht hob am Donnerstag ein Schadensersatz-Urteil gegen das Prüfunternehmen auf. Der Technische Überwachungsverein (TÜV) habe seine Verpflichtungen bei der Zertifizierung der Produktion des Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) erfüllt, teilte das Gericht in Aix-en-Provence mit. In erster Instanz war der TÜV Ende 2013 verurteilt worden, mehr als 1.600 Frauen jeweils zunächst 3.000 Euro Schadensersatz plus Anwaltskosten zu zahlen.

Zwischenzeitlich traten nach Angaben des TÜV weitere Opfer dem Verfahren bei, die Entscheidung bezieht sich daher auf mehr als 3.000 Frauen sowie einige Händler. Das Unternehmen sieht sich selbst als Opfer des Betrugs des Herstellers und legte deshalb Berufung ein. Mehrere deutsche und französische Gerichte schlossen sich dieser Einschätzung bereits an.

Der inzwischen insolvente Hersteller PIP hatte etwa zehn Jahre lang billiges Industriesilikon für seine Implantate verwendet. Die reißanfälligen Silikonkissen wurden Schätzungen zufolge weltweit bei hunderttausenden Frauen eingesetzt. Der TÜV hatte nur Unterlagen und die Qualitätssicherung von PIP überprüft, nicht die Kissen selbst. Auf dieser Grundlage erhielt die Firma das europäische CE-Siegel. Die Klägerinnen warfen den Prüfern deshalb Schlamperei vor.

Fordert der TÜV Geld zurück?

Die Entscheidung sei ein wichtiger Schritt in den gerichtlichen Auseinandersetzungen um den PIP-Skandal, sagte TÜV-Sprecher Hartmut Müller-Gerbes. Eine Bestätigung der Schadensersatzansprüche hätte den TÜV teuer zu stehen kommen können. Das ursprüngliche Urteil des Handelsgerichts von Toulon sah nämlich die Möglichkeit vor, je nach Einzelfall auch höhere Ansprüche geltend zu machen als die pauschalen 3.000 Euro pro Frau. Die Klägerinnen hatten ursprünglich jeweils 16.000 Euro gefordert.

Die bereits gezahlten 5,8 Millionen Euro könnte der TÜV Rheinland nun zurückfordern - ob das Unternehmen dies auch macht, wird laut einem Sprecher noch geprüft. Nach Angaben einer Anwältin könnten auch gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts Rechtsmittel eingelegt werden.

Der Skandal um die Brustimplantate war 2010 aufgeflogen. In Deutschland waren schätzungsweise mehr als 5.000 Frauen betroffen. Im Zuge der Frage, wer für die tickenden Zeitbomben zahlen muss, waren auch Rufe nach dem Staat laut geworden, weil die mit Industriesilikon gefüllten Kissen ein CE-Siegel trugen. Behörden rieten Betroffenen damals, sich die Implantate entfernen zu lassen. Der Gründer der Skandal-Firma PIP, Jean-Claude Mas, war im Dezember 2013 zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Sein Berufungsprozess soll im November beginnen.

Doch der TÜV muss weiter bangen: In Deutschland hat der Bundesgerichtshof (BGH) vor Kurzem ein Verfahren gegen den TÜV Rheinland ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt.

dpa/age/LTO-Redaktion

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Brustimplantate-Skandal: Gericht kippt Urteil gegen TÜV Rheinland . In: Legal Tribune Online, 02.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16068/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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