Zwei Autofahrer liefern sich spontan ein Rennen in Köln - am Ende ist eine Radlerin tot. Dennoch kommen die Männer mit Bewährungsstrafen wegen fahrlässiger Tötung davon. Aber der BGH hat nur einen begrenzten Spielraum für Korrekturen.
Nach dem Tod einer jungen Radfahrerin bei einem verbotenen Autorennen in Köln fordert die Staatsanwaltschaft eine Verschärfung der Strafen gegen die beiden Raser. Das Landgericht (LG) Köln habe die Männer rechtsfehlerhaft zu Bewährungsstrafen verurteilt, sagte Bundesanwältin Annette Böringer in der Revisionsverhandlung am Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag in Karlsruhe. Sie will erreichen, dass die obersten Strafrichter die Urteile teilweise aufheben und zur Neuentscheidung über das Strafmaß an eine andere Kammer zurückverweisen.
Das Urteil soll am 22. Juni verkündet werden. Aber in der Verhandlung am Donnerstag deutete einiges darauf hin, dass eine schärfere Strafe eher unwahrscheinlich ist. Das liegt nicht nur daran, dass die Staatsanwaltschaft ihre Revision zuungunsten der Angeklagten auf den Strafausspruch beschränkt hat.
LG Köln: keine notorischen Raser
Die Angeklagten haben ein Faible für Autos und schon Bußgelder kassiert. Aber sie gehören nach den Erkenntnissen aus dem Kölner Prozess weder zur Raser-Szene noch fahren sie häufiger illegale Rennen. Der Wettstreit ergab sich nach den Feststellungen der Tatrichter spontan, ohne Verabredung.
Die jungen Männer sind miteinander bekannt, am 14. April 2015 laufen sie sich zufällig über den Weg. Die Sonne scheint, das richtige Wetter für einen Abend an den Rheinterrassen. Der Ältere fährt in seinem BMW los, der Jüngere mit einem Freund im Mercedes-Cabrio der Eltern. Sie sind von Anfang an schnell unterwegs, überholen andere.
An der Kreuzung zum Auenweg stoppen beide an einer Ampel. Nun spielen die Fahrer mit dem Gaspedal, lassen die Motoren aufheulen. Mit quietschenden Reifen biegen sie ab. "Spätestens jetzt", so heißt es in dem Kölner Urteil, ist es ein "Kräftemessen". Der BMW rast voraus, der Mercedes klebt ihm leicht versetzt an der Stoßstange, "wie bei einem Formel-1-Rennen", wird eine Zeugin später sagen. Bei Tempo 95 bekommt es der Vordere mit der Angst zu tun. Er merkt, dass er es kaum durch die Kurve schafft, traut sich aber bei dem geringen Abstand nicht, auf die Bremse zu treten. Dann kommt sein Auto ins Driften, prallt gegen den Bordstein, schleudert über die Fahrbahn auf den Radweg.
2/2: BGH: Strafzumessung obliegt dem Tatrichter
Den Männern hätte klar sein müssen, dass sie durch ihre Fahrweise Menschenleben gefährden, heißt es in dem Kölner Urteil. In völliger Selbstüberschätzung hätten sie darauf vertraut, dass es schon gut gehen werde. Das "hohe Maß an Leichtfertigkeit" und die schlimmen Folgen für die Familie sprächen für eine harte Strafe. Zugute hielt das LG den Männern, dass sie keine notorischen Raser seien. Der Unfall und der Prozess hätten auch bei ihnen Spuren hinterlassen. Den Fahrer des Unfallwagens hat die Kölner Kammer zu zwei Jahren, den zweiten Raser zu eindreiviertel Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Dagegen haben Anklage und Verteidigung Revision eingelegt.
Die der Angeklagten hat der Senat bereits vor zwei Tagen verworfen, sagte die Vorsitzende Richterin Beate Sost-Scheible am Donnerstag. Es geht nun um die von der Staatsanwaltschaft zu Ungunsten der beiden Männer eingelegte Revision. Für die Staatsanwaltschaft Köln kritisierte Bundesanwältin Annette Böringer das Kölner Urteil als zu milde. Die Richter hätten einseitig die Umstände berücksichtigt, die für die Männer sprechen. Allerdings hat die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel auf den Strafausspruch beschränkt.
So dämpfte Sost-Scheible gleich zum Verhandlungsauftakt allzu hohe Erwartungen. "Die Strafzumessung ist eine Domäne, die dem Tatrichter obliegt", erläutert sie. Der Rahmen für Korrekturen sei also begrenzt. In Karlsruhe werde nur noch auf Rechtsfehler geprüft. Insbesondere wird sich an der Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung nichts mehr ändern. Das bedeutet: allerhöchstens fünf Jahre Haft.
Mord-Verurteilung kommt nicht in Frage
Es bedeutet auch, dass der BGH nicht über die seit einigen Monaten in der Öffentlichkeit diskutierte Frage entscheiden wird, ob Rasen im Straßenverkehr eine Verurteilung wegen Mordes begründen kann, wenn dadurch jemand ums Leben kommt. Im Februar hat das Berliner Landgericht zwei Männer aus der Raser-Szene wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt - so eine Entscheidung gab es noch nie. Sie waren nachts ohne Rücksicht auf rote Ampeln mit bis zu 170 Stundenkilometern um die Wette den Kudamm entlanggerast. Ein 69-Jähriger, der mit seinem Jeep aus einer Seitenstraße kam, hatte keine Überlebenschance. Auch dieses Urteil wird der BGH noch zu prüfen haben - Ausgang ungewiss.
Die Raser-Fälle hatten überregional für Entsetzen gesorgt, zumal es im Frühjahr 2015 in Köln gleich mehrere schlimme Raser-Unfälle gegeben hatte. Aber auch die Verurteilung lediglich zu Bewährungsstrafen für die Angeklagten war in der Bevölkerung auf viel Kritik gestoßen. "Es kann kein Urteil unsere Tochter zurückbringen", sagt der Vater des Opfers heute. Aber Bewährungsstrafen, das sei für die Familie "wie ein Freispruch" gewesen.
In der Vergangenheit hat es in Deutschland immer wieder schwere Unfälle durch illegale Autorennen gegeben. Neben dem Aufsehen erregenden Berliner Prozess müssen sich in Hagen zur Zeit zwei Angeklagte wegen eines mutmaßlichen Autorennens vor dem Landgericht verantworten. Ihre Wagen waren mit zwei entgegenkommenden Autos zusammengeprallt, fünf Menschen erlitten teils schwere Verletzungen.
dpa/pl/cvl/LTO-Redaktion
BGH-Verhandlung in Karlsruhe: Schärfere Strafen nach Kölner Raser-Unfall? . In: Legal Tribune Online, 08.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23142/ (abgerufen am: 20.04.2024 )
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