BGH zum Gebrauchtwagenkauf: Lange Stand­zeit vor Erst­zu­las­sung kein Mangel

29.06.2016

Der Käufer eines Gebrauchtwagens darf nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass dieser kurz nach Fertigstellung erstzugelassen wurde. Ist das Baujahr nicht Vertragsbestandteil, liegt auch bei langer Standzeit kein Mangel vor, so der BGH. 

Die Angabe des Erstzulassungsdatums eines gebrauchten PKW im Kaufvertrag stellt nicht ohne Weiteres eine Vereinbarung über das Baujahr dar. In einer Standzeit von über einem Jahr vor der Erstzulassung liegt somit kein Sachmangel des Fahrzeugs. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am Mittwoch in Karlsruhe und gab einem Gebrauchtwagenhändler Recht (Urt. v. 29.06.2016, Az. VIII ZR 191/15). 

Der Kläger in dem Verfahren hatte 2012 ein gebrauchtes Auto erworben. Der Gebrauchtwagenhändler hatte im Kaufvertragsformular unter der Rubrik "Datum der Erstzulassung lt. Fzg.-Brief" den 18. Februar 2010 eingetragen. Ein Baujahr war dem Formular aber nicht zu entnehmen. Der Käufer erfuhr erst später, dass das Auto bereits im Juli 2008 hergestellt worden war und bis zur Erstzulassung gestanden hatte. Aus diesem Grund erklärte er den Rücktritt vom Kaufvertrag und begehrte Rückzahlung des Kaufpreises.

Der BGH wies die Klage am Mittwoch ab, da ein den Rücktritt begründender Sachmangel nicht gegeben sei. Nach Ansicht der Richter hatten sich die Parteien weder ausdrücklich noch konkludent auf ein bestimmtes Baujahr als Beschaffenheitsmerkmal verständigt.

Rechtsprechung zu Neu- und Jahreswagen nicht anwendbar

Die bloße Angabe des Datums der Erstzulassung reiche in diesem Fall nicht aus, da der Gebrauchtwagenhändler eindeutig Bezug auf den Fahrzeugbrief genommen habe. Damit habe er keine verbindliche Willenserklärung abgegeben, sondern selbst nur die Angaben aus dem KFZ-Brief mitgeteilt, so der BGH. Der Händler habe mit dem Zusatz "lt. Fzg.-Brief" gerade zum Ausdruck gebracht, dass er weder für die Richtigkeit des Datums noch darüber hinaus für ein bestimmtes Baujahr einstehen wolle.

Zwar kann ein Mangel auch unabhängig von einer Beschaffenheitsvereinbarung gegeben sein, wenn die Sache sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet oder nicht die vom Käufer berechtigterweise zu erwartende Beschaffenheit aufweist. So hat der BGH bereits mit vorangegangenen Urteilen entschieden, dass ein Autokäufer grundsätzlich erwarten darf, dass ein Auto keine zwölf Monate überdauernde Standzeit vor der Erstzulassung aufweist. Diese Rechtsprechung gilt jedoch nur für Neu- und Jahreswagen. Für Gebrauchtwagen könne ein solch allgemein gültiger Grundsatz hingegen nicht aufgestellt werden, heißt es in der Entscheidung von Mittwoch. Was ein Käufer eines Gebrauchtwagens erwarten dürfe, hänge vielmehr stets von den Umständen des Einzelfalls ab. Beispielhaft nennt der BGH die Dauer der Zulassung, die Laufleistung, die Anzahl der Vorbesitzer und die Art der vorherigen Nutzung.

Im am Mittwoch entschiedenen Fall stellte der BGH fest, dass die lange Standzeit vor dem Hintergrund der recht hohen Laufleistung des PKW und der nicht unerheblichen Abnutzung entscheidend an Bedeutung verloren habe. Dass konkrete standzeitbedingte Mängel aufgetreten seien, habe der Kläger auch nicht geltend gemacht.

una/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH zum Gebrauchtwagenkauf: Lange Standzeit vor Erstzulassung kein Mangel . In: Legal Tribune Online, 29.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19831/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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