BGH zu Beratungspflichten bei Wohnungskauf: Notar muss nicht vor Pleite-Risiko warnen

18.09.2018

Notare sollen den Käufer einer Immobilie davor schützen, sich übereilt in finanzielle Kalamitäten zu stürzen. Aber sie müssen nicht unbedingt davor warnen, dass der Bauträger womöglich pleite gehen könnte, so der BGH.

Wer baut, geht damit in der Regel ein nicht unerhebliches finanzielles Risiko ein. Insbesondere, wenn dem Bauträger zwischenzeitlich das Geld ausgeht und man am Ende mit einem halb fertigen Haus dasteht. Davor zu warnen, gehört allerdings nicht zu den Pflichten, die ein Notar bei der Beurkundung eines Immobilienkaufs beachten muss, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem kürzlich veröffentlichten Urteil (Urt. v. 23.08.2018, Az. III ZR 506/16).

Der Fall, den der BGH zu entscheiden hatte, entsponn sich aus einem etwas komplexen Firmengeflecht. Die Bauträgerin, eine im Dezember 2003 gegründete GmbH, erwarb für 900.000 Euro ein unter Denkmalschutz stehendes Gebäude, um es zu sanieren, in Eigentumswohnungen aufzuteilen und diese zu verkaufen. Den Kauf des alten Hauses finanzierte man u. a. mit dem Darlehen einer Aktiengesellschaft, die gleichzeitig Gesellschafterin der Bauträger-GmbH war. Zur Sicherung des Darlehens wurde eine Grundschuld für das Grundstück mit dem Renovierungsbau eingetragen.

Nachdem es zu Unstimmigkeiten zwischen der GmbH und ihrer Gesellschafterin gekommen war, wurde schließlich die Zwangsversteigerung des gesamten Grundbesitzes des Unternehmens angeordnet und im März 2005 ein Zwangsversteigerungsvermerk in das Grundbuch eingetragen.

Notar unterließ Hinweis auf zwischenzeitlich betriebene Zwangsvollstreckung

Hier trat der Kläger des Verfahrens vor dem BGH auf den Plan, der eine der zum Verkauf stehenden Wohnungen erworben hatte. Um den Kauf abzuwickeln, wurde ein Notar beauftragt, der den Kaufvertrag beurkunden sollte. § 311b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sieht nicht nur für Grundstücks-, sondern auch für Wohnungskäufe eine notarielle Beurkundung vor. Sinn der Regelung ist es, den Käufer einer Immobilie vor übereilten Entscheidungen zu schützen. Dazu ist der Notar verpflichtet, ihn auf bestimmte Risiken hinzuweisen.

Nach § 17 Beurkundungsgesetz (BeurkG) soll er dabei "den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren". Außerdem obliegt es ihm, bei der Vertragsgestaltung "Irrtümer und Zweifel" zu vermieden sowie dafür zu sorgen, dass "unerfahrene und ungewandte Beteiligte nicht benachteiligt werden".

Der Notar arbeitete sodann mit den Beteiligten einen Kaufvertrag aus und forderte dazu auch einen Grundbuchauszug an. Zwischenzeitlich legte die Bauträgerin den Streit mit ihrer Gesellschafterin durch einen Vergleich bei, im Rahmen dessen auch vereinbart wurde, den Vermerk wieder aus dem Grundbuch zu löschen, was wenig später auch geschah. Der Vorgang ging auch aus dem Grundbuchauszug hervor, der dem Notar im Rahmen der Kaufabwicklung noch zukam. Dieser erwähnte aber gegenüber dem Käufer den zwischenzeitlich eingetragenen und wieder gelöschten Vermerk nicht.

Bauträgerin pleite, Käufer musste Arbeiten selbst fertigstellen

Nachdem der Mann schließlich die Wohnung gekauft hatte, geriet die Bauträgerin erneut in finanzielle Schwierigkeiten. In der Folge wurden noch weitere Zwangsversteigerungsvermerke eingetragen, die aber später ebenfalls wieder gelöscht wurden. Aufgrund der Zahlungsschwierigkeiten gelang es der Firma aber nicht, die Bauarbeiten fertigzustellen, sodass der Käufer schlussendlich mit einer halb sanierten Wohnung dastand.

Zusammen mit den anderen Käufern ließ er die weiteren Arbeiten auf eigene Kosten ausführen, während die Bauträgerin in die Insolvenz ging. Im Anschluss ging er gegen den Notar vor und beschuldigte ihn der Amtspflichtverletzung, indem er ihn bei der Kaufabwicklung nicht auf den zwischenzeitlich eingetragenen Vermerk hingewiesen habe.

Sowohl Landgericht (LG) als auch Oberlandesgericht (OLG) gaben der Klage des Käufers statt. Die Instanzgerichte argumentierten, zur rechtlichen Tragweite eines Geschäfts, über die der Notar die Parteien zu unterrichten hat, gehörten auch Grundstücksbelastungen und deren wirtschaftliche Bedeutung. Hätte der Notar den Vermerk gegenüber dem Käufer erwähnt und darauf hingewiesen, dass dies "ein Warnsignal für bestehende finanzielle Schwierigkeiten" sein könnte, so hätte er den Kaufvertrag womöglich nicht abgeschlossen, begründeten die Gerichte.

Hinweis auf Bonität verstößt gegen Neutralitätspflicht des Notars

Dieser Aufassung trat der BGH nun in seiner Entscheidung entgegen und gab damit der Revision des Notars statt - und das, obwohl derselbe Senat im Jahr 2011 in einer ähnlichen Angelegenheit schon ein Parallelverfahren verhandelt hatte, in dem er den Schadensersatzanspruch gegen den Notar schlussendlich bejahte. Ob es sich dabei um den gleichen Notar handelte, ließ sich auch auf LTO-Anfrage hin nicht mehr verifizieren.

Entscheidend im aktuelleren Fall war in den Augen der Richter nun aber ein wichtiges Detail: Im 2011 entschiedenen Verfahren ging es um einen anderen Käufer, dessen Kaufvertrag der Notar zur Zeit aufgesetzt hatte, als der Zwangsvollstreckungsvermerk noch eingetragen war und damit ein Veräußerungsverbot für das Grundstück bewirkte.

Zwar könne ein Notar aufgrund seiner allgemeinen Beratungsfunktion auch dazu verpflichtet sein, auf ein etwaiges finanzielles Risiko hinzuweisen, das der Käufer selbst bei Vertragsschluss womöglich nicht erkenne, befand der III. Zivilsenat in seiner aktuellen Entscheidung. Während man darunter 2011 auch den Hinweis auf einen Zwangsversteigerungsvermerk gefasst hatte, sah man die Information über zwischenzeitlich wieder gelöschte Vermerke hingegen nicht mehr als relevant an.

Mit der Löschung des Vermerks sei auch das Indiz für bestehende finanzielle Schwierigkeiten bei der Bauträgerin entfallen, befand der BGH. Somit müsse der Notar darüber auch nicht mehr informieren: "Es ist nicht Aufgabe des Notars, die Beteiligten auf in der Vergangenheit liegende Umstände, die einer Vertragspartei möglicherweise Anlass geben könnten, die (damalige) Leistungsfähigkeit ihres Vertragspartners zu hinterfragen oder überprüfen zu wollen, aufmerksam zu machen", heißt es in dem Urteil. Hinweise zur allgemeinen Bonität eines Vertragspartners dürfe der Notar demgegenüber gar nicht geben, da dies gegen seine Neutralitätspflicht aus § 14 Abs. 1 Satz 2 Bundesnotarordnung (BNotO) verstoße.

mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH zu Beratungspflichten bei Wohnungskauf: Notar muss nicht vor Pleite-Risiko warnen . In: Legal Tribune Online, 18.09.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30963/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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