BGH zu NS-Mann Oskar Gröning: Bei­hilfe zum Mord in min­des­tens 300.000 Fällen

28.11.2016

Das Urteil gegen Oskar Gröning ist rechtskräftig: Der "Buchhalter von Auschwitz" leistete Beihilfe zum Mord in mindestens 300.000 Fällen. Die Entscheidung könnte den Weg ebnen, weitere Holocaust-Handlanger zur Rechenschaft zu ziehen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Urteil des Landgerichts (LG) Lüneburg gegen den früheren SS-Mann Oskar Gröning bestätigt. Er habe sich wegen Beihilfe zum Mord in Hunderttausenden Fällen strafbar gemacht (Beschl. v. 20.09.2016, Az. 3 StR 49/16). Der 3. Strafsenat habe die auf die Beanstandung der Verletzung sachlichen Rechts und mehrere Verfahrensrügen gestützte Revision des Angeklagten ebenso verworfen wie die Revisionen mehrerer Nebenkläger, die mit ihren Rechtsmitteln eine Verurteilung des Angeklagten als Mittäter angestrebt hatten, teilte das Gericht mit.

Der 95-Jährige war im Juli 2015 in einem der letzten großen Auschwitz-Prozesse vom LG Lüneburg zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte eingeräumt, das Geld der verschleppten Juden verwaltet und die Ankunft der Transporte mit beaufsichtigt zu haben. Zu seinen Aufgaben habe unter anderem gehört, Widerstand oder Fluchtversuche der Deportierten mit Waffengewalt zu verhindern. Das Gericht wertete seine Aufgaben in Ausschwitz als Beitrag zum Funktionieren der nationalsozialistischen Tötungsmaschinerie.

Damit wurde Gröning sieben Jahrzehnte nach dem Holocaust wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen verurteilt, ohne einen Nachweis dass er an einzelnen Mordtaten direkt beteiligt war. Revision dagegen eingelegt hatten Gröning selbst sowie mehrere Nebenkläger.

Mit dem Karlsruher Beschluss ist dieses Urteil rechtskräftig. Damit wäre der Weg frei, auch anderen hochbetagten Handlangern des NS-Regimes den Prozess zu machen. Ob Gröning ins Gefängnis muss, hängt von seiner Gesundheit ab.

Jahrzehntelang wurden am Holocaust Beteiligte nicht zur Verantwortung gezogen, weil sie nicht selbst getötet hatten. Eine Wende leitete erst das Münchner Urteil gegen den früheren Sobibor-Aufseher John Demjanjuk von 2011 ein. Aber dessen Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord an 28.060 Menschen wurde nie rechtskräftig, weil Demjanjuk vorher in einem Pflegeheim starb.

dpa/nas/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH zu NS-Mann Oskar Gröning: Beihilfe zum Mord in mindestens 300.000 Fällen . In: Legal Tribune Online, 28.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21273/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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