BGH: Zeitungszeugen-Verleger geht leer aus: Keine Ent­schä­d­i­gung bei fal­scher, aber nach­voll­zieh­barer Ent­schei­dung

15.12.2016

Ein britischer Verleger kann keinen Schadenersatz oder Entschädigung verlangen, weil von ihm im historischen Kontext nachgedruckte NS-Propaganda beschlagnahmt wird, so der BGH. Er habe durch eigenes riskantes Verhalten dazu beigetragen.

Der britische Verleger der Publikation Zeitungszeugen Peter McGee bekommt weder Schadenersatz noch Entschädigung für die Beschlagnahme von von ihm nachgedruckter NS-Propaganda. Der unter anderem für das Staatshaftungsrecht zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshof (BGH) hob am Donnerstag ein entsprechendes Urteil der Vorinstanz auf (Urt. v. 15.12.2016, Az. III ZR 387/14). Der Senat begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass der Verleger das Eingreifen der Strafverfolgungsbehörden durch sein eigenes Verhalten veranlasst hatte.

Der Unternehmer hatte im Januar 2009 das Journal Zeitungszeugen in Deutschland auf den Markt gebracht, dem Nachdrucke des NS-Hetzblatts Völkischer Beobachter vom 1. März 1933 und des NS-Propagandaplakats Der Reichstag in Flammen beilagen. Für die Beschlagnahme von 12.000 Exemplaren auf Anordnung des Amtsgerichts (AG) München forderte der Unternehmer mehr als 2,6 Millionen Euro Schadenersatz und Entschädigung vom Freistaat Bayern. Das AG München hatte die Anordnung mit dem Verdacht der Verwendung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen und Verstößen gegen das Urheberrecht begründet.

Das Landgericht (LG) München hob die Beschlagnahmeanordnung später wieder auf und sprach dem Verleger eine Entschädigung aus enteignendem Eingriff aus abgetretenem Recht dem Grunde nach zu. Das Oberlandesgericht (OLG) München änderte lediglich den Tenor des erstinstanzlichen Urteils dahingehend ab, dass die zugesprochene Entschädigung auf enteignungsgleichem Eingriff beruhe.

Anfangsverdacht wegen Urheberrechtsverletzung vertretbar

Die Staatsanwaltschaft und der Ermittlungsrichter haben nach dem Urteil des BGH nicht amtspflichtwidrig im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 34 Satz 1 Grundgesetz (GG) gehandelt.

Die im Rahmen eines Beurteilungsspielraums getroffene Maßnahme sei im Amtshaftungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit zu überprüfen. Diese dürfe nur dann verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege die betreffende Entscheidung nicht mehr verständlich sei.

Angesichts der äußerst komplexen und komplizierten Sach- und Rechtslage und der Notwendigkeit einer Eilentscheidung sei es vertretbar gewesen, den (starken) Anfangsverdacht einer Verletzung des Urheberrechts durch den Verleger zu bejahen, so die Karlsruher Richter.

Beschlagnahme "durch das riskante Verhalten des Verlegers veranlasst"

Diese zur Vertretbarkeit der Maßnahme entwickelten Grundsätze würden auch für die Beurteilung von Ansprüchen aus enteignungsgleichem Eingriff gelten. Die Bejahung einer vertretbaren Maßnahme führe somit nicht nur dazu, dass eine Amtspflichtverletzung auf der Tatbestandsebene entfällt, sondern auch dazu, dass die Rechtswidrigkeit des Eingriffs als Voraussetzung einer Haftung aus enteignungsgleichem Eingriff zu verneinen sei.

Auch habe der Verleger keinen Anspruch aus einem enteignenden Eingriff, weil der Verlag kein unzumutbares Sonderopfer haben hinnehmen müssen. Denn der Verleger habe sich als geschäftsführender Gesellschafter bewusst für eine grenzwertige Veröffentlichung des Journals Zeitungszeugen entschieden. Dieses Verhaltens seines Organs müsse sich das Unternehmen zurechnen lassen.

Mit Materialien von dpa

mgö/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH: Zeitungszeugen-Verleger geht leer aus: Keine Entschädigung bei falscher, aber nachvollziehbarer Entscheidung . In: Legal Tribune Online, 15.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21491/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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