BGH hebt Urteil nach Kindstod auf: Wer die Tathandlung billigt, ist noch kein Mittäter

10.10.2017

Wegen des gewaltsamen Todes eines Kindes wurden dessen Mutter und ihr Lebensgefährte zu Haftstrafen verurteilt. Dieses Urteil hob der BGH nun aber auf. Es sei nicht erwiesen, wer von beiden die Handlungen beging. 

Weil das Landgericht (LG) nicht genug Feststellungen zum Tathergang getroffen habe, hob der Bundesgerichtshof (BGH) am Mittwoch die Verurteilung einer Frau und ihres Lebensgefährten wegen gemeinschaftlich begangener Körperverletzung mit Todesfolge auf (Urt. v. 10.10.2017, Az. 1 StR 496/16). Beiden wurde vorgeworfen, den Sohn der Angeklagten bis zum Tode misshandelt zu haben.

Die Angeklagte und Mutter des getöteten Kindes lebte seit Herbst 2009 mit ihrem Lebensgefährten, dem Mitangeklagten, und ihrem Sohn zusammen in einem Haushalt. Der Mann übernahm dabei die Vaterrolle für das 2006 geborene Kind.

Spätestens ab Mitte Februar 2011 soll der kleine Junge dann mehrfach durch jeweils einen der Angeklagten schwer misshandelt worden sein. Die Übergriffe richteten sich gegen den gesamten Körper, auch gegen das Gesicht und den Schädel und richteten schwere Verletzungen an. Wer die einzelnen Gewalthandlungen ausführte, konnte das Landgericht aber nicht ermitteln. Ausweislich der Feststellungen wusste der/die jeweils untätige Angeklagte aber um die Ursache der Verletzungen und billigte das Verhalten des anderen. 

Schwere Schläge oder Sturz auf den Kopf führten zum Tod

Am Tattag, dem 12. März 2011, verursachte eine/r der beiden Angeklagten schwere Kopfverletzungen des Kindes. Laut Gericht müssen diese durch massive Schläge mit der Faust gegen den Kopf entstanden sein oder der/die Täter/in ließ das Kind kopfüber aus nicht geringer Höhe zu Boden fallen. Das Kind wurde sofort bewusstlos und erlitt nach wenigen Minuten einen Herzstillstand, noch am selben Tag trat der  Hirntod ein. Auch bezüglich dieser Tathandlung hatte das Tatgericht nicht feststellen können, welche/r der beiden Angeklagten die Gewalthandlung ausführte.  

Dennoch hatte die Kammer beide Angeklagten wegen gemeinschaftlich begangener Körperverletzung mit Todesfolge sowie wegen der Misshandlung Schutzbefohlener zu Freiheitsstrafen von jeweils fünf Jahren verurteilt. Die dagegen gerichteten Revision der Verurteilten hatte vor dem BGH nun Erfolg.

Wie der 1. Strafsenat ausführte, genügten die Feststellungen zu den tatsächlichen Geschehnissen nicht, um beide Angeklagten als Mittäter einer Körperverletzung zu Lasten des getöteten Kindes anzusehen. Diese Mittäterschaft ist aber notwendige Voraussetzung für die jeweils erfolgte Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge.

Verurteilung weiterhin möglich

Die bloße Feststellung, der/die jeweils andere Angeklagte habe die Tathandlungen jedenfalls gebilligt, genügt somit in den Augen der Karlsruher Richter offenbar nicht, um beiden einen gleichwertigen Anteil an der Körperverletzung zuzurechnen. Nur dann käme es aber nicht mehr darauf an, wer die Handlung eigenhändig begangen hat.

Dies müsse zur Aufhebung des Urteils insgesamt führen, erklärten die Karlsruher Richter. Wegen des einheitlichen Geschehens könne auch die für sich genommen rechtsfehlerfrei angenommene Verurteilung wegen Misshandlung Schutzbefohlener nicht bestehen bleiben.

Der Senat wies allerdings darauf hin, dass nach den bislang festgestellten Umständen eine Verurteilung der Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge oder wegen strafbarer Beihilfe dazu keineswegs ausgeschlossen sei. Die jetzt neu zur Entscheidung berufene Strafkammer müsse dann jedoch weitergehende Feststellungen treffen, als dies im aufgehobenen Urteil der Fall gewesen sei. 

mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH hebt Urteil nach Kindstod auf: Wer die Tathandlung billigt, ist noch kein Mittäter . In: Legal Tribune Online, 10.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24943/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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