BVerfG zur Meinungsfreiheit: Rechtsanwalt darf Kollegen "rechtsradikal" nennen

13.11.2012

Andere in einem Internetforum als rechtsradikal zu bezeichnen, ist ein Werturteil und grundsätzlich von der Meinungsfreiheit gedeckt. Dies entschieden die Karlsruher Richter in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss und verwiesen das Verfahren zurück an das LG Würzburg.

Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) handelt es sich um Meinungsäußerungen in Form eines Werturteils. Es sei nicht durch eine Beweiserhebung festzustellen, wann ein Beitrag "rechtsextrem" ist, wann sich ein Denken vom "klassisch rechtsradikalen verschwörungstheoretischen Weltbild" unterscheidet und wann man "es sich gefallen lassen muss, rechtsradikal genannt zu werden" (Beschl. v. 17.09.2012, Az. 1 BvR 2979/10).

Geklagt hatte ein Rechtsanwalt, der sich auf seiner Kanzleihomepage sowie in Zeitschriftenveröffentlichungen mit politischen Themen beschäftigt. Er schrieb unter anderem über die "khasarischen, also nicht-semitischen Juden", die das Wirtschaftsgeschehen in der Welt bestimmten, und über den "transitorischen Charakter" des Grundgesetzes, das lediglich ein "ordnungsrechtliches Instrumentarium der Siegermächte" sei.

Instanzgerichte entschieden gegen die Meinungsfreiheit

Der spätere Beschwerdeführer, ebenfalls Rechtsanwalt, setzte sich in einem Internet-Diskussionsforum mit diesen Veröffentlichungen auseinander: Der Verfasser liefere "einen seiner typischen rechtsextremen originellen Beiträge zur Besatzerrepublik BRD, die endlich durch einen bioregionalistisch organisierten Volksstaat zu ersetzen sei". Wer meine, "die Welt werde im Grunde von einer Gruppe khasarischer Juden beherrscht, welche im Verborgenen die Strippen ziehen", müsse "es sich gefallen lassen, rechtsradikal genannt zu werden".

Das Landgericht (LG) Würzburg und das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg verurteilten den Beschwerdeführer zur Unterlassung der Äußerungen, wobei das LG sie teilweise als unwahre Tatsachenbehauptungen und das OLG sie als Schmähkritik aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit herausfallen ließen.

LG muss nun neu abwägen

Das BVerfG hat beide Urteile aufgehoben und die Sache an die Würzburger Richter zurückverwiesen, die nun zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des kritisierten Rechtsanwalts abwägen müssen.

Das Ergebnis dieser Abwägung hänge von den Umständen des Einzelfalls ab. So müsse das LG berücksichtigen, dass der kritisierte Anwalt weder in seiner Intim- noch in seiner Privatsphäre, sondern allenfalls in seiner Sozialsphäre betroffen sei.

Dagegen sei die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers in ihrem Kern betroffen. Die Verurteilung zur Unterlassung eines Werturteils müsse im Interesse des Schutzes der Meinungsfreiheit auf das zum Rechtsgüterschutz unbedingt Erforderliche beschränkt werden. Der Unterlassungskläger habe seine Beiträge öffentlich zur Diskussion gestellt; dann müsse zur öffentlichen Meinungsbildung auch eine inhaltliche Diskussion möglich sein.

tko/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BVerfG zur Meinungsfreiheit: Rechtsanwalt darf Kollegen "rechtsradikal" nennen . In: Legal Tribune Online, 13.11.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7531/ (abgerufen am: 22.04.2024 )

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