Pressefreiheit vs. Strafrecht: Nordkurier-Streit: rechtschaffen oder rechthaberisch?

03.06.2015

Der Streit zwischen dem Nordkurier und der StA Neubrandenburg hat die nächste Eskalationsstufe erreicht. Nun wird gegen den Chefredakteur ermittelt. Angefangen hatte alles mit einem kritischen Artikel über einen Jäger.

Eine Jäger, der ein totes Reh recht rabiat abtransportiert, ein Journalist, der dafür harsche Worte findet, ein Chefredakteur, der nach der Verurteilung seines Kollegen nochmals eins oben drauf setzt und ein Staatsanwalt, der Fünfe nicht gerade sein lässt – fertig ist die neubrandenburgische Justizposse.

Alles begann mit einem Artikel im Nordkurier. Darin wurde über einen Jäger berichtet, der ein verendetes Reh kurzerhand mit einem Seil an die Anhängerkupplung seines Wagens band und das so fixierte Tier dann über eine Bundesstraße wegschleifte. In dem bebilderten und kritischen Artikel bezeichnete der Autor den Waidmann als "Rabauken-Jäger", nannte den Betroffenen jedoch nicht namentlich.

Dennoch wurde der Journalist vom Amtsgericht (AG) Pasewalk (Kreis Vorpommern-Greifswald) Mitte Mai wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 1.000 Euro verurteilt. Gegen die Berichterstattung in der Zeitung hatte der Jäger Anzeige erstattet und vom Gericht Recht bekommen. Das Urteil wurde bereits zu jenem Zeitpunkt öffentlich rezipiert und oft kritisch beurteilt.

Chefredakteur teilt aus

Dies nahm der Nordkurier wiederum zum Anlass, um unter der Überschrift "Nordkurier-Redakteur vor Gericht - Zum Abschuss freigegeben" über die "Abrechnung mit den Medien" seitens des "Wildschleifers" zu berichten.

Unter dem online veröffentlichten Artikel meldete sich auch Lutz Schumacher, der Chefredakteur des Nordkuriers, zu Wort. In einem Kommentar verwahrte er sich gegen die Einflussnahme der Justiz auf die Berichterstattung seiner Zeitung und forderte die Achtung der grundgesetzlich verbrieften Pressefreiheit ein.

Richterin und Staatsanwalt warf er vor, über die freie Presse hergefallen zu sein. Sie hätten aus der deutschen Geschichte mit zwei Diktaturen und einer "entsprechend fürchterliche(n) Justizgeschichte" nichts gelernt, schrieb Schumacher. Dem Staatsanwalt warf er vor, sich mit "Schaum vorm Mund" über die Presse ereifert zu haben.

Staatsanwalt zeigt an

Nachdem schon die Verwendung des Wortes "Rabauke" ein Verfahren nach sich zog, kann es kaum verwundern, dass auf Schumachers Kommentar hin ein zweites seinen Anfang nahm. Durch den Kommentar des Chefredakteurs sah sich nun wiederum der Staatsanwalt persönlich herabgesetzt. Er habe wegen der auf ihn bezogenen Äußerungen Strafantrag wegen Beleidigung gestellt, teilte Oberstaatsanwalt Gerd Zeisler vergangenen Freitag mit.

Zur bereits erfolgten Verurteilung des Journalisten wegen Beleidigung des Jägers betonte Oberstaatsanwalt Zeisler, der Tatvorwurf der Beleidigung habe sich nicht allein auf die Bezeichnung "Rabauken-Jäger" gestützt, sondern auf den gesamten Artikel. Bei der juristischen Bewertung sei abzuwägen gewesen, "ob die durch das Grundgesetz garantierte Meinungs- und Pressefreiheit die ebenfalls durch das Grundgesetz geschützte persönliche Ehre des Anzeigeerstatters" überwiegt.

Für die Staatsanwaltschaft habe das Persönlichkeitsrecht überwogen, weil "umfangreiche Details zur Person des Jägers" im Bericht dessen Identifizierung ermöglicht hätten. Zeisler verwies zudem auf eine Missbilligung, die der Presserat im Dezember 2014 aus ähnlichen Gründen - allerdings mit knapper Mehrheit - gegen die Berichterstattung ausgesprochen hatte.

Der in Neubrandenburg erscheinende Nordkurier hat unterdessen Berufung gegen die Geldstrafe für den Reporter eingelegt. Der Prozess geht somit aller Voraussicht nach in die nächste Instanz und würde dann vor dem Landgericht (LG) Neubrandenburg verhandelt werden.

mbr/LTO-Redaktion

Mit Material von dpa.

Zitiervorschlag

Pressefreiheit vs. Strafrecht: Nordkurier-Streit: rechtschaffen oder rechthaberisch? . In: Legal Tribune Online, 03.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15720/ (abgerufen am: 27.03.2024 )

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