Kein Platz in der Abschiebehaftanstalt: Polizei muss Albaner laufen lassen

04.05.2017

Weil bundesweit kein Abschiebehaftplatz mehr frei war, kam ein zunächst abgetauchter Albaner nach einer Schlägerei in Kiel wieder auf freien Fuß. Die Polizei ist frustriert, die Opposition vor der Landtagswahl am Sonntag empört.

Kurz vor der Landtagswahl am Sonntag ist ein Streit über die Abschiebepraxis der Landesregierung Schleswig-Holsteins entbrannt. Auslöser war die Freilassung eines 25-jährigen Albaners, nachdem für ihn bundesweit kein Platz in einer Abschiebehaftanstalt gefunden werden konnte, obwohl ein Haftbefehl zur Abschiebung gegen ihn vorlag. Sein Aufenthaltsort war der Polizei zunächst unbekannt gewesen, bis die Beamten schließlich wegen eines anderen Delikts wieder auf ihn aufmerksam geworden waren.

Konkret ging es um die Festnahme des Mannes nach einer Schlägerei vor einer Kneipe in Kiel am 7. April dieses Jahres, der Haftbefehl zur Abschiebung war bereits zuvor ergangen. Die Kieler Nachrichten machten den Fall am Donnerstag publik. Innerhalb der Polizei und Ausländerbehörden wachse Unmut über die Abschiebepolitik des Landes, hieß es in dem Bericht. In internen E-Mails an das Innenministerium spreche ein Kieler Behördenleiter von einer "Haftplatzmisere". Es sei "schwer zu ertragen, dass die Betroffenen in die Illegalität entlassen" werden müssten.

EuGH: Abschiebehäftlinge dürfen nicht in gewöhnliche JVA

Nach einem EuGH-Urteil dürfen Abschiebehäftlinge nicht zusammen mit gewöhnlichen Strafgefangenen untergebracht werden. Zwar müsse nicht jedes Bundesland eine Sondereinrichtung für die separate Haft haben. Im Zweifel müssten Betroffene dann aber in anderen Ländern untergebracht werden.

Weil Schleswig-Holstein aber über keine eigene Einrichtung verfügt und nach Angaben des Innenministeriums zu dem betreffenden Zeitpunkt bundesweit kein alternativer Haftplatz zur Verfügung stand, musste der Albaner nach seiner Festnahme freigelassen werden anstatt entsprechend des Haftbefehls in Abschiebehaft genommen zu werden.

Innenminister Stefan Studt will deshalb nun eine norddeutsche Abschiebehaftanstalt realisieren. "Da auch Länder wie Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Hamburg und Bremen von den Unterbringungsproblemen betroffen sind, schlage ich vor, im norddeutschen Länderverbund zeitnah eine neue Lösung für eine gemeinsam zu nutzende Abschiebehafteinrichtung zu erarbeiten", sagte er der dpa. Es liefen bereits entsprechende Gespräche. "Ein Alleingang Schleswig-Holsteins in dieser komplexen Frage ist nicht sachgerecht und daher ausgeschlossen."

Landeseigenes Abschiebegefängnis geschlossen, bundesweit keine Kapazitäten

Das eigene Abschiebegefängnis des Landes in Rendsburg hatte die Landesregierung aus SPD, Grünen und SSW im November 2014 geschlossen. Ersatzweise hat die Regierung eine Vereinbarung mit Brandenburg getroffen, Abschiebe-Häftlinge aus dem Norden in Eisenhüttenstadt unterzubringen. Insgesamt standen dort 15 Plätze für Schleswig-Holstein zur Verfügung. Die Einrichtung in Eisenhüttenstadt war am 20. März dieses Jahres unerwartet aufgrund von Baumängeln geschlossen worden.

In anderen Fällen war es den Behörden in den vergangenen Wochen dagegen mehrfach gelungen, Häftlinge anderswo unterzubringen. Das am Hamburger Flughafen eingerichtete Abschiebegewahrsam darf nach Ministeriumsangaben nicht für solche Fälle genutzt werden.

Der CDU-Innenpolitiker und ehemalige Innenminister Klaus Schlie warf Studt "Organisationsversagen" vor. Die Verantwortung für Ausländerbehörden und Polizei liege bei ihm. "Einmal mehr kommt der Innenminister den gesetzlichen Pflichten des Ausländerrechts nicht nach." Schlie hat zudem Zweifel, ob es sich tatsächlich um einen Einzelfall handelt. Die Abschiebung krimineller Asylbewerber müsse oberste Priorität haben. "Dazu benötigt Schleswig-Holstein wieder eine Abschiebehaftanstalt."

FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki nannte es "gefährlich naiv, auf eine Abschiebehaftanstalt zu verzichten, wenn wir Plätze in anderen Länder nicht sicher nutzen können". Die Rendsburger Einrichtung müsse wieder in Betrieb genommen und das Abschiebeverfahren beim Land zentralisiert werden. "Der Verzicht auf eine Abschiebehafteinrichtung hat nichts mit Humanität zu tun, sondern belohnt nur diejenigen, die unsere Rechtsordnung missachten", sagte Kubicki. "Wer Abschiebehaft grundsätzlich ablehnt, unterstützt damit das Geschäftsmodell der kriminellen Schlepperbanden."

dpa/mgö/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Kein Platz in der Abschiebehaftanstalt: Polizei muss Albaner laufen lassen . In: Legal Tribune Online, 04.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22826/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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