Angebliches Bußgeld fürs Handy-Aufladen: Warum denn so unge­müt­lich?

von Dipl.-Jur. Simon Gauseweg, LL. B.

02.12.2017

Seine Gäste zuhause mit Strom fürs Handy zu versorgen, soll demnächst angeblich bis zu 50.000 Euro kosten. Das befürchtet ein Eigentümerverband – und blamiert sich angesichts einer falsch ausgelegten Verordnung, erläutert Simon Gauseweg.

Weil er "liefern" mit "zur Verfügung stellen" verwechselt, befürchtet der Präsident des Eigentümerverbandes Haus & Grund, Kai Warnecke, Bußgelder in Höhe von bis zu 50.000 € für gute Gastgeber, die ihren Gästen gestatten, ihre Steckdosen zu benutzen. Deswegen fordert er eine Klarstellung vom Ministerium. Eine ordentliche Auslegung des Begriffs hätte ihm diese Peinlichkeit erspart.

In dem kuriosen Vorfall geht es um die "Marktstammdatenregisterverordnung" (kurz: MaStRV), aufgrund derer nach Meinung des Eigentümerverbandes ab dem kommenden Jahr vielen Haushalten Ungemach droht: Die Verordnung verpflichtet unter anderem Stromlieferanten dazu, sich bei der Bundesnetzagentur zu registrieren – und droht bei Unterlassen ein Bußgeld an. Dieses kann gem. § 21 Nr. 1 MaStRV i.V.m. § 95 Abs. 1 Nr. 5 d), Abs. 2 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) bis zu 50.000 € betragen.

Stromlieferant ist gem. § 2 Nr. 12 MaStRV "jede natürliche oder juristische Person, die Strom an andere liefert". Diese Definition ist nach Meinung des Haus-&-Grund-Präsidenten viel zu schwammig – und umfasst angeblich auch den Gastgeber, der seinen Gast bei sich zu Hause das Handy aufladen oder einen mitgebrachten Föhn benutzen lässt. Diesem drohe dafür ab Inkrafttreten der Verordnung am 1. Januar 2018 das Bußgeld bis zum genannten Maximum.

Was wie ein schlechter Scherz klingt, hat durchaus das Potenzial, den einen oder anderen Hauseigentümer zu verunsichern. Und so ist nichts unnütz, was nicht noch als Beispiel dienen könnte – in diesem Falle für eine ordentliche, juristische Interpretation von Begriffen.

Eine Frage der Auslegung

Die Rechtswissenschaft kennt vier Methoden, um Gesetze auszulegen: nach dem Wortlaut, dem systematischen Zusammenhang, der Geschichte und dem Sinn und Zweck einer Norm. Ist also fraglich, wie der Tatbestand "Strom an andere liefern" auszulegen ist, muss bei der Bedeutung des Wortes "liefern" begonnen werden.

Der Duden erklärt "liefern" an erster Stelle mit "bestellte oder gekaufte Waren dem Empfänger […] bringen, zustellen, aushändigen" und bietet als Synonyme unter anderem "bringen", "schicken", "senden" oder "zukommen lassen" an. Nach der bloßen Erlaubnis des Gastgebers an seinen Gast, eine Steckdose im Wohnzimmer nutzen zu dürfen, klingt das nicht. Stattdessen beinhaltet die Bedeutung wohl einen Transport über eine Strecke, die in Länge und Aufwand ein kurzes USB-Kabel überschreiten dürfte.

Wenn der Stromverbrauch also im eigenen Netzsegment verbleibt, kann man ungeachtet der Person des konkreten Verbrauchers davon ausgehen, dass nicht "an einen anderen geliefert", sondern schlicht "im eigenen Bereich verbraucht" wird. Auch Warnecke scheint diese Auslegung zumindest im Kern verinnerlicht zu haben, denn immerhin verlangt er Haushaltsfremdheit für die Person des "Belieferten". Dass der Hauseigentümer sich der Gefahr eines Bußgelds aussetzt, indem er der im Haushalt wohnenden Tochter den Strom für eine Akkuladung des Mobiltelefons zur Verfügung stellt, will auch er also nicht behaupten.

Doch was ist mit dem Gartengerät, das zuweilen mit Strom vom Nachbarn betrieben werden muss – etwa, weil das  Kabel bei der Arbeit im Grünen nicht ausreicht oder die nächste "eigene" Steckdose zu weit entfernt ist? Und was mit dem Transport von Batterien und Akkus, die immerhin Energie gespeichert haben und die zuweilen den Besitzer wechseln?

Immerhin: Präsident Warnecke ist zuzugeben, dass der Duden auch das bloße "Geben" als mögliche Wortbedeutung von "liefern" angibt. Nur vom Wortlaut ausgehend lässt sich seine Auslegung zumindest nicht vollständig von der Hand weisen. Es bedarf also weiterer Auslegung.

Zitiervorschlag

Dipl.-Jur. Simon Gauseweg, LL. B., Angebliches Bußgeld fürs Handy-Aufladen: Warum denn so ungemütlich? . In: Legal Tribune Online, 02.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25813/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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