Rechtsmarkt Türkei: Das sch­male Tor zum Nahen Osten

von Henning Zander

09.09.2015

Die Türkei ist nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Wirtschaftskanzleien ein attraktiver Markt. Allerdings ist es nicht leicht, dort Fuß zu fassen. Henning Zander über drei Kanzleien, denen es gelungen ist.

Die Türkei ist für viele Deutsche, die dort arbeiten, zuerst eines: Eine Überraschung. "Wer in die Türkei geht, wird feststellen, dass viele seiner Vorstellungen, von der Art wie gelebt und gearbeitet wird, nicht stimmen, und er sie neu formulieren muss", sagt Dr. Frauke Bemberg, Rechtsanwältin und Mitglied des Turkish Desk bei CMS. Zum Beispiel die große Bedeutung von Frauen im dortigen Rechts- und Wirtschaftsleben, die sich so gar nicht mit dem Klischee einer muslimisch geprägten, patriarchalen Gesellschaft verträgt. "Als ich nach Istanbul ging, war ich überrascht, wie viele Frauen in Führungspositionen arbeiten."

Die türkische Gesellschaft ist jung und gut ausgebildet. Zwar hat sich die wirtschaftliche Situation zuletzt eingetrübt: Die Lira hat an Wert verloren und das Wirtschaftswachstum ist gedämpft. Zudem sind Konflikte mit der kurdischen Bevölkerung wieder aufgebrochen – und auf der anderen Seite der Grenze herrscht Krieg. Der Bürgerkrieg in Syrien, und der Krieg gegen die Truppen des IS. Dennoch: Die Türkei hat enormes Potenzial: Als Brückenkopf in die arabische Welt und als Wirtschaftsstandort leistungsfähiger Industrien.

Frauke Bemberg hat die Boomjahre zwischen 2005 und 2010, damals noch als Mitarbeiterin einer anderen Kanzlei, in Istanbul verbracht und dort gearbeitet. Inzwischen ist sie von München aus im Türkei-Geschäft von CMS aktiv. "Wir sehen, dass trotz der politischen Unwägbarkeiten nach wie vor noch viele Unternehmen aus Deutschland den Markteintritt in die Türkei suchen", sagt Dr. Dirk Jannott, Partner bei CMS und verantwortlich für den Turkish Desk der Kanzlei in Deutschland.

Seit 2013 hat CMS ein eigenes Büro in Istanbul. Von hier aus berät sie zu internationalen Rechtsfragen. Insbesondere in den Branchen Energie, Gesundheitswesen und Automobilindustrie herrsche eine große Dynamik, sagt Jannott. Eine Privatisierungswelle vor rund drei Jahren hat ebenfalls Bewegung in den Markt gebracht.

Riesige Infrastrukturprojekte sorgen für Beratungsbedarf

Die türkische Regierung setzt weiterhin auf wirtschaftliches Wachstum. Viele Projekte fokussieren sich auf den Jahrestag des 100jährigen Bestehens der Republik im Jahr 2023. Eine dritte Bosporusbrücke, die noch in diesem Jahr fertiggestellt werden soll, der neue Flughafen Istanbul, der einmal der größte Flughafen der Welt werden und jährlich 150 Millionen Passagiere abfertigen soll. Und das gigantische Projekt eines Kanals parallel zum Bosporus.

Es sind Vorhaben, mit denen Präsident Recep Tayyip Erdoğan den Aufstieg unter die Top 10 der Wirtschaftsnationen schaffen will. Und die gegen die derzeitige Eintrübung der Konjunktur wirken sollen.

"Der Markt hat sich lange Zeit sehr gut entwickelt. Jetzt haben wir es gerade mit einer gewissen Delle zu tun", sagt Dr. Timo Engelhardt von Linklaters, Partner und Co-Head des Turkey Desk. "Für eine Wirtschaftskanzlei wie unsere ist der Markt noch sehr volatil." Linklaters legt beim Türkei-Geschäft den Schwerpunkt auf Cross-Border-M&A und Finanzierungen. Im Vergleich zu Deutschland sei der Markt nach wie vor unverhältnismäßig viel kleiner, sagt Engelhardt.

Damit habe sich von Anfang an die strategische Frage gestellt: Ist ein eigenes Büro und eine eigene Mannschaft vor Ort sinnvoll, oder geht es viel eher um ein Projektgeschäft, bei dem von Fall zu Fall die Unterstützung von lokalen Partnerkanzleien eingeholt wird, bei deren Auswahl man individuelle Stärken berücksichtigen kann. Linklaters hat sich für den zweiten Weg entschieden.

Zitiervorschlag

Henning Zander, Rechtsmarkt Türkei: Das schmale Tor zum Nahen Osten . In: Legal Tribune Online, 09.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16823/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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