Kanzleien in Myanmar: Stra­te­gisch güns­tige Bau­s­telle

von Désirée Balthasar

20.08.2015

Eine ehemalige Militärdiktatur mit unfertigem Rechtssystem? So stellen sich wohl die wenigsten Anwälte ihre Arbeitsumgebung vor. Doch immer mehr Kanzleien zieht es in das südostasiatische Land Myanmar. Warum nur?

Luther startete 2013, im Jahr darauf folgten Allen & Overy, Baker & McKenzie und Rödl & Partner. Deutsche und internationale Kanzleien entdecken Myanmar zunehmend als strategisch günstigen Ort im ASEAN-Verbund (‘Association of South East Asian Nations‘). Die wirtschaftliche Öffnung wird von der Regierung vorangetrieben, weshalb die Verwaltung vergleichsweise zügig funktioniert: "Die formale Gründung einer Gesellschaft mit Spezialbereich wie der Rechts- und Steuerberatung dauert in anderen Ländern, wie etwa in China, schon mal ein ganzes Jahr. In Myanmar bekam man bis zum letzten Jahr  bereits nach wenigen Tagen eine temporäre Lizenz", sagt Rödl-Partner Jürgen Baur, Standortleiter in Myanmar. Das System unterliegt allerdings Schwankungen. "Mittlerweile gibt es aber auch hier Beschränkungen und es wurden bereits einige Anträge abgelehnt". Baur begann die Vorbereitungen für den neuen Rödl-Standort im August 2014, bereits drei Monate später feierte er die Eröffnung  des neuen Büros.

Woran es allerdings fehlt, sind Arbeitsräume für die Unternehmen, die neu ins Land kommen. Die meisten von ihnen lassen sich im Wirtschaftszentrum Yangon nieder. Mit sichtbaren Folgen: "Die Stadt gleicht einer großen Baustelle", erzählt Baur. "Büroräume sind derzeit noch ein rares Gut. Die lokalen Firmen sitzen häufig in umgebauten Appartements und Häusern, denn es gibt momentan erst zwei Bürotürme, die den Namen verdienen. Doch vieles ist bereits im Bau, weil der Ansturm besonders von internationalen Firmen sehr stark ist."

Lohnkosten geringer als in China oder Thailand

"Die Regierung ist europäischen Unternehmen sehr offen gegenüber eingestellt ", erklärt der Asien-Experte, der seit mehr als zwölf Jahren in verschiedenen asiatischen Ländern lebt und arbeitet. "Noch dominieren japanische, chinesische und koreanische Investoren, aber man möchte in dem Land zusätzlich das westliche Geschäftsklima etablieren." Überhaupt spüre man allerorten eine große Aufbruchsstimmung, die Regierung sei bemüht, ausländische Investoren ins Land zu holen. "Myanmar liegt geografisch günstig inmitten des ASEAN-Verbundes. Da die Lohnkosten hier geringer sind als in China oder Thailand, interessiert sich insbesondere die Herstellerindustrie für einen Markteintritt", sagt Baur.

Die multidisziplinäre Kanzlei Rödl & Partner mit Sitz in Nürnberg hat weltweit in über 40 Ländern Büros. In Myanmar eröffnete Rödl nach Investitionswünschen der Mandanten in diesem Land. "Momentan sind die Mandate eher noch projektbezogen, denn der Großteil unserer deutschen Mandanten ist noch gar nicht mit einer eigenen Niederlassung im Land aktiv." Typische Themen der Anwälte sind daher der Markteintritt, Steuersätze oder die benötigten Lizenzen zum Geschäftsstart. Für diejenigen, die noch nicht wissen, in welchem ASEAN-Land sie eigentlich investieren möchten, erstellen die Anwälte Ländervergleiche, etwa bezüglich der rechtlichen Rahmenbedingungen.

Bereits im Jahr zuvor eröffnete auch Luther ein Büro in Yangon. Die Voraussetzungen erschienen günstig: "Im November 2012 verabschiedete das Parlament ein liberaleres Investitionsgesetz und es arbeitet konstant weiter an der Modernisierung wichtiger Gesetze", sagt Alexander Bohusch, Standortleiter von Luther in Myanmar. "Die Bedingungen für Investoren – und damit auch für Rechtsberater – sind zunehmend besser geworden." Bohusch war in den vergangenen Jahren für die deutsche Kanzlei in Singapur tätig, eine hilfreiche Voraussetzung. "Verträge, die Myanmar betreffen, unterliegen oft singapurischem Recht und Gerichtsbarkeit" erklärt Bohusch. "Auch gehört Myanmar genauso wie Singapur zum ‘Common Law‘-Rechtskreis und viele neue Gesetze orientieren sich an Gesetzen in Singapur."

Einheimische Angestellte als Brücke zwischen den Kulturen

Die Mandantenstruktur des neuen Luther-Standorts besteht aus deutschen Unternehmen sowie internationalen und myanmarischen Großkonzernen. Außerdem mandatieren Botschaften und internationale Organisationen die deutsche Kanzlei. Die Inhalte sind ähnlich breit gefächert: "Ausländische Mandanten betreuen wir von der Strukturierung von Investitionen über die Gründung der myanmarischen Niederlassung bis hin zu rechtlichen Fragen des täglichen Geschäfts. Die Mandanten aus Myanmar haben vor allem beim Vertragsrecht sowie in der rechtlichen Compliance Beratungsbedarf", erzählt Bohusch.

Für Baker & McKenzie sind ebenfalls die Ambitionen ihrer Mandanten der Hauptgrund für die Standort-Eröffnung in der noch jungen Demokratie gewesen. Bruce Hambrett ist Asia Pacific Regional Chairman bei Baker und kennt die Erwartungen der Mandanten: "Zahlreiche unserer internationalen Mandanten investieren bereits in Myanmar oder sehen sich nach neuen Optionen um. Sie möchten ihre Anwälte an ihrer Seite wissen, wenn sie neue Märkte betreten." Vor allem Unternehmen und Akteure aus der Finanzbranche, IT und Telekommunikation und der Konsumgüterindustrie sind bereits im Land aktiv. Dementsprechend breit aufgestellt zeigt sich Baker in Myanmar. "Wir beraten unsere Mandanten im Energie- und Finanzsektor sowie Telekommunikation und Konsumgüter. Dabei spielen Fragen zu Auslandsinvestitionen, Transaktionen oder Banking, aber auch zum Marken-, Steuer- und Handelsrecht eine Rolle."

Vor Ort nutzen die Kanzleien lokales Know-How. Sie stellen zusätzlich zu deutschen Rechtsberatern myanmarische Anwälte ein, die die Besonderheiten in der Geschäftskultur kennen. Meist wurden die Anwälte in benachbarten Ländern – etwa Singapur oder Bangkok – ausgebildet. "Wir unterstützen unsere Mandanten mit lokal ausgebildeten Anwälten, die international orientiert arbeiten", sagt Hambrett. "In einer jungen Wirtschaft wie der Myanmars gibt es oft Probleme, die man in industriell fortgeschrittenen Ländern nicht mehr kennt. Zum Beispiel eine instabile Elektrizitätsversorgung oder langsames Internet. Auch die andere Geschäftskultur muss man berücksichtigen." Die einheimischen Angestellten stellen somit eine wichtige Brücke zwischen den Kulturen dar. Und können helfen, wenn deutsche Anwälte vor unbekannten Herausforderungen stehen.

Zitiervorschlag

Désirée Balthasar, Kanzleien in Myanmar: Strategisch günstige Baustelle . In: Legal Tribune Online, 20.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16663/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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