Webpräsenz von Wirtschaftskanzleien: Ein Ran­king mit Spreng­kraft

von Dr. Anja Hall

13.04.2016

Welche Kanzlei hat die höchste Präsenz im Web? Das hat eine PR-Agentur untersucht und Kritik aus der Branche geerntet. Die Methodik sei zu komplex, die Ergebnisse wenig aussagekräftig – und für den Erfolg im Markt auch nicht entscheidend.

Kaum etwas sorgt so zuverlässig für Gesprächsstoff unter Anwälten wie Kanzlei-Rankings. Doch eine dieser Ranglisten löste kürzlich besonders heftige Diskussionen aus. Die Hamburger PR-Agentur Faktenkontor untersuchte für die Wirtschaftswoche die Webpräsenz der 50 umsatzstärksten deutsche Wirtschaftskanzleien.

In den Kanzleien schüttelte man ungläubig den Kopf angesichts des unerwarteten Siegers: Flick Gocke Schaumburg ist laut der Studie die Kanzlei mit der höchsten Webpräsenz. Auf Platz zwei folgt Ebner Stolz Mönning Bachem, und auf Platz drei Heuking Kühn Lüer Wojtek. Graf von Westphalen und Baker Tilly Roelfs runden die Top 5 ab.

Die beiden umsatzstärksten deutschen Kanzleien Freshfields Bruckhaus Deringer und CMS Hasche Sigle rangieren dagegen unter ferner liefen. Allein CMS schafft es in die Top10 – auf Platz 9. Damit liegt CMS allerdings immerhin noch ein gutes Stück vor einer weiteren Top-Kanzlei, Hengeler Mueller. Sie ist gemessen am Umsatz zwar drittstärkste Sozietät, landet aber bei der Webpräsenz nur auf Platz 28. Wenig besser rangieren Clifford Chance (Umsatzranking: 4; Webranking: 16) und Linklaters (Umsatzranking: 5; Webranking: 21).

Kein Bonus für twitternde Kanzleien

Branchenkenner zeigten sich verblüfft darüber, dass das Ranking kaum mit der Social-Media-Präsenz der Kanzleien korreliert. Von den Top5 der Faktenkontor-Studie haben Heuking und Graf von Westphalen nämlich gar keinen eigenen Twitter-Account. FGS ist dem Kurznachrichtendienst im Mai 2015 beigetreten und hat seitdem 62 Tweets abgesetzt, 86 Follower hinter sich vereinigt und es zu 13 "Likes" gebracht.

Ebner Stolz, im Gesamtranking auf Platz 2, hat seit Juni 2012 insgesamt drei Tweets abgesetzt, hat 36 Follower und 30 Likes, und Baker Tilly Roelfs hat überhaupt erst seit November 2015, also zum Ende des Untersuchungszeitraums, einen eigenen Twitter-Account. Im Vergleich dazu: CMS hat seit September 2011 2.055 Tweets abgesetzt, Freshfields (deutscher Account) seit Ende 2011 immerhin 431 (alle Abfragen vom 13.04.2016). CMS betreibt zudem seit 2010 einen eigenen Blog, der bereits mehrfach ausgezeichnet wurde.

Anwalt soll als Experte wahrgenommen werden

Dass gerade die fleißigen Twitterer und Blogger unter den Law Firms nicht mit einer guten Position im Ranking der Web-Präsenz belohnt werden, hat laut Jörg Forthmann, Geschäftsführer bei Faktenkontor und dort zuständig für die Studie, methodische Gründe.

Kanzlei-Websites oder Blogs, die auf der URL der Kanzleiwebsite laufen, habe man bei der Erhebung nicht gewertet. Entscheidend für die Wertung war zudem nicht nur die Präsenz bei Twitter oder Facebook, sondern auch die Sichtbarkeit in Foren, Blogs und Online-Medien. "Ein Anwalt oder eine Kanzlei, die sich – etwa durch Gastbeiträge – vielfältig als Experte für ein bestimmtes Rechtsgebiet platzieren kann, wird besser vom Mandanten gefunden, wenn er im Internet sucht", erklärt Forthmann.

Ein Webmonitoring-Tool sucht nach Kanzleinamen

Konkret wurden mit Hilfe eines Webmonitoring-Tools zwischen Juli und November 2015 über eine Million Social-Media-Quellen und zehntausende Online-Nachrichten analysiert und nach den Kriterien "Aufmerksamkeit" (Zahl der Nennungen), "Ansehen" (Nennung in positivem Zusammenhang), "Akzeptanz" (errechnet aus dem Anteil der positiv-tonalen Nennungen und dem Verhältnis von positiven zu negativen Nennungen) und "Präferenz" (Erzielen einer starken, positiv emotionalen Bindung) bewertet.

Die Studie beschränkt sich auf die 50 umsatzstärksten Wirtschaftskanzleien in Deutschland; maßgeblich war dabei das Umsatzranking 2014/2015 des Branchenverlags Juve. Laut Forthmann wurde über das Analyse-Tool nach den 50 Kanzleinamen gesucht, die Ergebnisse seien später händisch auf Plausibilität geprüft worden.

Die Durchschnittskanzlei erreicht 32,7 Punkte – von 400 möglichen

Die Daten münden in vier Teilrankings, die den Suchkriterien Aufmerksamkeit, Ansehen, Akzeptanz und Präferenz entsprechen, und ein Gesamtranking. "Jeder Rankingposition in den Teilrankings sind Werte von 0 bis 100 zugeordnet", erklärt Forthmann. "Diese haben wir addiert, und daraus ergibt sich die Position einer Kanzlei im Gesamtranking."

Theoretisch kann eine Kanzlei also 400 Punkte erreichen, doch davon sind die deutschen Wirtschaftskanzleien noch ein gutes Stück entfernt: Gesamtsieger Flick Gocke Schaumburg schafft es mit 102,3 Punkten auf den mit Abstand höchsten Wert. Die Zweitplazierte Ebner Stolz Mönning Bachem erreicht 86 Punkte, Heuking Kühn Lüer Wojtek auf Platz 3 84 Punkte. Graf von Westphalen (76,8) und Baker Tilly Roelfs (76,2) runden die Top 5 ab. Im Durchschnitt kommen die untersuchten Kanzleien auf bloß 32,7 Punkte – da ist noch erheblich Luft nach oben.

Zitiervorschlag

Anja Hall, Webpräsenz von Wirtschaftskanzleien: Ein Ranking mit Sprengkraft . In: Legal Tribune Online, 13.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19063/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen