Drei Jahre ist das Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen alt. Zeit also, um ein erstes Fazit zu ziehen: Welche Kanzleien und Berater profitieren, wo sind die Verlierer? Zwei Rankings wollen Klarheit schaffen – und verwirren doch nur mit unterschiedlichen Ergebnissen. Eines ist aber sicher: Unter Druck geraten vor allem die kleinen Kanzleien.
hww oder White & Case und Buchalik Brömmekamp? Wer ist denn nun die führende ESUG-Kanzlei? Geht es nach dem Ranking, das die Wirtschaftswoche Online vor wenigen Tagen veröffentlicht hat, ist es hww. Eine andere Rangliste, die kürzlich im Finance-Magazin publiziert wurde, sieht Buchalik Brömmekamp und White & Case vorne. Buchalik Brömmekamp hat die Auswertung zwar selbst erstellt, dazu aber neben eigenen Informationen auch Daten der Beratung Perspektiv GmbH und des Insolvenzportals zusammengetragen.
Das Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) ist am 1. März 2012 eingeführt worden, und schon damals war klar, dass die Reform des Insolvenzrechts die Branche der Restrukturierungsberater und Insolvenzverwalter heftig durcheinanderwirbeln wird. Zwar ist der Anteil von ESUG-Verfahren im Vergleich zur Menge an regulären Insolvenzverfahren gering.
Nach Zahlen der Boston Consulting Group haben in den ersten zwei Jahren nach der Einführung nur 2,4 Prozent aller beantragenden Unternehmen die Eigenverwaltung gewählt, meist sind es kleinere und mittlere Unternehmen mit durchschnittlich elf Millionen Euro Umsatz und 80 Mitarbeitern. Großunternehmen mit mehr als 300 Millionen Euro Umsatz werden dagegen überwiegend außergerichtlich saniert oder im Regelverfahren abgewickelt, hier haben sich die Eigenverwaltungsverfahren als zu komplex erwiesen.
Kanzleien stellen sich auf Marktveränderung ein
Doch zahlreiche Fusionen unter den Kanzleien zeigen, dass der Beratermarkt sich auf die neuen Bedingungen einstellt und sich entsprechend positioniert. So haben sich zum Jahresbeginn der Sanierungs- und Insolvenzdienstleister hww Wienberg Wilhelm und die Wirtschafts- und Insolvenzverwalterkanzlei Hermann zu hww hermann wienberg wilhelm zusammengeschlossen.
In der neu entstandenen Einheit werden rund 400 Mitarbeiter, davon mehr als 120 Berufsträger, in 24 deutschen Städten und Wirtschaftszentren tätig sein. Man reagiere damit auf die neuesten Entwicklungen im Markt, hatte Ottmar Hermann, Namenspartner von hww Hermann Wienberg Wilhelm, damals gesagt. Mit der neuen Struktur wolle man sich den geänderten Anforderungen und den Bedarf der Unternehmen und Auftraggeber anpassen.
hww und Brinkmann im WiWo-Ranking vorne
Das scheint der richtige Schritt gewesen zu sein, denn hww dominiert zumindest nach der Auswertung von Wirtschaftswoche Online das ESUG-Geschäft. Die beiden Vorgängerkanzleien hww und Hermann wurden seit Einführung des ESUG mit insgesamt 53 Sachwaltungen betraut, damit führt die neu formierte Einheit das Ranking deutlich an. Auf Platz 2 folgt Brinkmann & Partner mit 37 Sachwaltungen. Auf dem dritten Rang liegt Schneider Geiwitz & Partner, die 33 Mal als Sachwalter eingesetzt wurde.
Der Sachwalter mit den meisten Verfahren ist Dr. Jan Markus Plathner von Brinkmann & Partner (18 Sachwaltungen), gefolgt von Steffen Koch (hww) mit 16 und Ottmar Hermann (hww) mit 15 Sachwaltungen.
Grundlage des WiWo-Rankings ist eine Analyse der Online-Plattform Insolvenz-Portal. Der Betreiber der Plattform, der Karlsruher Informationsdienstleister STP Portal, wertet für Wirtschaftswoche Online regelmäßig die Angaben deutscher Amtsgerichte zu Unternehmensinsolvenzen aus. Nun wurden zusätzlich alle Schutzschirm- und Eigenverwaltungsverfahren seit Einführung der Reform nach den bestellten Sachwaltern sowie den zugehörigen Kanzleien gefiltert.
Das zweite Ranking, das vor wenigen Tagen öffentlich wurde, hat allerdings nicht die Kanzleien und Berater im Blick, die als Sachwalter eingesetzt werden. Neben dem Sachwalter, der in der Eigenverwaltung den Insolvenzverwalter ersetzt, sind häufig auch Berater mit an Bord, welche die Restrukturierung des Unternehmens begleiten. Diese stehen nun im Fokus der Auswertung von Buchalik Brömmekamp, die LTO vorliegt.
2/2: Beratung an 85 der 100 größten Eigenverwaltungsverfahren beteiligt
Die Kanzlei hat - auf Grundlage eigener Informationen sowie von Daten der Beratung Perspektiv GmbH und des Insolvenzportals - die 100 größten Eigenverwaltungsverfahren für das Jahr 2014 zusammengetragen. Ausschlaggebend für das Ranking waren die Umsatzzahlen der Unternehmen aus den Jahren 2012/2013. Zudem wurden nur Verfahren berücksichtigt, bei denen ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung im Laufe des Jahres 2014 beantragt wurde und die nicht später in das Regelinsolvenzverfahren übergegangen sind.
In 85 der 100 größten Verfahren war demnach eine Beratung beteiligt, für weitere 15 Verfahren liegen keine Informationen zu einem Beratermandat vor. Die nach Unternehmensumsatz größte Insolvenz war demnach die der Hansa Group mit 399 Millionen Umsatz. Sachwalterkanzlei war Piepenburg Gerling, das Beratungsmandat ging an dnp Depping. Auf dem zweiten Rang liegt die Rena-Gruppe (173 Mio. Umsatz), bei der Brinkmann & Partner den Sachwalter stellte und Wellensiek als Berater an Bord war. Auf dem dritten Platz rangiert die Insolvenz der Strauss Unternehmensgruppe, bei der Dr. Andreas Ringstmeier als Sachwalter eingesetzt wurde und die Döhmen Consulting als Berater beteiligt war.
In 18 der 85 Verfahren war Buchalik Brömmekamp als Beraterkanzlei mandatiert, mit fünf Verfahren folgt Schultze & Braun auf Platz 2. Drei Verfahren entfielen jeweils auf die Kanzleien bzw. Unternehmensberatungen Wellensiek, Görg, hww, M/S/L Dr. Silcher sowie Kulitzscher & Ettelt. Auf der Seite der Sachwalterkanzleien liegt White & Case mit neun Verfahren vorne, gefolgt von Görg und Schultze & Braun mit sieben beziehungsweise sechs der größten Verfahren.
Führende ESUG-Kanzlei? Es kommt darauf an
Wer nun also die führende ESUG-Kanzlei ist, ist auf den ersten Blick nicht zu entscheiden. "Es kommt darauf an", könnte man in guter Juristen-Tradition sagen. Auffallend ist immerhin, dass das ESUG viel Bewegung im Kanzleimarkt ausgelöst hat. Nach der Fusion von hww und Hermann am Jahresanfang folgte zum März die nächste: Die Anwälte von Schneider Geiwitz & Partner haben sich mit PF&P Rechtsanwälte zur SGP Rechtsanwaltsgesellschaft zusammengeschlossen. Es entsteht eine Kanzlei mit 32 Rechtsanwälten an sieben Standorten. Ein weiterer Paukenschlag war der Wechsel eines 25-köpfiges Wellensiek-Teams zu BBL Bernsau Brockdorff & Partner in Düsseldorf.
Doch auch Wirtschaftskanzleien, die bislang selten Insolvenz-Know-how vorweisen konnten, wollen jetzt im Restrukturierungsgeschäft Fuß fassen. So hat SZA Schilling Zutt & Anschütz Anfang 20015 für ihr Mannheimer Büro einen Anwalt von Wellensiek gewonnen, der eine Insolvenzpraxis aufbauen soll. Schon 2014 holte Olswang in Berlin den Insolvenzverwalter Christian Köhler-Ma, um künftig auch Beratungsleistungen im Insolvenz- und Restrukturierungsbereich anbieten zu können.
Auf regionaler Ebene indes schlüpfen viele kleinere Insolvenzkanzleien unter das Dach großer Einheiten, Beispiele sind Elsässer Rechtsanwälte in Stuttgart, die Ende 20014 bei Schultze & Braun andockten, oder Menold Bezler, die im vergangenen Herbst den Insolvenzverwalter Jochen Sedlitz in ihre Reihen holte.
Denn für die kleinen Einheiten ändert sich durch das ESUG am meisten. Ihre guten Kontakte zu den Insolvenzgerichten zahlen sich nicht mehr aus, denn im Eigenverwaltungsverfahren bestimmt im Wesentlichen der Gläubigerausschuss darüber, wer als Sachwalter eingesetzt wird. Und die Gläubiger sind meist nationale oder international tätige Unternehmen und Banken, die im Zweifelsfall lieber auf eine große, bundesweit aktive Beratereinheit vertrauen anstatt sich im lokalen Markt auf die Suche zu begeben.
Anja Hall, Drei Jahre ESUG: Viele Gewinner, ebenso viele Verlierer . In: Legal Tribune Online, 24.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15042/ (abgerufen am: 27.03.2024 )
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