Deregulierungen im Kapitalmarktrecht: Platt­formen als Finan­zie­rungs­ver­mittler

Gastbeitrag von Dr. Maximilian Dengenhart

16.07.2019

Der Gesetzgeber dereguliert den Grauen Kapitalmarkt und fördert damit digitale Finanzierungen. Unternehmen können sich nun ohne aufwendige Prospekte auf digitalem Weg effizienter finanzieren, erklärt Maximilian Degenhart.

Positive Nachrichten aus dem stark regulierten Kapitalmarktrecht: Zum 21. Juli 2019 treten Deregulierungen in Kraft, die im Wesentlichen drei weitreichende Änderungen bringen: Erstens können Unternehmen im Wege des Crowdfundings nun Wertpapiere im Wert von bis zu sechs Millionen Euro ohne Prospekt in den Verkehr bringen (bisher 2,5 Millionen Euro). Zweitens können Emittenten neben Nachrangdarlehen zukünftig auch Genussrechte prospektfrei herausgeben. Drittens können Anleger pro Emission nun bis zu 25.000 Euro (aktuell 10.000 Euro) investieren.

Diese Entwicklungen dienen freilich keinem Selbstzweck: Der europäische und der nationale Gesetzgeber sowie der Quasi-Gesetzgeber im Mantel der Finanzmarktaufsicht, verfolgen bei ihren vielfältigen Maßnahmen das hehre Ziel des Anlegerschutzes. Berechtigte Interessen kapitalsuchender Unternehmen sowie des Vertriebs von Vermögensanlagen sind in diesem Zuge in den Hintergrund getreten.

Das nun in Kraft tretende Gesetz zur weiteren Ausführung der EU-Prospektverordnung und zur Änderung von Finanzmarktgesetzen erweitert die Voraussetzungen von prospektfreien Emissionen umfassend.

Massive Ausweitung bei Crowdfunding

Aktuell sind kapitalsuchende Unternehmen insbesondere dann von diesen Prospektpflichten ausgenommen, wenn ihr Emissionsvolumen maximal 2,5 Millionen Euro beträgt und sie Emissionen über sperrige Nachrangdarlehen im Wege des Crowdfundings abwickeln. Auch beim Vertrieb der Anleihen über ein Finanzdienstleistungsinstitut nach § 32 Kreditwesengesetz (KWG) kann ein Unternehmen schon bisher bis zu acht Millionen Euro prospektfrei emittieren.

Diese Ausnahmen von der Prospektpflicht bei der Finanzierung über Crowdfunding-Plattformen werden nun massiv erweitert. Die Plattformen damit noch mehr als bisher zum digitalen Finanzierungsvermittler. Unternehmen, die sich digital finanzieren möchten, werden an den Crowdfunding-Plattformen nicht vorbeikommen.

Die Plattform prüft unter anderem die Einhaltung der Grenzen für die maximalen Investitionen der einzelnen Anleger. Nach Ausdehnung dieser Grenzen betragen diese jetzt sogar bis zu 25.000 Euro. Maßgeblich dafür ist der zweifache Betrag des durchschnittlichen Nettomonatsgehalts des Anlegers, welcher jetzt nicht mehr auf maximal 10.000 Euro, sondern auf 25.000 Euro begrenzt ist. 

Die Höhe der angebotenen Darlehen oder Wertpapiere desselben Emittenten darf in Zukunft bis zu sechs Millionen Euro pro Jahr betragen. Nach dem Ablauf von zwölf Monaten kann der gleiche Emittent eine weitere Anlage von wiederum bis zu sechs Millionen Euro prospektfrei ausgeben. Über verbundene Unternehmen kann das kapitalsuchende Unternehmen diese Freigrenzen nochmals multiplizieren.

Auch hinsichtlich der Befreiung der erfassten Vermögensanlagen hat der Gesetzgeber dereguliert: Neben den genannten Nachrangdarlehen können Emittenten jetzt auch Genussrechte prospektfrei anbieten und damit die Möglichkeiten des Crowdfundings flexibler nutzen. Da Genussrechte nicht gesetzlich geregelt sind, können sie individuell ausgestaltet und auf die Bedürfnisse von Emittenten und Anlegern angepasst werden. Genussrechte sind zudem ohne großen Aufwand übertragbar und geben dem Anleger daher mehr Flexibilität. Gerade für kleinere und mittelgroße Unternehmen ist diese digitale Finanzierungsvariante äußerst interessant, da sie ihre Genussrechte eigenkapitalnah ausgestalten können und dann das eingesammelte Kapital wie "hartes Eigenkapital" bewertet wird.

Ausnahme: Interessenverflechtungen

Reformen im Recht des Kapitalmarkts sind bekanntlich nicht denkbar ohne die Beachtung des Anlegerschutzes. Zwar grundsätzlich auch in diesem Fall, so ist der Gesetzgeber dabei doch äußerst behutsam vorgegangen. Eine naheliegende Gefahr für die Anleger ist eine Interessenverflechtung zwischen Emittenten und Vertrieb. Daher gelten die Ausnahmen für die Prospektfreiheiten nicht in den Fällen, in denen der Emittent mit dem Betreiber einer Crowdfunding-Plattform durch Interessensverflechtungen verbunden ist. Nutzt der Emittent die Prospektfreiheit trotz einer Interessensverflechtung aus, bestehen hohe Haftungsrisiken sowohl für die beteiligen Unternehmen als auch deren Organe.

Obwohl es sich der Gesetzgeber ausdrücklich zum Ziel gesetzt hat, mit dem neuen Gesetz den Anlegerschutz zu stärken, sind seine Bemühungen, dieses Ziel zu erreichen, damit bereits erschöpft. Kern des Anlegerschutzes bleibt ein dreiseitiges Informationsblatt, in dem der Emittent die maßgeblichen Aspekte der Anlage darstellen muss. Weitere Vorgaben bestehen nicht.

Zu wenig Deregulierung zu GmbH-Anteilen

Für GmbH wäre eine noch weitergehende Deregulierung wünschenswert gewesen, zu der es allerdings nicht gekommen ist: Die hatten sich Prospektfreiheit auch bei der erstmaligen Veräußerung von GmbH-Anteilen, die durch Crowdfunding finanziert werden sollen, gewünscht. Aus Sicht der Unternehmen wäre dies allein schon deshalb wichtig gewesen, da ein Großteil der kleinen und mittleren Unternehmen und Start-Ups in Deutschland als GmbH firmieren. In diesem Bereich steckt noch einiges Potential für künftiges gesetzgeberisches Handeln.

Belebt der Gesetzgeber mit den beschriebenen Deregulierungen den Grauen Kapitalmarkt? Fördert der Gesetzgeber die digitale Unternehmensfinanzierung? Die Antworten fallen eindeutig aus: Ja. Kapitalsuchende Unternehmen können nun in Kooperation mit Crowdfunding-Plattformen vergleichsweise hohe Tickets an Privatanleger verkaufen, ohne gleichzeitig allzu hohe Kosten schultern zu müssen. Die Prognose, dass Unternehmen von diesen neuen Freiheiten Gebrauch machen werden, ist nicht allzu gewagt. Inwieweit Start-up's von diesen Entwicklungen profitieren werden (immerhin ein ausdrückliches Ziel der Gesetzgebung), wird die Zeit zeigen. Klar ist jedenfalls, dass der Gesetzgeber digitale Emissionen stark erleichtert hat.

Diese Deregulierungen sind aus zwei Gründen zu begrüßen: Der Zugang zum Kapitalmarkt wird erleichtert, da Unternehmen nun Wertpapiere in relevantem Umfang ohne aufwändige und teure Prospekte digital emittieren können. Zudem stehen die neuen Regelungen für eine lang fällige Deregulierung im Bereich des Kapitalmarkts: Anleger können höhere Summen in vielfältigere Kapitalanlagen investieren, deren Emission bedeutend weniger aufwendig ist.

Der Autor Dr. Maximilian Degenhart ist Partner bei Beiten Burkhardt in München und im Bereich Financial Litigation und Kapitalmarktrecht tätig.

Zitiervorschlag

Deregulierungen im Kapitalmarktrecht: Plattformen als Finanzierungsvermittler . In: Legal Tribune Online, 16.07.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36511/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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