Glyphosat-Prozesse: Will Bayer sich ver­g­lei­chen?

09.08.2019

Nach der Monsanto-Übernahme ist die Klageflut gegen Bayer wegen möglicher Gesundheitsschäden durch Glyphosat zuletzt noch einmal gestiegen. Jetzt wird über einen Milliarden-Vergleich in den USA spekuliert.

Der wegen Tausender Glyphosat-Klagen unter Beschuss stehende Bayer-Konzern strebt nach einem Bericht des Finanzdienstes Bloomberg einen Milliarden-Vergleich in den USA an.

Der Agrarchemie- und Pharmakonzern schlage eine Zahlung von bis zu acht Milliarden US-Dollar, umgerechnet 7,15 Milliarden Euro, vor, um die Klagen der zuletzt 18.400 Kläger beizulegen, berichtete Bloomberg am Freitag unter Berufung auf eine mit den Verhandlungen vertraute Person. Ein Bayer-Sprecher wollte dies auf Anfrage nicht kommentieren.

Die möglichen acht Milliarden Dollar wären deutlich weniger als viele Analysten, die ohnehin mit einem Vergleich rechnen, zuletzt auf dem Zettel hatten. Markus Mayer von der Baader Bank etwa ging davon aus, dass eine Einigung im Bereich um die 15 bis 20 Milliarden Euro (16,7 bis 22,3 Mrd. Dollar) positiv für den Aktienkurs wäre. Analyst Gunther Zechmann von Bernstein Research äußerte sich ähnlich optimistisch. Alles unter 30 Milliarden Dollar wäre positiv für den Aktienkurs, sagte er am Freitag.

Anwalts- und PR-Kosten im dreistelligen Millionenbereich

In den vergangenen Tagen hatten Investoren bereits die Vertagung eines für August angesetzten Glyphosat-Prozesses als Hinweis auf fortschreitende Vergleichsverhandlungen interpretiert. Der Druck auf Konzernchef Werner Baumann war in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen, weil Bayer bereits drei Verfahren um Krebsrisiken glyphosathaltiger Unkrautvernichter mit Schadensersatzforderungen im jeweils mittleren bis hohen zweistelligen Millionen-Dollar-Bereich verloren hatte.

Trotz der jüngsten Aktienkurserholung notieren die Papiere immer noch rund 28 Prozent tiefer als vor der ersten Prozessschlappe wegen Glyphosat vor einem Jahr. Das bedeutet beim Börsenwert ein Minus von 24 Milliarden Euro.

Bayer fährt bisher offiziell zwar eine harte Linie und verweist unter Berufung auf zahlreiche wissenschaftliche Studien weiterhin auf die Sicherheit von Glyphosat bei richtiger Anwendung und will vor Berufungsgerichte ziehen. Konzernchef Baumann hatte zuletzt jedoch abermals gesagt, dass ein Vergleich durchaus in Frage käme, wenn er wirtschaftlich Sinn machen würde. So verschlingen allein die Kosten für Anwälte und Imagekampagnen hunderte Millionen Euro.

US-Staranwalt als Mediator berufen

Zudem hatte Richter Vince Chhabria, bei dem Hunderte Klagen gebündelt sind, die Streitparteien bereits zu einer einvernehmlichen Lösung aufgefordert und mit dem US-Staranwalt Ken Feinberg einen Mediator bestellt. Er gilt als bekanntester US-Experte in Entschädigungsfragen und wird häufig als Schlichter berufen. Er war unter anderem für Kompensationen nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko zuständig.

Und auch von anderer Seite kommt Druck. So mischt der für sein aggressives Gebaren bekannte US-Milliardär und Investor Paul Singer mit seinem Hedgefonds Elliott bei Bayer inzwischen mit einer Beteiligung von mehr als einer Milliarde Euro mit. Noch gab er sich zwar zahm und lobte Bayer-Schritte wie die Gründung eines Aufsichtsratsausschusses, der das Thema Glyphosat vorantreiben soll. Wie lange Singer bei fehlenden Fortschritten ruhig bleibt, ist aber fraglich.

dpa/ah/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Glyphosat-Prozesse: Will Bayer sich vergleichen? . In: Legal Tribune Online, 09.08.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36971/ (abgerufen am: 23.04.2024 )

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