Für einen guten Start in den Anwaltsberuf

7 Tipps für den Erfolg als Rechts­an­walt

von Dr. Tobias WitteLesedauer: 6 Minuten

Die meisten Juristen werden Anwalt, obwohl die Ausbildung nicht auf diesen Beruf zugeschnitten ist. Junganwälte stehen damit vor Herausforderungen, auf die sie keiner vorbereitet hat. Tobias Witte gibt Tipps für den Erfolg im Job.

Ob junger angestellter Anwalt, Gründerin einer eigenen Kanzlei oder Anwalt im zweiten oder dritten Jahr, dessen Entwicklung stagniert: Die folgenden Tipps helfen dabei, das eigene Potenzial zu heben. Denn häufig sind es nicht in erster Linie die juristischen Fähigkeiten, die Erfolg oder Misserfolg im Anwaltsjob entscheiden.

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1. Jura ist gasförmig

"Man kann jedes Problem in 20 Minuten zufriedenstellend lösen." Der Satz, der Winston Churchill zugeschrieben wird und sicherlich überspitzt gemeint ist, hat einen wahren Kern: Zeitliche Begrenzung führt bei der Problemlösung keinesfalls zu schlechteren Ergebnissen. Viele Berufsanfänger machen den Fehler, jede Akte bis in die letzte juristische Verästelung zu analysieren – ähnlich wie in einer Examensklausur.

Dabei gilt: Juristische Probleme neigen dazu, sich wie Gas auszudehnen, je mehr man sich mit ihnen beschäftigt. Plötzlich findet man Nebenkriegsschauplätze, die auf einmal wichtig erscheinen und dann zu wieder neuen Seitenproblemen führen.

Als Anwalt oder Anwältin aber muss man dutzende Akten bearbeiten, nebenbei E-Mails beantworten und Telefonate führen – da heißt es: Abschichten, priorisieren, verknappen. Das so genannte Pareto-Prinzip besagt, dass man bereits mit 20 Prozent des Aufwands 80 Prozent des gewünschten Ergebnisses erzielen kann. Was dabei wichtig ist und was unwichtig, entscheidet allein das Mandanteninteresse.

2. Kommuniziere klar

Was will der Mandant? Das ist die Leitfrage für alles. Anfänger bleiben häufig in ihrer Examens-Denke verhaftet, hören sich das Problem eines Mandanten an und fangen dann an, in Ruhe die Rechtslage zu ergründen. Dann schreiben sie, nicht selten gutachterlich, ein langes Schreiben an die Mandantin, das sicherlich juristisch überzeugend ist, viele Paragraphen aufweist, im besten Fall Fußnoten hat und das allgemeine preußische Landrecht zitiert – und dem Mandanten rein gar nichts bringt. Der liest das Schreiben und bleibt ratlos zurück. Die Antwort auf seine Frage findet sich entweder versteckt zwischen zitierter Rechtsprechung und Bundestagsdrucksachen oder fehlt gleich vollständig.

Juristische Texte, vor allem solche an Laien (und das sind die meisten Mandanten) werden nicht schlechter, wenn sie den betroffenen Sachverhalt nicht gleich erschöpfend abdecken. Es gilt, sich auf das Wesentliche zu fokussieren. Dabei kann als Faustregel gelten: Ein durchschnittliches Schreiben an den Mandanten (außer, er hat ein besonders komplexes Problem oder eine gutachterliche Analyse in Auftrag gegeben) sollte nicht mehr als drei bis fünf neue Aspekte enthalten. Es gilt der heilsame Grundsatz: "If it’s not simple, it’s bullshit."

3. Suche Dir Deine Branche

Es gibt einen großen Unterschied zwischen Rechtsgebiet und Branche. Wem das Baurecht fachlich liegt, der ist auf dem Bau noch lange nicht gut aufgehoben.
Anders als es im Studium und im Referendariat gelehrt wird, arbeitet ein Anwalt häufig zumindest überwiegend in ein- und derselben Branche. Jede wirtschaftliche Branche bringt Eigenheiten mit sich: seien dies bestimmte Abläufe, Organisationsformen, wichtige "Player" oder eine ganz eigene branchenspezifische Sprache.

Dasselbe gilt für die Rechtsnormen der Branche. Wer es rechtlich gern übersichtlich und strukturiert mag, der wird mit einer parzellierten Branche wie dem Gesundheitswesen wenig Freude haben.
Die Gefahr, die falsche Branche zu erwischen, wirkt in beide Richtungen: Wer die Kunst liebt und als Anwalt im Kunstbetrieb tätig sein will, der mag von der Tristesse zivilrechtlicher Vertragsgestaltungen im Kaufrecht (auch, wenn es sich um Gemälde handelt) schnell gelangweilt sein.

Wer nicht nur weiß, welches Rechtsgebiet ihm liegt, sondern auch, welche Branche dazu am passendsten ist, der kann frühzeitig eine tragfähige Entscheidung für seinen anwaltlichen Weg treffen.

4. Suche Dir Deine Nische

Dass Spezialisierung der Königsweg zum Erfolg im Anwaltsmarkt ist, dürfte mittlerweile jedem aufgegangen sein. Dies zeigt bereits die große Anzahl an Fachanwaltstiteln, die stetig wächst. Eine solche Zusatzqualifikation ist heute unverzichtbar und es sollte das Ziel eines jeden jungen Anwalts sein, pünktlich nach drei Anwaltsjahren den Titel in der Tasche zu haben. Da der Rechtsmarkt in Deutschland so groß ist wie das Wirtschaftsleben selbst, gilt konsequenterweise, dass es auch in den klassischen Fachanwalts-Disziplinen noch genug Raum für weitere Subspezialisierungen gibt.

Mit großem Erfolg konzentrieren sich manche Medizinrechtler in ihrer Mandantschaft beispielsweise nur auf Zahnärzte oder Pathologen, manche Haftungsrechtler vertreten nur Architekten. Um es mit einem bewusst abseitigen Beispiel zu illustrieren: Selbst wer sich auf das allseits unbekannte Bienenrecht stürzt, wird seine Nische finden – und, richtig gemacht, über die Jahre mit hunderten Imkern, Imkerverbänden und Honigherstellern in der Mandantschaft sicherlich sein Auskommen finden.

Hat man sich für eine Branche entschieden, sollte der eigene Markenkern (neudeutsch: unique selling point , USP ) am besten in einem Nebengebiet entwickelt werden, das einem Teich gleicht, der noch nicht von allen befischt wird. Gerade für angestellte Junganwälte fallen in Kanzleien manchmal scheinbar undankbare Mandate ab, die Probleme betreffen, die verallgemeinerungsfähig sind – und aus denen heraus die eigene, langfristig tragfähige Nische aufgebaut werden kann.

5. Vernetze dich und betreibe Akquise

Wer meint, Akquise sei reine Partneraufgabe, dem unterläuft ein Denkfehler. Als Junganwalt muss es das Ziel sein, sich einen eigenen Mandantenstamm aufzubauen - um auf eigenen Beinen stehen zu können, um sich also unabhängig zu machen von der Gnade anderer Anwälte. Dabei geht es nicht darum, wahllos Visitenkarten zu verteilen. Für den Anfang verfügt jeder über einen (erweiterten) Freundes- und Bekanntenkreis, in dem es sicherlich Personen gibt, die in der Nähe der selbst gewählten Branche zu verorten sind. Wer hier den Kontakt sucht und hält, macht den ersten richtigen Schritt.

Empfehlenswert ist es auch, jenseits der Kanzlei-Homepage eine eigene Anwaltsseite im Netz zu schalten und in den sozialen Medien als Anwalt mit eigener Spezialisierung sichtbar zu sein. Es gibt Kollegen, die über einen einzigen wohlgesetzten Tweet ein Großmandat an Land gezogen haben. Sichtbarkeit wiederum ist ohne Partizipation nicht zu erreichen: Auch als Junganwalt kann man sich auf Tagungen und Veranstaltungen aller Art blicken lassen oder an Podiumsdiskussionen teilnehmen. Es ist keine Schande, als angestellter Anwalt die Chefs danach zu fragen, ob man für eine solche Veranstaltung einen Tag abgeordnet wird.

Wer sich nur (und ausschließlich) der Aktenbearbeitung widmet, der ist sicher für den Maschinenraum einer Kanzlei wertvoll, aber nicht für die Brücke.

6. Publiziere und suche den großen Auftritt

Jura ist ein Sprachspiel, erst Recht im Anwaltsberuf. Hat man sich eine Branche und eine Nische gesucht, gilt es, die Aufmerksamkeit im dort bestehenden Markt auf sich zu lenken.  
Dabei kann man sich branchenspezifische Multiplikatoren zu Nutze machen: Viele große und kleine Medien, insbesondere im Internet, freuen sich über juristische Artikel und Einschätzungen. Dies können Blogs sein, Newsseiten, Fachblätter, aber auch zum Beispiel Podcasts oder YouTube-Kanäle. Da man für ein nichtjuristisches Publikum schreibt oder spricht, sind keine Fußnoten oder sonstigen akademischen Formalien zu wahren – was den Aufwand wiederum verringert.

Wer am Anfang nicht über Kontakte zu Multiplikatoren verfügt, der schreibe sie einfach mal an oder stelle sich auf einer Tagung zu ihnen an den Stehtisch. Hat man dann die Visitenkarten ausgetauscht, schreibt man am nächsten Tag eine Follow-Up-E-Mail. Oder man schafft sich gleich eine eigene Plattform: Es war nie so leicht, die eigenen Positionen zu publizieren wie heute. Dabei mag beispielsweise der eigene Kanzlei-Blog nur der erste Schritt sein.

Auch ist es empfehlenswert, frühzeitig mit eigenen Vorträgen anzufangen. Rechtsthemen gehen die Menschen an, ob sie es wollen oder nicht. Auf den allermeisten Kongressen und Fachtagungen findet sich stets auch ein Rechtsvortrag. Gerade bei brandaktuellen Themen sind Multiplikatoren wie Verlage, Banken, Steuerberater, Vereine, Unternehmensberater und viele andere daran interessiert, auf Veranstaltungen Licht ins rechtliche Dunkel bringen zu lassen. Wer sich hier positioniert und mit guten Auftritten überzeugt, erlangt ungeahnte Reichweiten für sein anwaltliches Beratungsangebot.

7. Beachte das, was zählt

Jeder Anwalt muss auch Unternehmer sein. Dies gilt für Gründer oder junge Kanzleipartner naturgemäß besonders, aber auch der angestellte Anwalt muss rechnen können: Wieviel mehr als mein Arbeitgeber-Bruttogehalt bringe ich der Kanzlei ein? Wer die selbst generierten Umsätze nicht im Blick hat, wird nicht nur bei der nächsten Gehaltsverhandlung scheitern.

Es lohnt sich der langfristige Blick. Will man sich freischwimmen, indem man sich sukzessive einen eigenen Mandantenstamm aufbaut, so ist Offenheit vonnöten: Die Bereitschaft, neue Ideen zu entwickeln und sich auch in teilweise unangenehme neue Anforderungen, Rechtsgebiete, Mandanten oder Kooperationspartner einzufinden ist essenziell. Niemand darf nach dem zweiten Staatsexamen davon ausgehen, dass es das mit dem Lernen jetzt glücklicherweise gewesen sei. Eine solche Einstellung wäre fatal.

Es gilt, die eigene Anwaltspersönlichkeit herauszuarbeiten und stets weiter zu wachsen. Dabei ist es ein Privileg, anwaltlich arbeiten zu können – ein Privileg, das man genießen darf. Rechtsanwalt ist ein freier Beruf. Jedenfalls dann, wenn man sich nicht selbst im Weg steht.  
 
Der Autor Dr. Tobias Witte ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht bei der Kanzlei kwm in Münster. Zudem ist er zertifizierter Datenschutzbeauftragter und Justiziar des BNKD e.V.

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