Themenwoche Unternehmensjuristen

Der Syndikus – rechtlich ein Anwalt zweiter Klasse?

von Johanna Strohm, LL.M.Lesedauer: 5 Minuten
Vertretungsverbot, fehlendes Anwaltsprivileg, Probleme rund um den Fachanwalt und die Rentenversicherungspflicht – Unternehmensjuristen haben es im Vergleich zu Anwälten in einigen Punkten schwerer. Das wollen sie nicht länger hinnehmen und fordern vom Gesetzgeber ein Ende der Benachteiligung. Echte Gleichberechtigung ist zwar noch nicht in Sicht, aber langsam kommt Bewegung in die Debatte.

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Vom kleinen Feld-Wald-und-Wiesen-Anwalt bis zum pompösen Großkanzlei-Partner gibt es eine Menge unterschiedlicher Anwaltstypen. Nur einer wird gern vergessen: der Syndikus. Er steht in einem ständigen Dienst- und Beschäftigungsverhältnis bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber und ist gleichzeitig als frei praktizierender Rechtsanwalt bei der Anwaltskammer zugelassen. Die berufsrechtliche und berufspolitische Diskussion tut sich seit jeher schwer mit der Behandlung dieses Mischwesens, das im vielfältigen Gefüge der Anwaltschaft seinen gleichberechtigten Platz einfordert. Seit der Neuordnung des anwaltlichen Berufsrechts 1994 gibt es eine intensive Diskussion über die zentralen Fragen der Rechtsstellung von Syndikusanwälten. Gesetzliche Regelungen fehlen, und der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Arbeit des Syndikus praktisch in zwei separate Tätigkeitsbereiche aufgespalten. Zu trennen ist demnach der arbeitsvertraglich gebundene Bereich, in dem der Syndikus nicht das Berufsbild eines Anwalts erfüllt, von einem unabhängigen Bereich, in dem er als freier Anwalt tätig wird.

Unternehmensjuristen wirklich unfreier als Associates?

Folgerichtig wurde für diese Aufteilung der Begriff "Doppelberufstheorie" geschaffen. Konsequenz dieser Theorie ist unter anderem, dass Syndizi bis heute in einem Zulassungsantrag an die Rechtsanwaltskammer eine schriftliche und unwiderrufliche Einverständniserklärung ihres Arbeitsgebers beifügen müssen, die besagt, dass sie neben ihrer Tätigkeit als Angestellte ihre Anwaltstätigkeit unabhängig und weisungsfrei ausüben können. Im Kern der berufsrechtlichen Auseinandersetzung steht also die Frage, ob der Unternehmensjurist auch in seiner Tätigkeit für das Unternehmen "anwaltlich" tätig sein kann. Dies wird mit der Begründung abgelehnt, dass es ihm aufgrund seines Angestelltenverhältnisses an der erforderlichen Unabhängigkeit fehle. Eine Klärung dieser Kernfrage wird vor allem dadurch erschwert, dass bis heute nicht klar ist, was genau "anwaltliche Unabhängigkeit" eigentlich bedeutet: Die Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) erwähnen sie zwar, eine klare Definition gibt es aber nicht. Hinzu kommt, dass die Grenzen in Bezug auf Unabhängigkeit bzw. Selbstbestimmtheit ohnehin zusehends verwischen: So ist etwa ein junger Associate in einer Großkanzlei auch nicht wirklich selbständig, sondern unterliegt hinsichtlich der Annahme und Bearbeitung von Mandaten den Anweisungen seines Partners. Da mag der Leiter einer Rechtsabteilung im Unternehmen in der Gestaltung seiner Arbeit durchaus freier sein.

Vertretungsverbot und fehlendes Anwaltsprivileg

Nachdem der BGH sich zwischen 1999 und 2008 mit kleinen und vorsichtigen Schritten in Richtung einer Gleichstellung von Kanzlei- und Unternehmensanwälten bewegt hatte, gab es seitdem auf nationaler und europäischer Ebene entscheidende Rückschritte. In der AKZO-Nobel-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) (v. 14.09.2010, Az. C-550/07 P) sowie einem Beschluss des BGH (v. 07.02.2011, Az. AnwZ (B) 20/10) haben beide Gerichte entschieden, dass Unternehmensanwälte im Ergebnis nicht so unabhängig wie ihre "freien" Kollegen seien, ihre Arbeit daher nur als "juristisch", nicht aber als anwaltlich gewertet werden könne. In derselben Entscheidung hat der EuGH dem Unternehmensjuristen das Zeugnisverweigerungsrecht abgesprochen. Im Gegensatz zu seinen Kanzleikollegen ist es ihm daher grundsätzlich verwehrt, sich bei der Tätigkeit für seinen Arbeitgeber auf das Anwaltsprivileg zu berufen. Er kann also weder ein berufsbezogenes Zeugnisverweigerungsrecht noch Beschlagnahmefreiheit geltend machen. Aus Unternehmenssicht ist es aber von großer Bedeutung, dass Unterlagen, die vom Hausjuristen bearbeitet wurden, dem "Legal Privilege" unterfallen: Wird das Unternehmen in prozessuale Auseinandersetzungen verstrickt, liegt es für Justizbehörden und Parteien nahe, den Inhouse-Juristen als Zeugen zu benennen, um auf diesem Wege an Informationen zu kommen, die anders nicht zu erlangen wären. Als eine weitere ungerechtfertigte Einschränkung erachten die Syndikusanwälte das in § 46 BRAO enthaltene Vertretungsverbot. Danach ist es ihnen untersagt, als Anwalt ihres Arbeitgebers vor Gericht aufzutreten.

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2/2: Probleme rund um Rentenversicherung und Fachanwaltszulassung

Auch beim Erwerb des zunehmend bedeutsamen Fachanwaltstitels tun sich Unternehmensjuristen schwer. Seit der Festsetzung der Fachanwaltsordnung (FAO) 1997 steht in deren § 5, dass die einzureichenden Fälle "als Rechtsanwalt, persönlich und weisungsfrei" bearbeitet werden müssen. Anknüpfend an das Erfordernis "als Rechtsanwalt" erkennt der BGH Fälle aus der Syndikustätigkeit für den Erwerb des Fachanwaltstitels nicht an. Dies wollen die Syndizi nicht länger hinnehmen. Nach einem gescheiterten Versuch im letzten Jahr, soll bei der nächsten Satzungsversammlung im Dezember 2013 mit einem modifizierten Antrag ein neuer Versuch gestartet werden, eine Gleichstellung der Fallnachweise in der FAO zu erreichen. Und damit hat das Leid noch kein Ende: Ein weiteres, zentrales Problem ist vielmehr die andauernde Benachteiligung bei der Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht. Während noch vor einigen Jahren jeder zugelassene Rechtsanwalt befreit wurde, ist die Befreiungspraxis der Deutschen Rentenversicherung inzwischen uneinheitlich und tendenziell sehr restriktiv. Damit wird jungen Unternehmensjuristen der Zugang zum berufsständischen Versorgungswerk zunehmend erschwert und auch ein Wechsel von einer Tätigkeit als freier Rechtsanwalt zum Syndikus und umgekehrt behindert.

Unternehmensjuristen formieren sich

Diese Ungleichbehandlung motivierte einen zunächst nur sieben Personen starken Kreis im März 2011 zur Gründung des Bundesverbands der Unternehmensjuristen (BUJ). Innerhalb von zwei Jahren stieg die Mitgliederzahl auf mittlerweile über 1.250 Syndizi aus mehr als 700 Unternehmen. Damit ist der BUJ der größte Interessenverband für Unternehmensjuristen. Und tatsächlich kommen die Dinge langsam in Bewegung. Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat auf ihrer Hauptversammlung im September 2013 einen Vorschlag zur rechtlichen Regelung des Syndikusanwalts in der BRAO zur Diskussion an ihre regionale Kammern weitergegeben. Mit dem erarbeiteten "modifizierten Zulassungsmodell" reagiert die BRAK auf die Initiative des Deutschen Anwaltvereins (DAV) aus dem Frühjahr 2012. Damit soll der Status der Syndikusanwälte endlich gesetzlich geregelt werden. Darüber, wie das geschehen soll, bestehen aber durchaus Meinungsverschiedenheiten: Für den DAV ist der Syndikus bereits heute ein vollwertiger Anwalt. Die BRAK hingegen will mit dem Vorschlag etwas Neues schaffen. Das von ihrem Berufsrechtsausschuss entworfene "modifizierte Zulassungsmodell" sieht eine ausdrückliche Aufnahme des Syndikusanwalts in einen neuen § 6 Abs. 2 BRAO (im Abschnitt "Zulassung zur Anwaltschaft") vor. Außerdem soll in § 46 BRAO geregelt werden, dass Voraussetzung für einen Syndikusanwalt eine "fachlich weisungsfreie", rechtsbesorgende Tätigkeit sein soll. Damit wäre aber zum einen der Syndikusanwalt nicht dem freien Anwalt gleichgestellt, sondern als eine Art Spezial-Anwaltsberuf gesondert geregelt. Zum anderen könnten die Anforderungen im Zweifel sogar strenger ausgelegt werden als jene, die bislang die Deutsche Rentenversicherung Bund zugrunde legt – eine Befreiung von der gesetzlichen Versicherungspflicht würde es für Unternehmensanwälte dann auch in Zukunft nicht geben. Die neue Fachgruppe "Berufsrecht" des BUJ wird sich im Dezember mit diesen bereits vorliegenden Vorschlägen auseinandersetzen. "Der Bundesverband der Unternehmensjuristen wird sich beim deutschen Gesetzgeber intensiv dafür einsetzen, dass die Ungleichbehandlung und die damit einhergehende Benachteiligung der Syndikusanwälte aufgehoben wird", verspricht die Präsidentin des BUJ, Elisabeth Roegele. "Bei all diesen Aktivitäten ist es uns jedoch wichtig, in enger Kooperation mit der BRAK und dem DAV vorzugehen". Es bleibt abzuwarten, ob sich am Ende die unterschiedlichen Vertreter der anwaltlichen Interessen auf eine Lösung einigen können. Diese wird vielleicht nicht die vollständige Gleichstellung für Unternehmensjuristen bringen, aber ihren Status doch zumindest jenem der übrigen Anwälte annähern.

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