Roland Rechtsreport 2014

Richter und Staats­an­wälte im Grund­satz zufrieden

von Martin W. HuffLesedauer: 6 Minuten
Der überwiegende Teil der Richter und Staatsanwälte in Deutschland zeigt sich mit seiner Berufswahl grundsätzlich zufrieden. Es werden jedoch auch Klagen laut, insbesondere in Bezug auf den empfundenen Personalmangel und die Bezahlung. Auch im Bereich des Prozessrechts werden Forderungen an die Politik formuliert. Eine kürzlich veröffentlichte Befragung der Berufsträger stellt Martin W. Huff vor.

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Wie empfinden die rund 20.000 Richter und 5.000 Staatsanwälte ihre Situation? Was möchten sie ändern, womit sind sie zufrieden? Dazu gibt es bisher wenig Zahlenmaterial. Jetzt liefert der Sonderbericht des Roland Rechtsreports 2014 interessante Antworten. Dazu hat das Institut für Demoskopie in Allensbach in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Richterbund und der Roland Rechtsschutzversicherung über 4.000 Mitglieder des Richterbunds angeschrieben, leider ohne Richter aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit. 1.770 der Befragten haben auch geantwortet. Allensbach hat die Rückmeldungen gewichtet und erklärt, dass die Stichprobe in ihrer Zusammensetzung der Struktur des Berufsstands entspreche. Insgesamt erfährt das deutsche Rechtssystem durch die Richter und Staatsanwälte eine äußerst positive Bewertung: 98 Prozent halten es für gut (69 Prozent) oder sehr gut (29 Prozent). 41 Prozent würden ihren Beruf auf jeden Fall wieder wählen, 44 Prozent sehen dies immerhin als wahrscheinlich an – die Mehrheit der Richterschaft ist mit ihrer Berufswahl also trotz gelegentlicher Beschwerden im Wesentlichen zufrieden. Dabei sind die Unterschiede zwischen den Gerichtsbarkeiten insgesamt marginal. Allerdings sehen die Befragten eine Verschlechterung der Rahmenbedingungen für die Rechtsprechung. Das sagt eine überwiegende Mehrheit (72 Prozent). Dabei geht es vor allem um zu wenig Personal. Entsprechend stufen 85 Prozent die Personalsituation als eher schlecht (64 Prozent) oder sehr schlecht (21 Prozent) ein. Die technische Ausstattung wird ambivalent bewertet. 45 Prozent schätzen diese als eher schlecht bis sehr schlecht ein, 48 Prozent bewerten sie hingegen mit eher gut, 6 Prozent sogar mit sehr gut.

Personalmangel und Bezahlung gerügt

Besonders auffallend ist, dass die Juristen den Personalmangel an den Gerichten und Staatsanwaltschaften als belastend ansehen. Auch eine als unzureichend empfundene Bezahlung, Druck durch Medien und Öffentlichkeit oder die Weisungsbefugnis der Justizminister gegenüber den Staatsanwälten sorgen für Unzufriedenheit. So geben acht von zehn Richtern und Staatsanwälten an, eine zu hohe Arbeitsbelastung zu spüren. Zudem haben zwei Drittel der Richter und beinahe vier von fünf Staatsanwälten nach eigenem Empfinden nicht genügend Zeit für die Bearbeitung ihrer Rechtsfälle. Allerdings wird in der Studie dafür keine Begründung geliefert. Mit den Eingangszahlen an Gerichten und Staatsanwaltschaften lässt sich dies jedenfalls nicht in Übereinklang bringen – diese sind in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Auf der anderen Seite ist in manchen Gebieten die Komplexität der Verfahren gewachsen. Hier hätte man sich Fragen nach den näheren Umständen gewünscht. Insgesamt fühlt sich lediglich jeder zehnte Richter und Staatsanwalt in Deutschland gut bezahlt. Hierzu dürfte gerade die in einigen Bundesländern ausgebliebene Besoldungsanpassung beigetragen haben. Entsprechend werden Forderungen an die Politik und die neue Bundesregierung formuliert, die auf eine Verbesserung der (finanziellen) Situation, eine Sicherstellung guter Rahmenbedingungen sowie die Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz abzielen. Fast neun von zehn Richtern und Staatsanwälten halten es für dringend erforderlich, zusätzliche Kollegen einzustellen, um auch in Zukunft die hohe Qualität der Rechtsprechung zu sichern. Für 71 Prozent hat die Rückkehr zur bundeseinheitlichen Besoldung Priorität. Nach den Föderalismus-Reformen der vergangenen Jahre war hier die Entscheidungsbefugnis auf die Länder übergegangen. Eine überwiegende Mehrheit von 83 Prozent der Staatsanwälte und Richter lehnt die Weisungsbefugnis der Justizminister an die Staatsanwaltschaften zur Sachbehandlung im Einzelfall ab und möchte diese abschaffen.

Medialer Druck & spezialisierte Verteidiger

Ob Überfälle durch Jugendliche oder spektakuläre Wirtschaftsprozesse: Medien und Öffentlichkeit zeigen sich regelmäßig interessiert an Rechtsfällen und begleiten diese mit intensiver, oftmals wertender Berichterstattung. Richter und Staatsanwälte sehen hierdurch das Risiko, dass der öffentliche Erwartungsdruck bei einzelnen Prozessen die Unabhängigkeit der Gerichte beeinflussen kann. Eine Mehrheit von 55 Prozent sieht darin eine große (42 Prozent) oder sehr große (13 Prozent) Gefahr. Allerdings hinterfragt die Studie nicht weiter, wie der Druck tatsächlich empfunden wird und welche Änderungsmöglichkeiten es in diesem Punkt geben könnte. Im Wirtschaftsstrafrecht sehen sich Staatsanwälte zudem in der schwächeren Position gegenüber den oft hoch spezialisierten und durch Mitarbeiterstäbe unterstützten Verteidigern angeklagter Manager und Unternehmen. 73 Prozent fühlen sich hier im Nachteil, lediglich 24 Prozent sehen sich auf Augenhöhe.

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2/2: Positive Resonanz zum strafrechtlichen Deal

Generell zeigen sich Richter und Staatsanwälte in Strafprozessen mehrheitlich als Befürworter des sogenannten "Deals", also der Verständigung bei der Urteilsfindung zwischen Parteien und Gericht. Zwar sehen 34 Prozent die Möglichkeit zu solchen Deals kritisch, 63 Prozent befürworten sie aber. Im Zuge des Bundesverfassungsgerichtsurteils zu Verständigungen in Strafverfahren wurde die Rolle von Absprachen auch in der Öffentlichkeit zuletzt verstärkt diskutiert. In der Praxis sind die Absprachen als Möglichkeit zur zügigen Beendigung von Verfahren bei allen Beteiligten angekommen und werden genutzt. Die knappe Hälfte (42 Prozent) der Richter und Staatsanwälte sieht sich durch die Beurteilung durch Vorgesetzte, zum Beispiel Gerichtspräsidenten oder leitende Oberstaatsanwälte, bedrängt. Hierdurch werde ihre Unabhängigkeit beeinflusst. Dem stehen 57 Prozent gegenüber, die diese Bedenken nicht teilen. Unter Richtern, die selbst eine Leitungsfunktion innehaben, sagen 65 Prozent, dass eine Beeinflussung hierdurch nicht gegeben sei. Auch das Richterdienstgericht des Bundes hatte gerade keine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit durch die dienstlichen Beurteilungen gesehen.

Reformwünsche und der Einfluss Europas

Zudem wünscht sich eine Mehrheit (53 Prozent) die Erleichterung der Zurückweisung von Befangenheitsanträgen, die einen Prozessbeginn verzögern können. Auch einige weitere prozessuale Möglichkeiten der Rechtsanwälte in Verfahren werden kritisch gesehen und zeigen an, dass hier der Konflikt zwischen den Verfahrensbeteiligten nur durch die Politik entschieden werden kann. Mit Blick auf die europäische Integration sehen insgesamt 62 Prozent der Befragten einen deutlichen (10 Prozent) oder partiellen (52 Prozent) Bedeutungsverlust des deutschen Grundgesetzes. An Arbeitsgerichten sagen dies sogar 76 Prozent der Richter und Staatsanwälte. Andererseits spielen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und anderer europäischer Institutionen bei der täglichen Arbeit kaum eine Rolle. Über 80 Prozent sehen den Einfluss als eher gering oder sehr gering. Allerdings gibt es bei der Einschätzung hierzu große Unterschiede zwischen den Gerichtsbarkeiten.

Gutes Rechtsverständnis der Bevölkerung

Dem allgemeinen Rechtsverständnis in der Bevölkerung stellen Richter und Staatsanwälte ein gutes Zeugnis aus. So attestieren 81 Prozent den Bürgern ein überwiegend gutes Verständnis für Recht und Unrecht. Eine knappe Mehrheit von 51 Prozent denkt, dass die Deutschen zudem lieber einen Gerichtsprozess vermeiden wollen. Allerdings sagen auch 46 Prozent, dass die Bürger es im Zweifel auf einen Gerichtsprozess ankommen lassen, um ihr Recht durchzusetzen. Alternativen sind jedoch auf dem Vormarsch. So gewinnt etwa das Mediationsverfahren zunehmend an Bedeutung. Dabei bewerten 68 Prozent der Befragten die außergerichtliche Mediation und 58 Prozent das neu eingeführte Güterichtermodell positiv. 85 Prozent halten insbesondere beim Nachbarschaftsstreit ein Mediationsverfahren für sinnvoller als ein Gerichtsverfahren. Auch bei Streitigkeiten um das Sorgerecht würden 67 Prozent den Methoden der Mediation den Vorzug geben. Der Tendenz nach kann das Mediationsverfahren vor allem bei persönlichen Streitigkeiten und geringen Streitwerten seine Stärken ausspielen. Insgesamt zeichnet die Studie ein interessantes Bild der Richter und Staatsanwälte. Ob dies allerdings alarmierende Ergebnisse sind, wie der Richterbund selbst sie wertet, kann durchaus bezweifelt werden. Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt und Journalist in Leverkusen. Er ist Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln und hat u.a. einen Lehrauftrag für Berufsrecht an der German Graduate School of Management and Law (GGS) in Heilbronn.

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Thema:

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