Richter auf Probe

Vor Lebens­läng­lich steht die Bewäh­rung

von Christian GrohganzLesedauer: 5 Minuten
Richter haben anscheinend einen Traumjob. Der Beruf ist anspruchsvoll, abwechslungsreich, hoch angesehen und kündigungssicher. Doch selbst wenn man eine der begehrten Stellen ergattert: Auf Lebenszeit ernannt wird nur, wer sich mindestens drei Jahre bewährt hat. Christian Grohganz sprach mit zwei Richterinnen auf Probe über Einstiegshürden, Anfangsschwierigkeiten und Aktenberge.

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Der Justizpalast in Nürnberg ist ein Arbeitsplatz, vor dem man Ehrfurcht haben kann. Nicht nur, dass hinter den mächtigen, fast 100 Jahre alten Steinmauern, täglich Entscheidungen getroffen werden müssen, die Leben und Schicksale beeinflussen. Auch wurde an diesem Ort Geschichte geschrieben, als nach Ende des Zweiten Weltkriegs den Hauptschuldigen des Nazi-Regimes die sogenannten Nürnberger Prozesse gemacht wurden. Ein bisschen Aufregung schwingt deshalb immer noch mit, wenn Jasmin Palm und Andrea Reuß  durch den Eingangsbereich des historischen Gerichtsgebäudes schreiten. Beide wurden nach dem Studium in den Kreis der rund 20.000 Richter in Deutschland aufgenommen – sie sind seit Kurzem Richterinnen auf Probe. "Während des Studiums hat sich bei mir immer mehr der Wunsch herauskristallisiert, das ich diesen Beruf ausüben will. Gerade während der Referendariatsausbildung habe ich schon ziemlich viel von der Praxis mitbekommen. Es war deshalb mein größter Wunsch eine Stelle zu bekommen", freut sich Andrea Reuß, die in Würzburg studierte und seit Anfang 2011 in Nürnberg arbeitet. Als Richterin auf Probe steht die 27-Jährige nun in einem beamtenähnlichen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis. Ihre zwei Jahre ältere Kollegin Jasmin Palm hatte etwas länger für ihre Entscheidungsfindung gebraucht. "Zu sagen, dass ich das Richteramt früher als 'Traumberuf' bezeichnet hätte, wäre übertrieben. Während des Studiums beziehungsweise des Referendariats habe ich aber zumindest gehofft, dass meine Ergebnisse in den Examina so gut ausfallen, dass sich die Möglichkeit einer Bewerbung bei der Justiz bietet." Mit ihrer Wahl ist Jasmin jedoch nun mehr als zufrieden.

Keine Familiensachen im ersten Jahr

Einstellungsvoraussetzung ist in allen Bundesländern die sogenannte Befähigung zum Richteramt. Das bedeutet ein abgeschlossenes Jura-Studium und ein überdurchschnittliches zweites Staatsexamen. In den meisten Fällen bedeutet das ein Prädikatsexamen. In manchen Bundesländern wird außerdem das Bestehen eines Einstellungstests vorausgesetzt. "Neben den fachlichen Voraussetzungen, braucht man einfach auch ein bisschen Glück", meint Jasmin Palm. "Bei meiner Bewerbung hatte ich als Wunschort Nürnberg angegeben. Auch weil ich an der Universität Erlangen-Nürnberg studiert habe. Kurz nach dem Vorstellungsgespräch wurde mir eine Stelle in der Staatsanwaltschaft und eine Stelle am Landgericht Nürnberg-Fürth angeboten. Nach kurzer Überlegung habe ich mich für das Landgericht entschieden. Vor allem, weil ich mich seit meinem 2. Staatsexamen 2007 fast ausschließlich mit Strafrecht beschäftigt hatte. Daher dachte ich, es wäre Zeit, sich wieder dem Zivilrecht zuzuwenden. Außerdem wechselt man grundsätzlich nach etwa zwei Jahren ohnehin noch zur Staatsanwaltschaft, wenn man als Richter angefangen hat." Andrea Reuß wurde durch das Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz für das Amtsgericht eingeteilt. Mit der Zuteilung nach Nürnberg-Fürth erhielt sie ebenfalls ihren Ortswunsch. Als Richterin auf Probe kann sie jedoch jederzeit versetzt werden. Erst wenn ein Richter auf Lebenszeit ernannt wird, muss für eine Versetzung seine Zustimmung vorliegen. In ihrem ersten Jahr auf Probe dürfen die jungen Richter auch gewisse Aufgaben noch nicht wahrnehmen. So dürfen sie keine Familiensachen entscheiden und keine Geschäfte eines Betreuungsrichters übernehmen. Ansonsten sind die zwei jungen Richterinnen in ihrer Rechtsprechung sachlich unabhängig. Also auch weisungsunabhängig. In den ersten zwei Jahren kann ein Richter auf Probe ohne besonderen Grund entlassen werden, nach Ablauf des dritten oder vierten Jahres, wenn er für das Amt nicht geeignet ist. Doch für die jungen Richterinnen ist das kein Thema. "Druck, dass ich entlassen werden könnte, empfinde ich nicht", sagt Andrea Reuß schulterzuckend. "Die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit ist die Regel. Der Anteil derjenigen, die nicht übernommen werden, ist vergleichsweise gering." Und Jasmin Palm fügt lachend hinzu: "Darüber habe ich mir bis jetzt noch nicht einmal Gedanken gemacht." In der Regel dauert die Probezeit drei Jahre, dann kann der Richter durch das Justizministerium des Landes zum Richter auf Lebenszeit ernannt werden. Laut Deutschem Richtergesetz muss diese Ernennung jedoch spätestens nach fünf Jahren erfolgen.

"Keinen Beruf würde ich lieber ausüben"

Nachteile haben beide in ihrem Beruf noch nicht erlebt. Sie empfinden ihre Arbeit als anspruchsvoll und spannend. Nicht zuletzt sorgt nämlich auch der immense Arbeitsaufwand dafür, dass es nie langweilig wird. "Zugegeben, die Arbeit nimmt mich schon ziemlich stark in Anspruch", gesteht Jasmin. "Als Berufsanfänger braucht man eben für alles ein bisschen länger, da die notwendige Erfahrung und Routine fehlt. Viel Zeit beansprucht in den ersten Monaten auch die Einarbeitung in die vom Vorgänger übernommenen Verfahren. Daher hat man gut zu tun, wenn man den Stand des Referats so halten will, wie man ihn übernommen hat. Von Monat zu Monat wird es aber merklich besser. Aber das ist am Anfang schließlich normal", sagt Jasmin souverän und wirkt damit nicht weniger ehrwürdig als ihre alteingesessenen Kollegen. "Alles in allem ist es am Anfang ziemlich anstrengend und stressig, aber das ist eine Herausforderung, der mich gerne gestellt habe", sagt sie und fügt lächelnd hinzu: "Und jeden Tag erneut stelle."

Dabei sind die beiden jungen Frauen auch nicht ganz auf sich allein gestellt. "Kollegen, die schon länger in der Abteilung arbeiten, helfen mir sehr viel", sagt Andrea. "Wenn ich eine Frage habe, stehen mir alle Türen offen. Gerade am Anfang war die Unterstützung der Kollegen sehr wichtig und extrem hilfreich. Sonst kommt man mit der Aktenarbeit nicht nach. Tipps und Ratschläge nehme ich natürlich gerne an. Aber mit der Zeit werden die Fragen weniger und man kann den täglichen Aktenumlauf größtenteils alleine bearbeiten." Fachliche Kompetenz, Menschenkenntnis, Flexibilität und – darüber sind sich beide einig – Entscheidungsfreude sind die persönlichen Voraussetzungen, die man mitbringen muss. Wer eine Karriere als Richter anstrebt, dem kann Jasmin Palm nur raten, dass er sich in den früheren Semestern des Studiums oder des Referendariats noch nicht so viele Gedanken über die spätere Tätigkeit machen soll. "Besser man konzentriert sich voll und ganz auf den jeweiligen Prüfungsstoff und versucht bestmöglichste Ergebnisse zu erzielen. Zu Beginn des Studiums stehen schließlich noch alle Türen offen. Je besser die Examensergebnisse, desto mehr Möglichkeiten bieten sich dann bei der Berufswahl." "Würde man am Arbeitsanfall messen, dann würde man feststellen, dass man ruhig auch mehr Richter einstellen könnte", fügt Andrea augenzwinkernd hinzu. "Darüber entscheidet jedoch der Haushaltsgesetzgeber." Beide Frauen fühlen sich auf ihrem neuen Arbeitsplatz perfekt aufgehoben. "Es gibt derzeit keinen Beruf, den ich lieber ausüben würde", sagt Jasmin Palm strahlend und blickt durch die Fenster des Justizpalasts in Nürnberg, dessen Geschichte sie durch ihre Entscheidungen und Urteile nun selbst mitschreibt. Mehr auf LTO.de: Juristenausbildung: Vier gewinnt nicht Dr. vs. LL.M.: Titelkampf mit einem klaren Unentschieden

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