Vergütungsmodelle von Anwälten

Gleichschritt und Meriten in Zeiten des Abschwungs

von Robert PeresLesedauer: 5 Minuten
Nicht zuletzt die Pleite des US-Giganten Dewey & LeBoef hat gezeigt, wohin falsch gewählte Vergütungssysteme Kanzleien bringen können. Mitten im Umbruch des weltweiten wie nationalen Anwaltsmarktes stellt sich längst nicht mehr nur die Frage, was eigentlich für die Partner gerecht ist. Welches Vergütungssystem dient eigentlich dem Mandanten?

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Wenn Rechtsanwälte sich zusammentun, um gemeinsam unter einem Kanzleinamen zu praktizieren, nennt man das gemeinhin eine Sozietät. Die älteste deutsche Rechtsanwaltssozietät, Esche Schümann Commichau, wurde 1822 von Johann Carl Knauth in Hamburg gegründet. Seit dieser Zeit stehen Sozien einer Kanzlei vor dem Problem, gemachte Gewinne gerecht unter den einzelnen Partnern zu verteilen und dabei Weiterentwicklung und Wachstum der Kanzlei im Auge zu behalten. Während Einzelanwälte und Mitglieder von Bürogemeinschaften in die eigene Kasse wirtschaften, müssen viele Unternehmen mehr Manpower für die Bearbeitung ihrer wirtschaftsrechtlichen Fragen. Sie brauchen Teams von Rechtsexperten, die arbeitsteilig operieren und Mandanten bei umfangreichen Projekten wie Unternehmenskäufen oder dem Bau von Einkaufszentren betreuen. Die einzelnen Arbeitsbeiträge können dabei völlig unterschiedlich sein hinsichtlich Qualität und Zeitaufwand. Wie grenzt man also die individuelle Leistung ab und kommt zu einer fairen Vergütung des einzelnen Partners?

Gleiche Anteile und die Nachteile von Bonussystemen

Relativ einfach ist es, nach gleichen Anteilen, also pro Kopf, zu verteilen. Diese Methode kommt typischerweise in kleineren Kanzleien zur Anwendung, insbesondere wenn die Partner in etwa gleich alt sind und einen vergleichbaren Einsatz zeigen. Das Equal Share-System ist die reinste Form der Partnervergütung und fördert die Zusammenarbeit der Partner am besten, da hierbei keine Eifersucht bezüglich Mandaten besteht oder andere "Fehlanreize" gesetzt werden. Solche Fehlanreize sind nach Auffassung von Christoph Vaagt, dem Doyen der der deutschen Kanzleiberater, Boni und andere leistungsbezogene Elemente im Vergütungsmodell: "Wer Zusammenarbeit und damit Qualität will, sollte jede Art von Boni vermeiden. Das geht aber auch mit dem Senioritätsprinzip. Der Trend geht leider in die andere Richtung, also zu individuellen Bezahlsystemen, meist auf Billable Hours oder Umsatz basierend." Beim Senioritätsprinzip, auch Lockstep genannt, handelt es sich um ein inzwischen klassisches Gewinnverteilungssystem, das der Idee folgt, dass die Partner einer Sozietät mit längerer Kanzleizugehörigkeit und Erfahrung in höherem Maße zum Erfolg beitragen und dementsprechend besser vergütet werden sollen. Sie steigen bei einer gewissen Grundzahl von Punkten auf dem Konto in die Partnerschaft ein und steigern die Zahl der Punkte mit jedem Jahr der Zugehörigkeit im Gleichschritt, also im "Lockstep".

Lockstep: Gemeinsam im Gleichschritt partizipieren

Der Wert jedes einzelnen Punktes wird dann über den Jahresüberschuss ermittelt, indem dieser durch die Anzahl aller vorhandenen Punkte geteilt wird. Dieses Prinzip hat den Vorteil, dass nicht jedes Jahr eine Bewertung der Partnerleistung erfolgen muss und somit der Verwaltungsaufwand gering ist. Erfahrene Partner partizipieren stärker, der Lockstep fördert auch die Zusammenarbeit unter den Kollegen, da der Umsatz des anderen jedem unmittelbar zugute kommt. Außerdem können Partner Managementaufgaben übernehmen, ohne finanzielle Einbußen hinnehmen zu müssen. Erfolgreiche internationale, aber auch nationale Sozietäten orientieren sich am Lockstep. Dazu gehören beispielsweise Cleary, Gottlieb, Steen & Hamilton sowie Cravath, Swaine & Moore aus den USA, aber auch die britischen Firms Slaughter & May und Linklaters. In Deutschland verkörpert die Premiumkanzlei Hengeler Müller den Idealtypus eines Lockstep-Modells. Der Erfolg eines Partners und seines Associate- Teams wirkt sich auf alle anderen Partner positiv aus. Das verhindert, dass Rechtsanwälte Mandate mit aller Macht an sich ziehen. Vielmehr werden die für den Mandatserfolg benötigten Experten mit einbezogen.

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Was macht man mit "faulen" Partnern?

Was aber tun, wenn sich einzelne Partner in diesem System zurücklehnen und sich auf den automatischen Cashflow durch das Lockstep verlassen? Für ältere Partner, die ihren Zeitaufwand zurückschrauben, haben Lockstep-Kanzleien sogenannte Plateaus eingezogen. Das heißt, es gibt eine Höchstzahl an erreichbaren Punkten. Internationale Kanzleien vergeben oft unterschiedliche Punktwerte je nach Land, um einem abweichenden Ertragsniveau Rechnung zu tragen. Aber was geschieht, wenn Partner schlecht performen? Werden diese dann aus der Partnerschaft ausgeschlossen? "Nein", meint Christoph Vaagt. "De facto haben deutsche Kanzleien anders als UK/US Firms dafür keine Prozesse, da es nicht in ihr Selbstverständnis passt und Partner dem Management diese Kompetenz auch nicht einräumen." Aled Griffiths, Chefredakteur des Fachmagazins Juve, sieht hier dagegen durchaus eine gedankliche Weiterentwicklung: "Nachdem die Schonfrist nach den großen Fusionen im Jahr 2000 vorbei war, haben viele angelsächsische Kanzleien die Leistung der Partner unter die Lupe genommen. Die Zugehörigkeit zur Equity-Riege muss man sich ständig verdienen. Dieser Ansatz ist jetzt auch bei fast allen führenden deutschen Kanzleien üblich." In seinem jüngsten Beitrag zum Thema Partnervergütung postuliert Griffiths: "Fast alle Lockstep-Kanzleien werden sich ihrer leistungsschwachen Partner entledigen oder sie weiter unten auf der Vergütungsskala platzieren." Allerdings schränkt er dahingehend ein, dass "diese Maßnahmen nur selten angewandt werden müssen."

Vergütung nach Meriten

Gegenentwürfe zum Lockstep sind beitragsorientierte Modelle, bei denen die individuelle Leistung und der Ertrag des einzelnen Partners seine Kompensation bestimmen. Hier kommt man dann wieder ein bisschen zur alten Bürogemeinschaft zurück, wo ja auch jeder nach seiner eigenen Leistung vergütet wird. Der im US-Sprachgebrauch übliche etwas martialische Ausdruck "Eat-what-you-kill" drückt ein Prinzip aus, das auf die Bostoner Kanzlei Hale & Dorr (heute WilmerHale) zurückgeht und erstmals 1940 angewendet wurde. Dieses rigide Konzept ist im Laufe der Zeit angepasst worden und wird heute als "modifiziertes Hale & Dorr" oder "Merit-based"-System bezeichnet. Hier ist der Verteilungsschlüssel an bestimmte Funktionen gebunden, die im Laufe eines Mandats von Bedeutung sind. Für die Anwerbung des Mandats gibt es üblicherweise zehn Prozent, die Betreuung des Mandanten wird  mit 20 Prozent vergütet, die konkrete Bearbeitung des Mandats mit 60 Prozent. Die fehlenden zehn Prozent werden für nicht abrechnungsfähige (non-billable) Tätigkeiten verwendet, beispielsweise im Recruiting oder Kanzleimanagement.

Welches System dient dem Mandanten?

Die reine Lehre von Lockstep- oder Merit-based-System findet man heute allerdings bei kaum einer der großen Sozietäten. Üblicherweise herrschen Mischformen vor, die mit mehreren Verteilungsprinzipien arbeiten, um eine gerechte Vergütung und zufriedene Partner zu erreichen. Wie aber steht es mit der Zufriedenheit der Mandanten? Welches System ist für sie besser?
Kanzleiberater Vaagt hält Lockstep-Systeme für strategiefähiger: "Dann ist Zusammenarbeit gegeben ohne Frage nach dem persönlichen Benefit. Merit-based Kanzleien haben die Tendenz, Generalisten zu kreieren, die glauben, alles zu können, um den Umsatz selber zu machen. Für den Mandanten produziert das im Endeffekt kein optimales Resultat." Juve-Chefredakteur Aled Griffiths geht nicht davon aus, dass ein bestimmtes Vergütungssystem per se Vor- oder Nachteile für den Mandanten hat. "Es geht vielmehr darum, ob die Arbeit an die richtige Stelle innerhalb der Kanzlei verteilt wird. Dafür muss ein gutes Kanzleimanagement sorgen. Sowohl Lockstep- als auch Merit-Systeme können falsche Anreize schaffen, wenn sie nicht überwacht werden." Wohin ein schlechtes Kanzleimanagement führt, hat man beim Untergang der renommierten Kanzlei Dewey & LeBoeuf erleben dürfen. Diese ehedem weltweit tätige Wall Street Kanzlei scheiterte nicht zuletzt an einem Vergütungssystem, das auf exzessiven Partnerertrag ausgerichtet war. Ganz nach dem Beispiel einiger Investmentbanken, welche die Law Firm beriet, hatte Dewey & LeBoeuf garantierte siebenstellige Grundsaläre für die führenden Partner festgelegt und weitere Bonuszahlungen für besondere Leistungen. Zum Schluss implodierte die Kanzlei an diesem Finanzgebahren. Heute überziehen sich ehemalige Partner und Gläubiger mit Gerichtsprozessen.

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