Jobprofil Notar

Der Neutralität verpflichtet

von Claudia WehrleLesedauer: 5 Minuten
Schwer zu kriegen, schön zu haben: Das Notariat zählt zu den exklusivsten juristischen Berufsbildern, selbst mit Doppelprädikat ist hier keine Stelle garantiert. Doch was macht ein Notar eigentlich den lieben, langen Tag, welche Unterschiede gibt es zwischen den Bundesländern, und ist der alte Spruch von der "Lizenz zum Gelddrucken" wirklich berechtigt? Claudia Wehrle hat nachgefragt.

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Dass sie einmal als Notarin arbeiten würde, hätte sich Dr. Julia Wulf zu Beginn ihrer Karriere nicht vorstellen können. Doch die Frankfurter Rechtsanwältin, Partnerin der Kanzlei TaylorWessing, bereut diesen Schritt nicht. "Es ist eine ungemein vielfältige Tätigkeit", schwärmt sie. Schließlich geht es ja nicht nur um das Beglaubigen von Zeugnissen oder Beurkunden von Rechtsgeschäften. "Ich kann als Notarin auch beratend tätig sein." Inhaltlich gilt es, ein weites Spektrum zu bedienen: Die Gestaltung und Ausarbeitung von Verträgen gehört dabei genauso zum Berufsalltag wie die anschließende Abwicklung der Geschäfte. Thematische Schwerpunkte bilden das Familien- und Erbrecht, sowie das Immobiliar- und Gesellschaftsrecht. "Dem immer gerecht zu werden, ist eine große Herausforderung."

Der kleine, aber feine Unterschied

In Deutschland gibt es Notare, die ihr Amt hauptberuflich ausüben, und solche, die nebenher als Anwälte tätig sind. Anwaltsnotare, zu denen auch Dr. Julia Wulf gehört, bilden beispielsweise in Hessen die Norm. In Baden-Württemberg gibt es derzeit noch beide Formen, wobei bis 2018 ein Wechsel zum Nur-Notariat geplant ist. In den neuen Bundesländern werden ausschließlich hauptberufliche Notare berufen. Die Unterscheidung hat historische Gründe, erklärt Dr. Andreas Brandt von der Bundesnotarkammer. "Im Prinzip gibt es überall dort, wo einst Napoleon mit seinen Truppen durchzog, das hauptberufliche Notariat." Den Nur- und den Anwaltsnotar treffen zwar die gleichen Aufgaben und Pflichten, doch der Weg in den Beruf unterscheidet sich erheblich. Zum hauptberuflichen Notar wird in der Regel nur bestellt, wer das zweite juristische Staatsexamen mit (zweistelligem) Prädikat oder besser bestanden und danach als Notarassessor eine entsprechende Anwärterzeit durchlaufen hat. Wer Anwaltsnotar werden will, muss seit mindestens fünf Jahren als Rechtsanwalt zugelassen sein und darüber hinaus drei Jahre lang ohne Unterbrechung in dem in Aussicht genommenen Amtsbezirk hauptberuflich als Anwalt gearbeitet haben. Danach folgt die notarielle Fachprüfung. "Interessenskonflikte gibt es eigentlich nicht", sagt Wulf aus eigener Erfahrung, "denn die Auflagen sind streng." So darf ein Anwaltsnotar in keiner Angelegenheit als Notar arbeiten, in der er oder ein anderer Anwalt seiner Kanzlei bereits als Rechtsanwalt tätig war. Auch darf er nicht für die Partner oder Angestellten der eigenen Kanzlei aktiv werden.

Nicht jeder gute Anwalt ist ein guter Notar

Der Wechsel ins Anwaltsnotariat will jedoch gut bedacht sein, denn der Erfolg im neuen Beruf setzt neue Qualifikationen voraus – nicht nur fachlicher Natur. "Ein Notar muss geduldig sein, gut zuhören und erklären können", findet Wulf. Es ist auch viel Psychologie im Spiel, "denn oft muss ich erst einmal herausfinden, worauf es den Menschen überhaupt ankommt, die zu mir kommen." Nicht jeder, der eine Immobilie kauft oder einen Erbvertrag ausarbeiten lassen möchte, ist in rechtlichen Fragen gut bewandert. Menschenkenntnis und Einfühlungsvermögen spielen daher im Umgang mit den Kunden eine zentrale Rolle. Den Beruf eines Notars in kurzen, knappen Worten zu umschreiben, fällt schwer. Er ist Vermittler. Er ist aber auch jemand, der Verträge ausarbeitet und daher eine aktive, gestalterische Rolle innehat. Für Andreas Brandt von der Bundesnotarkammer ist Neutralität ein weiteres wichtiges Stichwort. Ein Notar muss beide Parteien beraten, ohne sich auf die eine oder die andere Seite zu schlagen. Sich für einen Mandanten einzusetzen oder gar für dessen Rechte zu kämpfen, wie dies ein guter Anwalt tun würde, ist ihm untersagt. Und es gibt noch einen weiteren, großen Unterschied. Während der Rechtsanwalt in vielen Fällen erst dann tätig wird, wenn "das Kind in den Brunnen gefallen ist", arbeitet der Notar bereits im Vorfeld. "Ich muss über Dinge nachdenken, die noch nicht passiert sind, die aber eintreten könnten", sagt Brandt. "Und darin liegt für mich ein großer Reiz."

Die Lizenz zum Gelddrucken?

Einen ganz anderen Reiz übt das Notariat oftmals auf Studenten und Referendare aus, die hoffen, später in diesem Beruf unterzukommen. Gemeinhin genießt die notarielle Tätigkeit den Ruf, bei geringem Arbeitsaufwand beträchtliche Summen in die Kasse zu spülen. Eine gesetzlich garantierte Kundschaft, keinerlei Preiskampf mit der (spärlich vorhandenen) Konkurrenz und fürstliche Gebührensätze für die Beglaubigung von Schriftstücken und die Verwendung von vorformulierten Textbausteinen aus dem Handbuch – was will man mehr? Dass diese Vorstellung mit der Realität nur wenig gemein hat, sollte kaum überraschen. "Ich weiß nicht, ob es einmal eine Zeit gab, in der die Bedingungen wirklich so rosig waren, aber falls ja, ist sie seit Langem vorbei", kommentiert Jutta Wagner, Fachanwältin für Familienrecht und Notarin in Berlin. Im Gegenteil: Zunächst einmal kostet das Notariat bares Geld, in Form einer zeitintensiven Ausbildung, Kammer- und Versicherungsbeiträgen. Und auch einen Konkurrenzkampf gibt es. Dieser wird zwar nicht über die Preise geführt, welche gesetzlich fixiert und nicht verhandelbar sind, doch es gibt andere Kriterien, mit denen manche Notarbüros sich von anderen abheben können. "Die Intensität der Betreuung, die Schnelligkeit der Bearbeitung und das Engagement bei der Abwicklung – das sind alles Aspekte, die ein Angebot attraktiver oder weniger attraktiv machen", erläutert Wagner. "Daneben spielt auch die Kundenbindung eine Rolle. Es gibt zum Beispiel Bauträger, die ihre Grundstücksgeschäfte immer über denselben Notar abwickeln. Wenn ein Käufer dann lieber zu einem anderen gehen möchte, kann das schon einmal zu offenen Auseinandersetzungen führen." Nicht zuletzt ist das Einkommen, mit dem man als Notar rechnen kann, auch eine Standortfrage. "Es macht durchaus einen Unterschied, ob Sie in München, am Starnberger See oder irgendwo auf dem Land praktizieren", erläutert Wagner. "Je mehr wirtschaftliche Aktivität und traditionell gewachsenen Reichtum es gibt, und je höher die Grundstückspreise sind, desto höher fallen auch Ihre Gebühren im Durchschnitt aus."

Auf Lebenszeit bestellt, aber nicht auf ewig in Amt und Würden

Doch auch losgelöst von Sonderwünschen zum Zuständigkeitsgebiet ist der Eintritt in das Notariat schwer genug. Die Zahl der Stellen in Deutschland ist beschränkt, Notarassessoren werden immer nur so viele ausgebildet, wie in den nächsten Jahren voraussichtlich benötigt werden. Zudem gibt es Altersbeschränkungen. So darf sich niemand, der älter als 60 Jahre ist, auf das Amt bewerben, und niemand es über sein 70. Lebensjahr hinaus ausüben. Für Brandt hat das ganz praktische Gründe, denn nur so könne gewährleistet werden, dass in absehbarer Zeit Stellen frei werden. "Sonst wird das Amt unattraktiv!" In Zukunft dürfte sich für die Notare in Deutschland einiges ändern. Die immer dichter werdende internationale Verflechtung und wachsende Komplexität zahlreicher Rechtsgebiete bringen stetig neue Herausforderungen mit sich. Wulf sieht das gelassen. Sie würde sich jederzeit wieder auf eine Notarstelle bewerben. "Den Kontakt mit den unterschiedlichen Menschen empfinde ich als eine große Bereicherung", sagt sie. "Auch der Zwang, komplizierte Sachverhalte mit einfachen Worten erklären zu müssen, macht für mich das Amt so reizvoll." Dass sie dabei eine große Verantwortung zu tragen hat, gehört dazu.

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