Meetingkultur in Kanzleien

"Oft wie im Kin­der­garten"

von Sabine OlschnerLesedauer: 5 Minuten
Sind Meetings sinnvoll für das Funktionieren einer Kanzlei? Oder sind sie bloße Zeitverschwendung für alle Beteiligten?

Langweilige Präsentationen, endlose Diskussionen, Fragen, die auch schnell per Mail hätten abgestimmt werden können: So manche internen Meetings sind wahrlich überflüssig und strapazieren nur unnötig die ohnehin vollen Terminkalender von Anwälten. "Zu den meisten Meetings werden viel zu viele Teilnehmer eingeladen, obwohl vielleicht ein Zweiergespräch vollkommen ausgereicht hätte", weiß Coach und Unternehmensberater Dr. Fabian Kratzberg. "Ein anderes häufig vorkommendes Problem sind Meetings ohne Moderator. Wenn keiner da ist, der Aufsicht führt, enden die Treffen oft wie in einem Kindergarten: Alle sprechen durcheinander, es kommt zu keiner Lösung." Aus diesen Gründen plädiert Kratzberg vielerorts für eine Veränderung der Meetingkultur: "Am besten ist es, wenn eine Kanzlei den Ablauf von Meetings einmal schriftlich für alle festhält: Zu welchen Anlässen sind Meetings angebracht? Wer soll teilnehmen? Wie laufen sie ab?"

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Vorbereiten, nachbereiten, veröffentlichen

Eine Kanzlei, bei der die Meetingkultur auf soliden Füßen steht, ist P+P Pöllath + Partners. Nadine Ackermann, verantwortlich für das Business Development sowie die interne und externe Kommunikation, hält hier manche Fäden zusammen. "Bei allen großen Treffen der Berufsträger bin ich standortübergreifend dabei", berichtet Nadine Ackermann. "Ich weiß also jederzeit, worüber auf den Meetings gesprochen wurde, kann Erfahrungswerte und Ideen anderer Standorte direkt in die Diskussion einfließen lassen und bei Bedarf auch einzelne Themen wieder in andere Gruppen der Kanzlei hineintragen." Damit die Meetings strukturiert ablaufen, gibt es an jedem Standort ein bis zwei Koordinatoren, die die Treffen vorbereiten: Sie erstellen einen Agenda-Entwurf, der den Teilnehmern vorab zugesandt wird. Diese können dann weitere Themen ergänzen. Während der Sitzungen werden die Ergebnisse protokolliert und anschließend für alle zugänglich ins Intranet gestellt. Der erste Tagesordnungspunkt auf der Agenda ist meist die Nachlese des letzten Meetings. So kann nachvollzogen werden, wie weit die zuletzt besprochenen Themen zwischenzeitlich fortgeschritten sind oder bereits umgesetzt wurden. "Durch diese drei Schritte – vorbereiten, nachbereiten und Ergebnisse transparent machen – wird gewährleistet, dass Meetings konstruktiv ablaufen und die Zeit effizient genutzt wird. Auf diese Weise sind schon viele neue Projekte und Verbesserungen entstanden", fasst Nadine Ackermann zusammen.

Persönliche Treffen bleiben wichtig

Ähnlich läuft es bei Hogan Lovells ab. Katja Waschinski, Leiterin Marketing & Business Development, vernetzt ebenfalls die unterschiedlichen Kreise in der Kanzlei und sorgt so für den effizienten Informationsfluss. "Da wir eine internationale Kanzlei sind, finden viele unserer Meetings über die Online-Anwendung Skype for Business statt", erzählt Katja Waschinski. "Damit können wir gemeinsam ortsübergreifend in Echtzeit an Dokumenten arbeiten und uns auch aus der Ferne sehen." Physische Treffen seien aber nach wie vor wichtig für die Kommunikation, betont die Marketingleiterin. "Denn da herrscht eine andere Atmosphäre als bei virtuellen Treffen per Video und es kommt im Raum zu einer ganz anderen Dynamik." Bei Mandantengesprächen überwiegen nach wie vor die persönlichen Treffen, aber aus Zeit- und Kostengründen setzt Hogan Lovells auch hier verstärkt Skype-Meetings ein. "Die Grundvoraussetzung für ein Meeting ist eine Agenda, auf der nicht nur die Themen, sondern auch die Zeit für die einzelnen Tagesordnungspunkte festgelegt werden", berichtet Katja Waschinski. "Wir setzen lieber einen neuen Termin an, als die Zeit zu überziehen, denn jeder von uns hat einen eng getakteten Terminkalender." Ein Timekeeper sorgt während des Meetings dafür, dass konzentriert ein Thema besprochen wird. Für kleinere Projekte wird maximal eine Stunde für die Treffen angesetzt, größere Themen können auch mal einen halben Tag beanspruchen. "Der Höchstgestellte eines Treffens entscheidet, wer alles dabei sein soll, sodass keiner überflüssigerweise seine Zeit opfern muss", so die Marketingleiterin weiter. Dabei bleiben auch mögliche Querulanten nicht außen vor. "Auch wenn man im Vorhinein weiß, dass sie einem Projekt widersprechen werden, ist es wichtig, sie zu den Meetings einzuladen, um ihre Bedenken auszuräumen. 'Straight Talk' – sagen, was man denkt – lautet unsere Devise für das Miteinander in der Kanzlei." Katja Waschinski hat vor ihrem Start in der Kanzlei in einem Wirtschaftsunternehmen gearbeitet und kennt die Unterschiede zwischen den Meetingkulturen: "In der Industrie entscheidet meist nur eine kleine Gruppe über wichtige Themen. Bei uns reden wir das ganze Jahr über in den unterschiedlichsten Gruppen über Entscheidungen, die getroffen werden müssen. So sorgen wir für größtmögliche Transparenz."

Machtfaktor als Problem

Den Machtfaktor sieht Unternehmensberater Fabian Kratzberg als einen Problempunkt in der Meetingkultur: "Manche missbrauchen Meetings, um ihre Macht zu demonstrieren", so seine Beobachtung. "Sie erscheinen gezielt zu spät und lassen die Teilnehmer warten, was meist ein schlechter Start für einen konstruktiven Austausch ist." Andere laden bewusst für das Projekt wichtige Mitarbeiter nicht zu den Meetings ein und werten dadurch deren Person ab. Oder es werden zu viele eingeladen: "Wer merkt, dass er eigentlich gar nichts zum Thema des Meetings beitragen, sollte möglichst schon vorher absagen, um weder seine Zeit noch die der Kollegen unnötig zu verschwenden", so sein Tipp. Besonders effizient müssen Meetings geplant werden, wenn sie über mehrere Zeitzonen hinweg stattfinden. So ist es der Fall bei der Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum Partnerschaft. Arno Lampmann arbeitet den Großteil seiner Zeit in den USA, während seine Kollegen in Köln tätig sind. "Wegen der engen Zeitfenster, die sich dadurch ergeben, bereiten wir unsere Gespräche immer besonders gut vor", berichtet Lampmann. "Kaum Smalltalk, gutes Timing – was wir nicht schaffen, regeln wir später per Mail." Wenn der Anwalt mal in Köln ist, nutzt er die Meetingzeit in seiner Kanzlei am liebsten für Workshops mit den Mitarbeitern, aus denen sich oft interessante Themen ergeben. "Bisher klappt der schnelle Austausch über Skype, WhatsApp oder Mail zwischen den drei Partnern der Kanzlei über den Atlantik hinweg noch ganz gut", fasst Lampmann zusammen. "Wenn unsere Kanzlei größer wird, müssen wir uns vielleicht auch mal über eine strukturiertere Meetingkultur Gedanken machen." Grundsätzlich sieht Nadine Ackermann von P+P Meetings als ein wichtiges Tool für die interne Mitgestaltung und Mitbestimmung an. "In den Meetings geben wir allen Mitarbeitern die Möglichkeit, sich einzubringen. Manche zunächst vage Idee bekommt in der Runde plötzlich eine Struktur." Eine gute Meetingkultur schlägt sich auch in der Mitarbeiterzufriedenheit nieder, beobachtet Nadine Ackermann: "Umfragen zeigen, dass wir uns über eine erfreulich hohe Zufriedenheit unserer Berufsträger glücklich schätzen dürfen."

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