AGH NRW zum Elektronischen Anwaltspostfach

Alle zahlen mit

von Martin W. HuffLesedauer: 4 Minuten
Die Einführung des elektronischen Anwaltspostfachs kostet Geld. Viel Geld, das über die regionalen Kammern auf die Mitglieder umlegt werden soll. Das ist rechtens, urteilte der Anwaltsgerichtshof NRW.

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) arbeitet mit Hochdruck an der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zur Einführung des besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA). Grundlage der neuen Technologie  ist das 2013 beschlossene Gesetz zur "Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten". In § 31a Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) hat der Gesetzgeber das "besondere elektronische Anwaltspostfach" geschaffen, das die BRAK bis zum Januar 2016 für jeden Rechtsanwalt zur Verfügung stellen muss. Der Gesetzgeber hat damit eine neue Aufgabe für die BRAK definiert, die in § 177 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ausdrücklich geregelt wurde. Mit dem beA  soll die Kommunikation nur noch elektronisch stattfinden, und zwar  bis spätestens zum Januar 2022 verpflichtend für Anwälte und Gerichte. Doch für die Entwicklung und den Betrieb entstehen der BRAK  ganz erhebliche  Kosten. Daher haben die Mitglieder auf den Hauptversammlungen 2014 und 2015 beschlossen, für die Jahre 2014/2015 einen Betrag von 63 Euro und für 2016 einen Betrag von 67 Euro für jedes Mitglied der regionalen Kammern zu erheben und diese Beträge von den Kammern einzuziehen. Rechtsgrundlage dafür ist der § 178 BRAO.

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Kammern legen die Kosten um

Gesagt, getan: Die 27 regionalen Rechtsanwaltskammern setzen die Erhebung der Beiträge um - nur mit unterschiedlichen Methoden. Wohl die Mehrheit der Kammern rechnet die Beiträge für das beA in den normalen Kammerbeitrag hinein. Einige Kammern haben dabei im Jahr 2015 nicht die gesamten 63 Euro an die Mitglieder weitergegeben, sondern zudem auf ihre Rücklagen zugegriffen. Andere Kammern erheben eine eigene Umlage von ihren Mitgliedern für die konkreten Kosten des beA. Diesen Weg ist auch die Rechtsanwaltskammer Hamm gegangen. Allerdings klagte ein Kammermitglied gegen den Umlagebescheid für die Jahre 2014/2015 mit Erhebung der 63 Euro. Der Anwaltsgerichtshof (AGH) für das Land Nordrhein-Westfalen in Hamm wies die Klage jetzt ab (Urt. v. 08.05.2015, Az. 1 AGH 5/15). Für die Umlage gebe es eine ausreichende Rechtsgrundlage, nach der die Kammer die von der Hauptversammlung der BRAK beschlossenen Kosten auf ihre Mitglieder umlegen darf, entschieden die Richter.

Kein Eingriff in die Berufsfreiheit

In seiner Begründung legt der Senat dar, dass es sich bei der Schaffung des beA um eine zwingende gesetzliche Aufgabe der BRAK handele. Die Einführung der Vorschriften in der BRAO diene dazu, die Anwaltschaft in die Lage zu versetzen, an dem elektronischen Rechtsverkehr formgerecht teilnehmen zu können. Der AGH teilt auch die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers nicht. Dieser sah sich in seiner Berufsausübungsfreiheit  nach Art. 12 Grundgesetz beschränkt. Hier lägen, so die Richter, deutlich überwiegende Gründe des Allgemeinwohls vor, die eine eventuelle Einschränkung der Anwaltstätigkeit gestatteten. Auch seien die Kosten überschaubar, denen zudem ein nicht unerhebliches Einsparpotential in der Zukunft gegenüberstehe. Die Berechnung der Kosten von 63 Euro für die Jahre 2014/2015 durch die BRAK sei nachvollziehbar und durch die Ermächtigungsgrundlage in der BRAO gedeckt. Eine "schöngerechnete Kalkulation", wie der Kläger vorgetragen hatte, konnte der Senat nicht erkennen.

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2/2: Alle müssen zahlen

Auch die Argumentation des Klägers, dass die Kosten jetzt für eine Zeit in der Zukunft erhoben werden, von der nicht mehr alle Anwälte profitieren könnten, sah der Senat nicht als stichhaltig an. Die Kosten seien dann zu erheben, wenn sie entstehen. Auch die Wahl der Festsetzung durch eine eigene Umlage neben dem Kammerbeitrag hielt der AGH für zulässig. Die Kammerversammlung sei in ihren Beschlüssen frei, welchen Weg der Finanzierung sie wähle. Zweckmäßigkeitserwägungen dürfe der Senat nicht anstellen, dafür sei der Ermessensspielraum der Kammerversammlung als zuständiges Organ der Kammer zu groß. Schließlich sei aufgrund der Regelung des § 83 BRAO die Schatzmeisterin der Kammer auch berechtigt gewesen, den Beitragsbescheid zu unterschreiben, so der Senat. Das  auch in der Form der eingescannten Unterschrift, das ergebe sich aus § 37 VwVfG. Eine eigenhändige Unterschrift sei nicht notwendig, was bei gut 13.000 Kammermitgliedern in Hamm auch für die Schatzmeisterin nicht zu leisten wäre.

Erhebliches Einsparpotenzial

Der AGH hat somit ein großes Stück Rechtsicherheit geschaffen. Allerdings hat er die Berufung zugelassen, so dass sich unter Umständen auch der Anwaltssenat des BGH noch mit diesen Fragen wird befassen müssen. In Nordrhein-Westfalen hat der Justizminister Thomas Kutschaty vor wenigen Tagen in Köln in Aussicht gestellt, dass die Justiz in NRW bereits ab 2018 den elektronischen Rechtsverkehr ermöglichen werde. Zur Vorbereitung und Koordination sei beim Oberlandesgericht (OLG) Köln eine IT-Abteilung geschaffen worden, die von einem eigens ernannten OLG-Vizepräsidenten geleitet werde. Er sehe eigentlich nur Vorteile für Justiz und Anwaltschaft. Diese Auffassung teilen die meisten Rechtsanwälte, die sich intensiv mit dem Thema befasst haben. Sie sehen auf Dauer ein erhebliches Einsparpotenzial bei den Portokosten, aber insbesondere auch bei den Personalaufwendungen. Gerade die Korrespondenz an Gerichten und zwischen den Anwälten wird viel einfacher und schneller gehen als bisher. Das beA wird sich schnell für jeden Rechtsanwalt rechnen – wenn es denn erst einmal eingerichtet ist und läuft. Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt in der Kanzlei LegerlotzLaschet (LLR) in Köln und Lehrbeauftragter für Medienrecht an der Fachhochschule Köln. Er bildet seit langem Pressesprecher der Justiz aus.

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