Untersuchung zu Mandantenkommunikation

"Anwälten fällt es schwer, über Geld zu sprechen"

von Elke SpannerLesedauer: 4 Minuten
Mandantengespräche sind streng vertraulich. Die Sprachwissenschaftlerin Ina Pick aber durfte für ihre Dissertation 90 Gespräche aufzeichnen und analysieren.  Anwälte, so ihr Fazit, haben Probleme mit ihrer Doppelrolle als Berater und Dienstleister – gerade in eigener Sache fällt ihnen das Verhandeln schwer.

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LTO: Frau Pick, die Sprache der Juristen gilt als sperrig, spröde, kompliziert. Wieso haben Sie ausgerechnet darüber promoviert? Pick: Die Juristensprache ist natürlich nicht gerade für ihre Schönheit bekannt. Die meisten juristischen Berufe sind aber sehr sprach- und kommunikationsintensiv. Da liegt eine Verbindung zur Sprachwissenschaft nahe. Kommunikation gilt seit einigen Jahren sogar als Schlüsselkompetenz für Juristen und wird an der Uni gelehrt. Dennoch gibt es aus sprachwissenschaftlicher Sicht kaum Erkenntnisse. LTO: Und warum gerade Mandantengespräche? Pick: Anwälte bilden immerhin die größte Berufsgruppe unter den Juristen. Ich habe untersucht, wie die Gespräche mit Mandanten ablaufen und welche Probleme typischerweise auftreten. LTO: Und welche wären das? Pick: Eine Besonderheit des Mandantengespräches ist es, dass der Anwalt in einer Doppelrolle agiert: Einerseits ist er Berater und ganz auf der Seite seines Mandanten. Auf der anderen Seite muss er eine Dienstleistung verkaufen. Zwischen diesen Rollen hin und her zu wechseln ist schwierig und behindert viele Gespräche.

"Fachterminologie ist das geringere Problem"

LTO: Inwiefern? Pick: Die Doppelrolle führt dazu, dass ein und dieselbe Äußerung mehrere Bedeutungen haben kann. Nehmen wir zum Beispiel ein Scheidungsverfahren. Rät der Anwalt seiner Mandantin, einen Brief an den Exmann zu verfassen, ist es nicht unüblich, dass er diesen während des Gespräches auch gleich in seinen Computer tippt. Für den Anwalt liegt darin das Angebot einer Dienstleistung, nämlich den Brief zu verfassen. Die Mandantin aber glaubt vielleicht, der Anwalt habe den Text im Rahmen der Erstberatung geschrieben, und wundert sich später über die Rechnung.  Auf der anderen Seite kann es genauso passieren, dass nicht klar besprochen wird, wer den Brief schreibt: Der Anwalt oder die Mandantin. LTO: So dass er im Ergebnis gar nicht geschrieben wird? Pick: Das kann passieren. Die Grenze zwischen Rat und Angebot ist oft nicht eindeutig.  Als Berater handelt der Anwalt voll im Interesse des Mandanten. Dann plötzlich als Verkäufer aufzutreten, fällt vielen Anwälten schwer. LTO: Das Problem in der Kommunikation ist also weniger die Fachsprache als das Gesprächsverhalten? Pick: Die Fachterminologie habe ich tatsächlich weniger als Problem erlebt. Zwar gibt es auch hier ein paar Tücken, aber meistens können Anwälte damit gut umgehen. Außerdem können die Mandanten gezielt nachfragen, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Problematischer ist, dass die Ziele des Mandates oft nicht klar vereinbart und Kosten nur knapp benannt werden. LTO: Fällt es Anwälten schwer, über Geld zu sprechen? Pick: Viele Anwälte fürchten, dass Mandanten über ihr Honorar verhandeln wollen, und leiten das Thema Geld deshalb erst sehr spät und umständlich ein. Häufig verlängern sie dadurch auch das Gespräch.

"Kommunikationsprobleme schlagen sich manifest nieder"

LTO: Dabei ist Verhandeln das originäre Handwerk der Juristen. Warum fällt es ihnen in eigener Sache so schwer? Pick: Dass Anwälte nur schwer über die Kosten sprechen können, liegt zum Teil sicher auch an ihrem Rollenkonflikt. Und an ihrem Berufsethos: Früher war die Abrechnung streng nach Gebührenordnung noch sehr viel weiter verbreitet. Sie begreifen sich noch nicht so lange als Dienstleister, die über ihr Honorar auch verhandeln können.   LTO: Ist es eher ein atmosphärisches Problem, dass die Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant schwierig ist, oder hat das handfeste Folgen für den Verlauf des Mandates? Pick: Das schlägt sich ganz manifest nieder. Die Gespräche sind unnötig lang und drehen viele Schleifen. Manchmal kommen die Mandanten nach der Erstberatung gar nicht wieder, obwohl sie durchaus Aussicht auf Erfolg gehabt hätten. Oder der Anwalt arbeitet auf ein Ziel hin, das für den Mandanten keine Priorität hatte. Ein Anwalt berichtete zum Beispiel über einen Fall, in dem er den Mandanten vor dem Entzug der Fahrerlaubnis bewahrt und stattdessen eine Geldstrafe bewirkt hatte. Das war ein echter Erfolg – der Mandant aber war enttäuscht. Die Geldstrafe, sagte er im Nachhinein, sei eine viel härtere Strafe für ihn. Über das Ziel wurde vorher aber nie wirklich gesprochen. LTO: Mandantengespräche sind streng vertraulich. Sie aber durften per Tonbandaufzeichnung mithören. Welches Interesse hatten eigentlich die Anwälte daran, Ihnen das zu gestatten? Pick: Sie hatten selbst schon ein gewisses Problembewusstsein und wollten erfahren, woran es liegt, dass sie oft mit gemischten Gefühlen aus einem Mandantengespräch gekommen sind. LTO: Wenn das Problembewusstsein vorhanden ist, sind die Anwälte schon auf einem guten Weg. Oder? Pick: Ja, aber der ist noch lang. An den Universitäten ist das Thema in der Forschung nicht verankert, es sind meist Anwälte, die Seminare zur Schlüsselqualifikation Kommunikation geben. Die werden aber nicht von sonderlich vielen Studenten besucht. Im Studium gibt es doch andere Prioritäten. Ina Pick hat allgemeine und angewandte Sprachwissenschaft studiert und mit einer Arbeit zum Kommunikationsverhalten in der anwaltlichen Erstberatung promoviert. Das Interview führte Elke Spanner.

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