Pro Bono

Rechts­be­ra­tung für einen guten Zweck

von Jens KahrmannLesedauer: 4 Minuten
Guter Rechtsrat ist nicht nur kostbar, sondern auch kostspielig. Darunter leiden jene, die wichtige Anliegen, aber wenig Geld haben. Das anwaltliche Berufsrecht setzt einer selbstlosen anwaltlichen Hilfestellung aber enge Grenzen. Trotzdem werden viele Kanzleien auch kostenlos tätig. Das ist gut so – auch wenn es mit reinem Altruismus nicht viel zu tun hat.

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Pro Bono Publico – damit schmücken sich neuerdings auch in Deutschland Anwaltskanzleien gerne. Der Begriff stammt aus dem anglo-amerikanischen Raum und meint die kostenlose anwaltliche Tätigkeit für das öffentliche Wohl. In den Vereinigten Staaten sind Pro Bono-Mandate ein sehr wichtiges Betätigungsfeld der großen Law Firms, die regelrecht um öffentlichkeitswirksame Gratismandate mit entsprechendem Medienecho buhlen. Dass Pro Bono in den USA eine große Rolle spielt, ist recht einfach zu erklären. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten gewährt seinen Bürgern nämlich keine Prozesskostenhilfe und Rechtsschutzversicherungen sind ebenfalls unbekannt.

Zwei Drittel der Anwälte verzichten regelmäßig auf Honorar

In Deutschland sieht es, dem Sozialstaatsprinzip sei Dank, anders aus. Doch gerade gemeinnützig tätige Vereine – wie juristische Personen überhaupt – haben praktisch keine Möglichkeit, an Prozesskostenhilfe zu kommen. Daher gibt es auch hierzulande Advokaten, die kostenlos tätig werden – und zwar mehr als man denkt. Für sein Berufsbarometer 2011 fragte das Soldan Institut für Anwaltmanagement Rechtsanwälte, ob und in welchem Maße sie Pro Bono Mandate übernehmen. Das Ergebnis: Fast zwei Drittel der Advokaten verzichten auf ihr Honorar – im Schnitt etwa neunmal pro Jahr. Jüngere Rechtsanwälte seltener als Berufserfahrene und Sozitäten öfter als der Einzelanwälte. Dabei ist die Pro Bono-Tätigkeit rechtlich nicht unproblematisch: § 48b der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) verbietet es nämlich, im Vorhinein geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren oder zu fordern, als das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) vorsieht. Auf den noch recht jungen § 6 des Rechtsdienstleistungsgesetzes, wonach jedermann kostenlose Rechtsberatung erteilen kann, kann sich ein Anwalt nicht berufen. Er ist schließlich nicht jedermann. Bleibt nur eine teleologische Reduktion des § 48b BRAO. Die ist bislang allerdings nicht richterlich abgesegnet. Viele Anwälte fordern daher eine Lockerung des Berufsrechts. Rechtsanwalt Udo Henke, Geschäftsführer des Deutschen Anwaltvereins, warnt dagegen vor einem Bumerang-Effekt: "Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts sieht erhebliche Kürzungen der staatlichen Hilfen im Rechtsschutz vor – legalisiert aber andererseits Pro Bono-Tätigkeiten in Beratungshilfefällen. Ich sehe die Gefahr, dass sich der Staat hier zurückziehen und stattdessen auf Pro Bono setzen will. Dann fällt die Forderung auf die Anwälte zurück."

Großkanzlei: "Wir unterstützen gemeinnützige Organisationen"

Die Großkanzlei Hengeler Mueller wird – wie fast alle namhaften Kanzleien – auch ohne Honorar tätig. An die große Glocke hängt die Kanzlei ihr Engagement allerdings nicht. Auf der Homepage sind lediglich einige Beispiele zu lesen, etwa die unentgeltliche Beratung des Kinderhospiz Sternenzelt Mainfranken zu Fragen der Rechtsform und steuerlichen Bedingungen. "Dass wir so wenig damit werben liegt auch daran, dass die berufsrechtlichen Fragen der pro bono-Tätigkeit nicht geklärt sind", sagt Joachim Rosengarten, Partner bei Hengeler Mueller. Das Konzept stößt allerdings auf Gefallen und so engagiert sich die Kanzlei auch im Verein Pro Bono Deutschland, der mehrere dutzend Großkanzleien unter seinem Dach mit dem Ziel vereint, die kostenfreie Anwaltsberatung zu fördern. "Es gibt eine interne Policy", erklärt Rosengarten auf die Frage, nach welchen Kriterien die kostenfreien Mandate ausgewählt würden. "In erster Linie unterstützen wir auf diesem Wege gemeinnützige Organisationen – im Einzelfall aber auch Einzelpersonen, die andernfalls unser Honorar nicht begleichen könnten."

Auch Einzelanwälte beraten kostenlos

Gemeinnützige Beratung nicht nur ein Thema für Großkanzleien ist, beweist Rechtsanwalt Michael C. Neubert aus Chemnitz, der ebenfalls kostenlos berät. Auf seiner Internetseite ruft er sogar dazu auf, ihm geeignete Mandate mitzuteilen. Anders als man vermuten würde kommen auf diesem Weg aber keine Mandate herein. "Die Pro Bono-Fälle ergeben sich eher im Verlaufe der Beratungsgespräche", sagt Neubert. Der Chemnitzer Anwalt hielt sich selbst längere Zeit in den USA auf und kennt das Konzept von dort. Dass es hierzulande kein großes Thema ist und Kanzleien oft nicht groß damit werben, liege an der Beratungshilfe, die Bedürftige in Deutschland beantragen können: "Rechtsanwälte werden ohnehin in großem Stil durch die Beratungshilfemandate praktisch Pro Bono tätig, da die staatlichen Leistungen dafür regelmäßig nicht kostendeckend sind." Gefragt nach einem Beispiel für von ihm kostenlos übernommene Mandate, erinnert sich Neubert an die Beratung eines Kinderheims: "Das hat Spaß gemacht – außerdem habe ich dabei die Kinder kennengelernt und deren Probleme."

Pro Bono ist Win-Win

So wichtig die kostenlose Arbeit von Rechtsanwälten für manche Organisationen auch ist – mit purer Wohltätigkeit hat sie meist nicht viel gemein. Zwar spricht der Rechtsanwalt Matthias Koch von Hogan Lovells im Interview mit dem Blog anwaltskommunikation von "ehrlichem Engagement ohne Hintergedanken". Doch recherchiert man weiter, stößt man auf Termini wie Corporate Identity oder Corporate Social Responsibility, soziale Vernetzung und die Steigerung des Zufriedenheitsgefühls der beteiligten Rechtsanwälte. Michael Neumann aus Chemnitz nennt unverhohlen den Werbeeffekt, den Pro Bono-Mandate nun einmal mit sich brächten, und Rosengarten betont, dass großen Wirtschaftskanzleien kostenfreie Rechtshilfe gut zu Gesicht stünde. Vielleicht stimmt ja, was Friedrich Nietzsche einst postulierte: Alle Handlungen, die anderen zu Gute kommen sollen, werden in Wirklichkeit auch aus Eigennutz vorgenommen. Aber möchte man wirklich daran Anstoß nehmen? Spätestens seit der Werbung einer genossenschaftlichen Bankengruppe ist schließlich bekannt, dass wir alle etwas brauchen, das uns antreibt. Und vielleicht ist es ja besser, wenn man statt einem sogar zwei Gewinner hat. Dem Verein zur Rettung der Trauerseeschwalbe jedenfalls ist es vermutlich egal, warum ihm geholfen wird. Und dem Vogel sowieso.

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