Mode für Juristinnen

"Beste­hende Klei­der­re­geln char­mant hin­ter­fragen"

von Anna K. BernzenLesedauer: 4 Minuten

Getragen wurde sie schon im alten Preußen: 1726 befahl Friedrich Wilhelm I. seinen Anwälten, in Robe vor Gericht aufzutreten. Seitdem hat die Amtstracht einige optische Änderungen durchlaufen, aber an die körperlichen Proportionen der immer zahlreicher werdenden Juristinnen wurde sie nie angepasst. Zwei Unternehmerinnen wittern da eine Marktlücke - und wollen ganz nebenbei die Kleiderregeln revolutionieren.

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Mit einem Knarren öffnet sich die Tür zum Gerichtssaal. Die Kamera zoomt auf ihre Schuhe: pinke Sandalen mit Fesselriemchen und strassbesetzten Schnallen. Dann ein Schwenk auf das knallpinke Kleid: knielang, eng anliegend und mit tiefem V-Ausschnitt. Um die Taille ist eine rosafarbene Schleife gebunden, verziert mit unzähligen Glitzersteinchen. Kragen und Manschetten glänzen in dezentem rosa Satin. Die pinke Handtasche fest unter den Arm geklemmt, genießt Elle Woods ein paar Sekunden lang den verwirrten Blick der Staatsanwältin. Dann stöckelt sie selbstbewusst auf die Richterbank zu.

Laufstegreife Auftritte wie diesen der Hauptfigur aus der Jura-Komödie "Natürlich Blond" sind vor deutschen Richtern nicht nur unüblich – sie wären vor den meisten sogar verboten. Denn § 20 Satz 1 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) legt für Anwältinnen ebenso wie für deren männliche Kollegen fest: Wer vor Gericht verhandeln will, muss grundsätzlich in Robe kommen. Ginge es nach Laura Kubach, könnten Anwältinnen dabei allerdings trotzdem eine gute, weil weibliche Figur machen. Gemeinsam mit der Designerin Ulla Kraus hat die Düsseldorfer Anwältin eine Robe speziell für Frauen entworfen: die "Garde-Robe".

Fotos der Garde-Robe im Einsatz - zur Übersicht

"Man konnte sich nicht vorstellen, dass auch Frauen Robe tragen"

"Die Vorgaben für Roben, auf denen die Schnittmuster der großen Hersteller beruhen, sind mittlerweile reichlich angestaubt", findet Kubach. Gegen Mitte des letzten Jahrhunderts verfasst, wurden viele Vorschriften für die Roben der Richter, Staats- und Rechtsanwälte erkennbar für eine männliche Juristenschaft entworfen. So heißt es in einer Vorgabe von 1963: "Die Robe liegt auf den Schultern und der Brust glatt an." Und: "der weiße Langbinder" müsse darunter gut sichtbar sein. "Man konnte sich damals schlicht noch nicht vorstellen, dass die Roben auch einmal von Frauen getragen werden sollten", so Kubach. Breite Schultern, weite Ärmel, reichlich Seidenbesatz an der Vorderseite: Was bei einem großen Mann würdevoll aussieht, lässt manch zierliche Anwältin optisch untergehen.

Mit der "Garde-Robe" wollen Laura Kubach und Ulla Kraus überall dort Abhilfe schaffen, wo die klassische Robe Frauen nicht passt: Für ihre Version der Amtstracht verwenden sie deutlich weniger Stoff und einen Brustabnäher, um den sonst häufig zeltartigen Schnitt an weibliche Proportionen anzupassen. Auch an den Ärmeln und der Schulterpartie wird gespart, um dem schmaleren Körperbau Rechnung zu tragen. Die Breite des vorgeschriebenen Besatzes – Samt für die Richterin, Seide für die Anwältin – haben sie entsprechend angepasst. Vier verschiedene Modelle bieten die Unternehmerinnen in ihrem Online-Shop an. Die sehen auf den ersten Blick gar nicht so anders aus als die klassische Robe. Sollen sie auch gar nicht, sagt Laura Kubach: "Wir wollen mit der 'Garde-Robe' keine Mode machen, sondern nur die traditionelle Robe an den Körperbau der Anwältinnen anpassen."

Vorschriften für Richterinnen teils strenger

Ihre These: Sitzt die Robe gut, fühlt sich ihre Trägerin wohl und kann auch juristisch besser agieren. "Ein Outfit kann nicht nur Selbstbewusstsein geben, sondern auch bewusst eingesetzt werden", sagt Laura Kubach. In der "Garde-Robe" werde sie von Richtern und Anwälten der Gegenseite ernster genommen und könne dadurch besser verhandeln als im klassischen Modell. Ein Boost fürs Selbstbewusstsein, der nicht ganz billig zu haben ist: Die vier Roben-modelle tragen Preisschilder zwischen 379 und 399 Euro. Die erste Ladung haben die Unternehmerinnen dennoch bereits verkauft. Kundinnen fanden sich über private Kontakte und eine eigens organisierte Modenschau. Inzwischen sind auch spezielle, blaue Roben für Patentanwältinnen in Arbeit.

Das Geschäft mit der Anwaltsrobe boomt: Noch im vergangenen Monat machte die Gewandmeisterei Wasmer von sich reden, die ebenfalls unkoventionelle Roben herstellt – allerdings nicht für eine spezifisch weibliche Trägerschaft, sondern für Fachanwälte beiderlei Geschlechts.

Einer Gruppe Richterinnen, die eine "Garde-Robe" bestellen wollten, musste Laura Kubach indes erst einmal eine Absage erteilen: Noch verbieten manche Bundesländer Juristen im Staatsdienst, im Gerichtssaal etwas anderes als die genau normierte Robe zu tragen. Diese Vorschriften zu ändern, ist erklärtes Ziel von Laura Kubach und Ulla Kraus: "Mit unseren Roben wollen wir die bestehenden Kleiderregeln auf charmante Weise hinterfragen", so Kubach. Sie riet den Richterinnen daher, über ihre Personalvertretungen, Richter- und Juristinnenbünde auf die in die Jahre gekommenen Normen aufmerksam zu machen.

Und sogar für die innere Elle Woods haben die Unternehmerinnen vorgesorgt: Sie nehmen auch Sonderwünsche für die "Garde-Robe" entgegen. "Wir können sogar pinke Knöpfe einnähen", sagt Laura Kubach. Auch wenn die vermutlich von der schwarzen Knopfleiste verdeckt werden: Die Debatte um Stilfragen vor Gericht kommt so schnell nicht außer Mode.

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