Themenwoche Fachanwalt & Fortbildung

Der Fachanwalt: Ein Überblick

von Johanna Strohm, LL.M.Lesedauer: 4 Minuten
Spezialisierung ist eine zentrale Tendenz innerhalb der Anwaltschaft, und nichts bezeugt die Expertise in einem bestimmten Rechtsgebiet deutlicher als ein Fachanwaltstitel. Wer ihn erwirbt, der kann mit deutlichen Umsatzsteigerungen rechnen. Doch die Anforderungen sind hoch und besonders für Teilzeitbeschäftigte kaum zu erreichen.

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Die Möglichkeit zur Qualifizierung als Fachanwalt ist, im Gegensatz etwa zum Erwerb eines Doktortitels oder LL.M.s, nicht an besondere akademische Voraussetzungen geknüpft. Das macht sie aber nicht unbedingt einfacher. Statt universitärer Meriten rückt die praktische Berufserfahrung in den Vordergrund. Nach der sukzessiven Wiedereinführung der Fachanwaltschaft zwischen den Jahren 1947 und 1986 hatten zunächst ohnehin nur wenige Anwälte ein Interesse daran, ihre Qualifizierung in dem aufwendigen Verfahren nachzuweisen. Die Akzeptanz für den Titel fehlte, die gesetzlichen Grundlagen und Bestimmungen wechselten häufig. Erst als 1996 die in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) geregelte Satzungsversammlung die Fachanwaltsordnung (FAO) beschloss, war die Grundlage für den späteren Erfolg gelegt. Seitdem hat sich die Zahl der Fachanwälte verzehnfacht, während sich jene der Rechtsanwälte im gleichen Zeitraum "nur" verdoppelte.

Knapp 47.000 Fachanwaltstitel verliehen

Die Zulassung neuer Fachanwaltschaften ist ein offener Prozess, bei dem das in Frage kommende Fachgebiet vier Kriterien erfüllen muss: Abgrenzbarkeit von anderen Feldern, Nachfrage potentieller Mandaten, Wettbewerbstauglichkeit sowie ein gewisser Komplexitätsgrad der zu Grunde liegenden Lebenssachverhalte. Die letzte der 20 Fachanwaltschaften, das Agrarrecht, wurde 2009 eingeführt. Seit jenem Jahr ist es auch erlaubt, bis zu drei Fachanwaltstitel zu führen. Insgesamt sind bis zum Stichtag 1.1.2013 bundesweit insgesamt 46.723 Fachanwaltstitel verliehen worden, davon 12.866 an weibliche Anwälte. Die deutliche Mehrheit, nämlich gut 30.000 Anwälte trugen einen, gut 7.000 zwei und wenige hundert sogar drei Fachanwaltstitel. Dabei fällt die Verteilung auf die einzelnen Fachgebiete sehr unterschiedlich aus. Die mit Abstand größten Gruppen stellen die Fachanwälte für Arbeitsrecht, Familienrecht und Steuerrecht; bei den Rechtsanwältinnen sind sogar über die Hälfte aller Fachanwaltstitel solche des Familien- und Sozialrechts. Die vier aktuell kleinsten Fachanwaltschaften (Transport- und Speditionsrecht, Urheber- und Medienrecht, Informationstechnologierecht, Agrarrecht) hatten zu Beginn des Jahres 2013 alle weniger als 400 Mitglieder.

Erhebliche Umsatzsteigerung dank Fachanwaltstitel

Die Erwartungen an einen Fachanwaltstitel sind hoch. Neben fachlichem Interesse und dem Wunsch nach einer formellen Bestätigung ihrer Spezialisierung, sind die meisten Anwälte auch durch die Hoffnung auf Wettbewerbsvorteile am Markt und eine Steigerung ihres persönlichen Umsatzes motiviert. Der Frage, ob diese Hoffnung berechtigt ist, hat das Soldan-Institut für Anwaltmanagement 2010 in einer Studie nachgespürt. Ein Ergebnis der Untersuchung ist, dass der Titelerwerb den Fachanwälten tatsächlich signifikant höhere Umsätze und Gewinne einbrachte. So berichtet mehr als die Hälfte der Befragten von einer deutlichen Steigerung ihrer Kanzleierträge als zentrale Folge des Titelerwerbs; die durchschnittliche Steigerung der persönlichen Honorarumsätze betrug beachtliche 43 Prozent.  Dennoch verfügen, nach den im Rahmen einer Komplementärstudie ermittelten Zahlen, etwa 77 Prozent der zugelassenen Rechtsanwälte nicht über einen Fachanwaltstitel. Von dieser Gruppe gibt mehr als die Hälfte an, grundsätzlich kein Interesse an einem Fachanwaltstitel zu haben, während ein Drittel sich trotz Interesses an einem Titelerwerb gehindert sieht.

Frauen unterrepräsentiert - Familiengründung als Hindernis

Einen beträchtlichen Anteil dieser anderweitig Verhinderten machen jene Anwälte aus, die in Teilzeit arbeiten – und damit ganz überwiegend Frauen. Diese stellten zum Stichtag 1.1.2013 zwar immerhin 33 Prozent der gesamten Anwaltschaft, konnten jedoch nur gut 24 Prozent der Fachanwaltstitel auf sich vereinen. Fachanwälte erlangen ihre Auszeichnung häufig nach fünf bis zehn Jahren Berufserfahrung und damit in einem Lebensabschnitt, in dem meist auch die Familiengründung ansteht. Zwar wurde 2009, nach einem entsprechenden Urteil des Bundesgerichtshofs, der Zeitraum zum Sammeln der für den Fachanwaltstitel nötigen Fälle um die Dauer etwaig gewährten Mutterschutzes und Elternzeit, maximal um 36 Monate verlängert. Aufgrund der nach Familiengründung häufigen Beschäftigungssituation in Teilzeit fällt es Anwältinnen dennoch besonders schwer, die erforderlichen praktischen Fälle nachzuweisen.

Was bringt die Zukunft?

Vorschläge für neue Fachanwaltschaften werden immer wieder laut. So hatte etwa der Weisse Ring im Oktober einen Fachanwaltstitel für Opferrecht gefordert; noch stärker diskutiert wird allerdings ein solcher für internationales Wirtschaftsrecht. Das wäre insofern ein Novum, als es bislang keinen Fachanwalt gibt, bei dem internationale Bezüge eine zentrale Rolle spielen. Vor allem für Anwälte außerhalb von Großkanzleien läge darin eine Möglichkeit, ihre Expertise in grenzüberschreitenden Rechtsgeschäften zu verdeutlichen. Aber so, wie ein neuer Fachanwaltstitel zu einer Aufwertung des entsprechenden Tätigkeitsbereiches führt, fürchten andererseits die bereits existierenden Fachanwaltschaften eine Aufweichung ihrer hervorgehobenen Stellung. Neben Vorschlägen für neue Fachanwaltsbereiche gibt es, trotz des Erfolges des bestehenden Systems, immer wieder Forderungen nach Reformen. Einerseits wird eine stärkere Kontrolle der Rechtsanwaltskammern über die Klausuren des Fachanwaltslehrgangs gefordert, bis hin zu bundeseinheitlichen Aufgaben- und Prüfungskommissionen. Andererseits plädiert der Deutsche Anwaltverein dafür, die weitreichenden Anforderungen an die nachzuweisenden praktischen Fälle zu flexibilisieren, ohne das Niveau zu senken, und so Zugangshürden insbesondere für junge Anwältinnen, die in Teilzeit arbeiten, zu senken. Alle haben jedoch das gemeinsame Ziel, dass die Fachanwaltschaft auch in der Zukunft ein Erfolgsmodell für alle bleibt: für junge Teilzeitbeschäftigte ebenso wie für erfahrene Anwälte und natürlich für die ratsuchenden Mandanten.

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