Corona und Schule zu - was Sie jetzt wissen müssen

"Home­of­fice ist erste Wahl"

Interview von Tanja PodolskiLesedauer: 4 Minuten

Viele Schulen und Kitas schließen ab Montag. Gibt es einen Anspruch auf Lohn, auf Freistellung oder Urlaub? Jochen Keilich erklärt im Interview, was Arbeitgeber und Berufstätige jetzt beachten müssen.

LTO: Viele Bundesländer haben bereits die Schließung von Schulen und Kindergärten ab Montag bekannt gegeben. Haben Eltern ein Recht darauf, zur Betreuung der Kinder zuhause zu bleiben?

Jochen Keilich: Kein Elternteil hat einen Anspruch darauf, bei der Schließung von Schulen und Kindergärten jedenfalls auf unbestimmte Zeit zu Hause zu bleiben. Die Eltern haben nicht einmal einen Anspruch auf unbezahlte Freistellung von der Arbeit oder darauf, dass Ihnen Urlaub gewährt oder der Abbau von Überstunden genehmigt wird. Dafür gibt es keine einseitige Rechtsgrundlage. Das gilt völlig unabhängig von dem Alter des Kindes und dem damit einhergehenden Betreuungsbedarf.

Die Schließung von Schulen und Kitas ist also kein Grund, dass Arbeitnehmer bis auf weiteres zu Hause bleiben dürfen. Die Arbeitspflicht ist eine Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsvertrag, und die besteht im Grundsatz weiter fort. Ob das wirklich sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt. 

Was bedeutet das für berufstätige Eltern mit kleinen Kindern, die betreut werden müssen?

Eltern müssen sich zunächst bemühen, eine Betreuung für ihre Kinder zu finden. Da das Robert-Koch-Institut empfiehlt, Großeltern aufgrund ihrer Gefährdung nicht in die Betreuung einzubeziehen, kann das allerdings schwierig werden.

Finden die Eltern keine Lösung, so müssen sie ihren Arbeitgebern mitteilen, dass es ihnen nicht möglich sein wird, ihrer Arbeitspflicht nachzukommen. Das kann dann ein Fall des § 616 Bürgerliches Gesetzbuch sein. Danach besteht die Vergütungspflicht des Arbeitgebers weiter, wenn der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.

Die Formulierung "nur vorübergehend" bedeutet aber wohl nur einen Zeitraum von ca. fünf Tagen. Wir empfehlen unseren Mandanten, von einem solchen Fall auszugehen und das Gehalt ohne Debatte für eine Woche weiterzubezahlen, wenn die Mitarbeiter nicht aus dem Homeoffice arbeiten können. Das mobile Arbeiten sollte natürlich immer die erste Wahl sein.

Die Schulen und Kindergärten sind aber bis auf weiteres geschlossen, alle gehen davon aus, dass sie vor den Osterferien nicht mehr geöffnet werden. Das bedeutet eine Schließung von mindestens fünf Wochen. Wie ist damit umzugehen?

Es geht jetzt nur noch in der Zusammenarbeit der Arbeitsvertragsparteien: Arbeitgeber müssen mit ihren Mitarbeitern reden. Sie müssen gemeinsam überlegen, ob Homeoffice möglich ist, ob für Menschen, die es sich leisten können, eine unbezahlte Freistellung in Betracht kommt, ob einvernehmlich Überstunden abgebaut werden können oder ob Urlaub gewährt werden kann.

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"Eine Woche Lohnfortzahlung wäre fair"

In den vergangenen Tagen haben Arbeitgeber darauf bestanden, dass ihre Beschäftigten zur Arbeit ins Büro kommen, selbst wenn in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld Verdachtsfälle aufgetreten sind. Wie ist damit umzugehen?

Die Arbeitgeber müssen sich klarmachen, dass die Arbeitnehmer sich aufgrund der vereinfachten Krankschreibung für bis zu sieben Tage ganz einfach arbeitsunfähig melden können, wenn die Arbeitgeber sich nicht kooperativ zeigen. Das bedeutet für die Arbeitgeber die Pflicht zur vollen Lohnfortzahlung. Die Kosten trägt der Arbeitgeber für bis zu sechs Wochen, erst danach tritt die Krankenkasse ein mit dem Krankengeld, das liegt nach § 47 Sozialgesetzbuch V  bei 70 Prozent des Regelentgeltes.

Um es noch mal klar zu sagen: Der Gelbe Schein hat einen hohen Beweiswert. Den anzugreifen, daran haben sich schon viele Arbeitgeber die Zähne ausgebissen.

Andererseits müssen sich Arbeitnehmer klar machen, dass die Arbeitgeber das wirtschaftliche Risiko für das gesamte Unternehmens tragen und eine derartige Pandemie ist ja nicht das alleinige Risiko des Arbeitgebers. Die Frage ist also, wie man gemeinsam einen Ausgleich hinbekommen kann, denn mit einer Insolvenz des Arbeitgebers ist den Beschäftigten ja auch nicht gedient.

Eine faire Aufteilung wäre also, dass der Arbeitgeber die erste Woche über den Fall des § 616 BGB übernimmt, bis dahin haben die Eltern sicherlich Strukturen aufbauen können. Danach bietet sich – wenn mobiles Arbeiten nicht möglich ist - eine gemeinsame Risikoübernahme über Überstundenabbau, unbezahlte Freistellung und bezahlten Urlaub an.

Wenn zwei Eltern berufstätig sind, müssen sie sich die Betreuungstage aufteilen, so dass die Firmen gleichermaßen betroffen sind?

Darauf sollten die Eltern unbedingt achten: Die Lasten müssen in dieser Zeit verteilt werden und das würde nicht erreicht, wenn nur die Arbeitgeber ihren Teil übernehmen, die am großzügigsten sind.

*hier stand zunächst: "Die Kosten trägt der Arbeitgeber für bis zu sechs Wochen, erst danach tritt die Krankenkasse ein mit einem reduzierten Gehalt, das sind 60 Prozent des Bruttoentgelts für Alleinstehende, 67 Prozent für Familien." Das ist so nicht richtig, wir haben diesen Satz korrigiert. Red. tap 17.03.2020, 9.40h

Dr. Jochen Keilich, LL.M. (Exeter) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Er ist Partner bei Pusch Wahlig Workplace Law in Berlin.

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