Rechtswidrige Erfolgshonorare

Wie hoch ist die Vergütung dann?

von Dr. Dirk Michel Lesedauer: 4 Minuten
Erfolgshonorare dürfen Anwalt und Mandant nur unter strengen Voraussetzungen vereinbaren. Was aber muss gezahlt werden, wenn die Vereinbarung diesen Voraussetzungen nicht entspricht? Der BGH hat in einem nun veröffentlichen Urteil seine Rechtsprechung dazu geändert. Für Mandanten schafft das mehr Rechtssicherheit, allerdings führt das Urteil auch zu Wertungswidersprüchen, meint Dirk Michel.

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Früher war alles einfacher. Da durften Rechtsanwälte in Deutschland kein Erfolgshonorar vereinbaren. Seit 2008 ist das anders. Nach § 4a Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) darf ein Erfolgshonorar allerdings nur für den Einzelfall vereinbart werden und auch nur dann, wenn der Auftraggeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde. Außerdem gelten bestimmte Formvorschriften. Aber was gilt, wenn die Vereinbarung den Voraussetzungen nicht entspricht? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat seine Rechtsprechung dazu nun zugunsten der Mandanten geändert und damit für Rechtssicherheit aber auch für Wertungswidersprüche gesorgt (Urt. v. 05.06.2014, Az. IX ZR 137/12).

Erfolgshonorar niedriger als gesetzliche Gebühren

In dem entschiedenen Fall sollte der Rechtsanwalt für die Vertretung eines Mandanten gegenüber einer Bank pauschal 20.000 Euro erhalten. Für den erfolgreichen Abschlusses eines Finanzierungsvertrages wurden dem Rechtsanwalt weitere 10.000 Euro als Erfolgshonorar versprochen. Nachdem die Verhandlungen mit der Bank ergebnislos verliefen, wurde mündlich vereinbart, dass die Vorbereitung einer Klage gegen die Bank ebenfalls von dem Pauschalhonorar gedeckt sein sollte. Zur Klage kam es allerdings nie. Der Mandant einigte sich doch noch mit der Bank und schloss ohne Beteiligung des Rechtsanwalts die Finanzierungsvereinbarung. Der Anwalt wollte trotzdem nicht nur sein Pauschalhonorar, sondern auch das Erfolgshonorar. Allerdings entsprach die Vereinbarung nicht den gesetzlichen Voraussetzungen. Schon die Umstände ließen die Vereinbarung eines Erfolgshonorars nicht zu und auch das Textformerfordernis wurde nicht eingehalten. Als der Mandant dies seinem Rechtsanwalt entgegenhielt, verlangte letzterer nun aber die deutlich höheren, gesetzlichen Gebühren für den Klageentwurf – über 90.000 Euro.

Folgen einer fehlerhaften Vergütungsvereinbarung

Die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Vergütungsvereinbarung regelt § 4b RVG – allerdings nur teilweise. Danach soll der Rechtsanwalt bei Verstoß gegen die gesetzlichen Voraussetzungen keine höhere als die gesetzliche Vergütung verlangen können. Nicht geregelt wird dagegen die Rechtsfolge, wenn das vereinbarte Honorar unter der gesetzlichen Vergütung liegt. Die Rechtsprechung hatte bislang zwar angenommen, dass eine Vergütungsvereinbarung, die gegen die gesetzlichen Voraussetzungen verstößt unwirksam ist, so dass der Rechtsanwalt nach § 612 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) einen Anspruch auf die übliche Vergütung hat, die sich nach dem RVG bemisst. Lag das vereinbarte Honorar allerdings unterhalb der gesetzlichen Vergütung, begrenzten die Gerichte den Vergütungsanspruch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auf das vereinbarte Honorar. § 242 BGB untersagt nämlich eine unzulässige Rechtsausübung und die sollte vorliegen, wenn der Rechtsanwalt entgegen der vorherigen Vereinbarung das volle Honorar nach RVG verlangte. Denn allein der Rechtsanwalt als fachkundiger Vertragspartner müsse auf die Einhaltung des Gebühren- und Standesrechts achten. Der insoweit unkundige Mandant dürfe auf die Angaben seines Rechtsanwalts vertrauen.

Der Mandant zahlt immer die geringere Vergütung

Daran hält der IX. Zivilsenat nicht mehr fest. Die Vergütungsvereinbarung soll trotz eines Verstoßes gegen §§ 3a, 4a RVG wirksam bleiben. § 4b RVG beschränke nämlich lediglich den Honoraranspruch des Rechtsanwalts auf die gesetzliche Vergütung. Hierfür sprächen systematische Gründe. Denn des § 4b RVG bedürfe es gar nicht, wenn die Vergütungsvereinbarung nach § 134 BGB wegen Gesetzesverstoßes nichtig sei. Im entschiedenen Fall blieb die Vergütungsvereinbarung damit wirksam und der Rechtsanwalt konnte nur noch weitere 30.000 Euro zzgl. Umsatzsteuer verlangen anstelle der rund 90.000 Euro bei einer Abrechnung nach RVG. Das Urteil verbessert die Rechtsstellung der Mandanten und schafft Rechtssicherheit. Nach der bisherigen Rechtsprechung musste die Geltendmachung der höheren, gesetzlichen Vergütung durch den Rechtsanwalt vom Gericht auch tatsächlich als unzulässige Rechtsausübung anerkannt werden. In Einzelfällen mussten Mandanten daher durchaus die höhere gesetzliche Vergütung zahlen. Zudem trugen sie die Beweislast für den Rechtsmissbrauch. Nun können Mandanten uneingeschränkt auf die Wirksamkeit einer für sie günstigen Vergütungsvereinbarung vertrauen. Das Risiko eines Verstoßes gegen §§ 3a, 4a RVG trägt damit allein der Rechtsanwalt. Er erhält immer nur das geringere Honorar. Zudem sieht er sich berufsrechtlichen Sanktionen ausgesetzt. Diese Risikoverteilung ist solange sachgerecht, als dem Mandanten die Grenzen einer Vergütungsvereinbarung unbekannt sind. Der rechtskundige Anwalt ist verpflichtet, seinem Mandanten nur rechtmäßige Vergütungsvereinbarungen vorzuschlagen.

Wertungswidersprüche

Wertungswidersprüche entstehen allerdings, wenn die Vereinbarung über ein Erfolgshonorar die materiellen Voraussetzungen des § 4a RVG nicht erfüllt und das Erfolgshonorar unter der gesetzlichen Vergütung liegt. In diesen Fällen untersagt das Gesetz gerade zum Schutz der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts die Verabredung eines Erfolgshonorars. Das Mandat soll nach dem Willen des Gesetzgebers mindestens zu den gesetzlichen Gebühren abgerechnet werden. Und selbst wenn der Mandant positive Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Vereinbarung hat, muss er nur die verminderte Vergütung entrichten. Einem Interessenausgleich, wie er nach bisheriger Rechtsprechung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben möglich war, ist nun der Weg versperrt. Die Rechtsprechungsänderung wird allerdings selten praktische Auswirkungen haben, weil schon bislang die Rechtsprechung in den meisten Fällen einen Rechtsmissbrauch des Rechtsanwalts bejahte, wenn er die deutlich höhere gesetzliche Vergütung geltend machte. Der Mandant musste daher auch bislang meist nur das vereinbarte Honorar zahlen. Honorarvereinbarungen für die Vertretung vor Gericht sind von der Rechtsprechungsänderung dagegen nicht erfasst. Insofern bleibt es dabei, dass eine Vergütungsvereinbarung für die Vertretung vor Gericht nichtig ist, wenn darin die gesetzlichen Gebühren unterschritten werden, vgl. §§ 49b Abs. 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), 4 RVG. Die Mandanten müssen dann das höhere Honorar zahlen, es sei denn sie können ihrem Anwalt erfolgreich Rechtsmissbrauch entgegenhalten. Der Autor Dr. Dirk Michel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Arbeits- und Wirtschaftsrecht der Universität zu Köln und Geschäftsführer des dortigen Europäischen Zentrums für Freie Berufe. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist das freiberufliche Berufsrecht, besonders jenes der Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer.

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