BGH verbietet anwaltliche Schockwerbung

Belehrender Hinweis von Anwaltskammer anfechtbar

von Pia LorenzLesedauer: 5 Minuten
Rechtsanwälte können einen belehrenden Hinweis einer Anwaltskammer mit der Anfechtungsklage angreifen, wenn dieser ihnen eine beabsichtigte Handlung verbietet. Mit dieser Entscheidung von Ende Oktober gab der BGH einem Anwalt Recht, der gegen einen Hinweis der Kölner Anwaltskammer vorgegangen war. In der Sache half ihm das nicht: Er darf nicht mit sexualisierten Gewaltdarstellungen auf Tassen werben.

In einem Punkt sind Dr. Martin Riemer und die für ihn zuständige Anwaltskammer Köln sich einig: Sie begrüßen das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) insoweit, als der Anwaltssenat klargestellt hat, dass der belehrende Hinweis der Kammer, welchen Riemer selbst erbeten hatte, anfechtbar ist (BGH, Urt. v. 27.10.2014, AnwZ (Brfg) 67/13). Der streitbare Anwalt aus Brühl bei Köln ist bei der Anwaltskammer gut bekannt. Er hat dort nicht nur angefragt, ob die Werbung mit auf Tassen aufgedruckten schockierenden Motiven sich noch in den Grenzen des § 43b Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) bewegt. Die Tassen trugen neben seinem Namen und Kontaktdaten sowie jeweils einem Slogan Bilder von häuslicher Gewalt, körperlicher Züchtigung und einem Suizidversuch. In seinen Schriftsätzen an den Anwaltssenat finden sich darüber hinaus zum Teil Ausführungen, die gar nicht das beim BGH anhängige Verfahren betreffen, sondern andere Sachverhalte, über die er sich mit der Anwaltskammer Köln streitet. Deren Geschäftsführer Martin W. Huff versteht aber Riemers Anliegen dahingehend, über die bloße Anfrage hinaus das von der Kammer per belehrenden Hinweis ausgesprochene Verbot dann nachträglich auch anfechten zu können: "Dr. Riemer hat uns im Vorhinein darum gebeten, eine Einschätzung zu den von ihm geplanten Motiven abzugeben, die er selbst für problematisch gehalten hat. Er wollte diese - zu Recht - auch in Form eines rechtsmittelfähigen Bescheides haben."

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BGH: Keine präventiven Hinweise ohne Regelungscharakter

Die gegen den dann erteilten belehrenden Hinweis einschließlich Rechtsmittelbelehrung erhobene Klage wies der Anwaltsgerichtshof Hamm aber als unzulässig ab. Der Hinweis betreffe zukünftiges Verhalten und sei damit nicht anfechtbar (Urt. v. 06.09.2013, Az. 2 AGH 3/13). Diese von Experten von Anfang an als veraltet angezweifelte Argumentation ließ der BGH weder mit seiner Zulassung der Berufung im Januar noch in seiner Entscheidung von Ende Oktober gelten. Belehrende Hinweise, mit welchen der jeweilige Kammervorstand seine Mitglieder berät, können diese jedenfalls dann anfechten, wenn sie mit einem Handlungsverbot verbunden sind. Dann greifen diese in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts ein und sind als Verwaltungsakte mit der Anfechtungsklage anfechtbar, stellt der Anwaltssenat unter Berufung auf seine neuere Rechtsprechung klar. Das gelte auch für Bescheide, die sich auf zukünftiges Verhalten beziehen. Jedenfalls dann, wenn die Kammer nicht lediglich präventiv Auskünfte erteilt, sondern konkrete Verbote ausspricht. Den Bereich "präventiver Hinweise ohne Regelungscharakter" verlassen die Bescheide nach Ansicht des Senats dann, wenn sie - nicht zuletzt durch die Rechtsbehelfsbelehrung - erkennen lassen, dass die Kammer sich im Vorgriff auf ein eventuell folgendes Verfahren schon verbindlich auf auf eine Regelung der aufgeworfenen Fragen festgelegt hat.

Verwaltungsakt ohne bindende Wirkung?

Kläger Riemer entnimmt der Entscheidung des BGH noch einen weiteren Erfolg für Anwälte: "Mit der Entscheidung macht der Senat einen Spagat: Der belehrende Hinweis hat zwar den Charakter eines Verwaltungsakts, aber keine bindende Wirkung." Der Anwalt aus dem Rheinland bezieht sich dabei auf die Ausführungen des BGH zur Begründetheit der Klage. Bei der Feststellung, dass die Kammer Köln ihre Auffassung auch zu erst zukünftig virulent werdenden Themen in Form eines belehrenden Hinweises erteilen durfte, stellt der Senat auch klar, dass der Kläger durch diesen Hinweis nicht gehindert ist, die vorgesehenen Aufdrucke dennoch zu verwenden. So enthalte der Hinweis auch keine verbotene Vorzensur, weil der Anwalt bloß ein Rügeverfahren oder ein anwaltsgerichtliches Verfahren mit den dortigen Rechtsschutzmöglichkeiten zu erwarten habe. 

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2/2: Anwalt plant Verfassungsbeschwerde: Vergleich mit freier Wirtschaft

Gegen die Entscheidung in der Hauptsache will Riemer Verfassungsbeschwerde einlegen. Die Argumentation des Senats, der die beabsichtigte Werbung für mit dem berufsrechtlichen Gebot des § 43b BRAO unvereinbar hält, greift für ihn zu kurz. "Was ist im Vergleich dazu mit der Waterboarding-Kampagne von Amnesty International oder den Tierschutz-Kampagnen von PETA?", äußerte er nach dem Urteil gegenüber LTO. Dort werde weit mehr gezeigt als auf den von ihm geplanten Tassen. Den BGH hat dieser Vergleich mit der freien Wirtschaft nicht überzeugt. Die Richter verweisen vielmehr ausdrücklich auf die bekannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), das schon in den Jahren 2000 und 2003 die Schockwerbungen von Benetton u.a. mit der Aufschrift "HIV POSITIVE" auf einem nackten Hinterteil für noch verfassungsgemäß ansah. Dass eine Werbung im Bereich der allgemeinen Wirtschaft noch rechtmäßig ist, heißt aber noch lange nicht, dass das auch für einen Anwalt gilt, stellen die BGH-Richter klar. Zunehmend auch in der berufsrechtlichen Literatur geäußerten Vorstößen, die anwaltliche Werbung zu liberalisieren, erteilt der Senat damit eine klare Absage. Diese stützt er, wie auf diesem Gebiet üblich, auf die Stellung des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege. Mit dieser sei eine Werbung nicht vereinbar, die "ein reklamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stellt und mit der eigentlichen Leistung des Anwalts sowie dem unabdingbaren Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Mandats nichts mehr zu tun hat". 

Welche Mittel darf eine inhaltliche Auseinandersetzung einsetzen?

Der Kölner Kammergeschäftsführer Huff begrüßt die Entscheidung: "Die Regelung des § 43b BRAO beschränkt die anwaltliche Werbung auf eine sachliche Ebene. Sie ist mit der Berufsfreiheit der Kollegen in Einklang zu bringen - das heißt aber eben gerade nicht, dass der Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege mit den Methoden der gewerblichen Wirtschaft arbeiten dürfte. Darstellungen körperlicher Gewalt wie die vom Kläger geplante sind reine Aufmerksamkeitswerbung - eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den abgebildeten Phänomen liegt darin nicht". Das sieht auch der Anwaltssenat so. Und bekräftigt das durch ein Argument, durch das Riemer sich "völlig vernichtet" sieht. Die Nacktheit sowohl des abgebildeten misshandelten Kindes als auch der körperlich gezüchtigten Ehefrau, die kein essentielles Element der Darstellung von Gewalt sei, legt nach Ansicht des Senats die Annahme nahe, "dass bei einem Teil des Betrachterkreises auch sexuelles Interesse geweckt werden soll". Das daneben gedruckte Gesetzeszitat "Körperliche Züchtigung ist verboten" gerate auf diese Weise zu bloßem Beiwerk und leiste keinen Beitrag zu einer gesellschaftskritischen Auseinandersetzung. Für Anwalt Riemer, der sich nach eigenen Angaben seit langem gegen körperliche Bestrafungen von Kindern einsetzt, sind das "harte Worte". Er legt Wert darauf, dass er mit gesellschaftlichen Brennpunktthemen werben wolle, während die Entscheidung ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der kommerziellen Werbung und des Marketings ein plattes Verbot statuiere. Seiner Meinung nach müsse man auch die Hässlichkeit von Szenen zeigen dürfen, die Gegenstand einer anwaltlichen Beratung sein können. Daran mache eine sozialkritische Diskussion über das einzelne Madantsverhältnis hinaus sich auch gerade fest. Ob das BVerfG sein - nicht nur in Sachen Benetton verglichen mit dem BGH - häufig liberales Verständnis von verfassungsgemäßer Werbung so weit auch in die Anwaltschaft ausdehnen wird, darf man mit Spannung abwarten. 

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