BGH zur Fachanwaltsfortbildungspflicht

Auch Seminar in Ver­neh­mungs­taktik kann rei­chen

von Pia LorenzLesedauer: 4 Minuten
Fachanwälte können ihre jährliche Fortbildungspflicht auch durch ein Seminar erfüllen, das nicht speziell ihr Fachgebiet betrifft, so der BGH. Anwälte und Seminaranbieter sollten sich aber nicht zu früh freuen.

Als Pflichtfortbildung für Rechtsanwälte im Sinne von § 15 Fachanwaltsordnung (FAO) können auch Fortbildungsveranstaltungen anerkannt werden, die mehr als ein Fachgebiet betreffen, so der Bundesgerichtshof (BGH) in einer am Donnerstag bekannt gewordenen Entscheidung. Notwendig sei jedoch, dass darin Fachwissen behandelt wird, welches gerade auch für den Tätigkeitsbereich des Anwalts, der die Fortbildung besucht, von Bedeutung ist (Urt. v. 18.07.2016, Az. AnwZ (Brfg) 46/13). Der Entscheidung lag der Fall eines Fachanwalts für Verkehrsrecht zugrunde, der ein Seminar mit dem Titel "Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik" besucht hatte, das sich neben Straf-, Familien, Versicherungs- und Baurecht schwerpunktmäßig auch mit dem Verkehrsrecht beschäftigte. Die zuständige Rechtsanwaltskammer München und erstinstanzlich auch der Bayerische Anwaltsgerichtshof bewerteten das Seminar jedoch als nicht tauglich für den Erhalt der Fachanwaltsbezeichnung. Der BGH sieht das nun anders, der Anwaltssenat gab dem hilfsweise gestellten Feststellungantrag des Fachanwalts für Verkehrsrecht statt. Vertreten wurde dieser von GvW Graf von Westphalen-Partner Prof. Dr. Christian Winterhoff, der das Verfahren nach eigenen Angaben auch "im Interesse" des Seminarveranstalters DeutscheAnwaltAkademie führte, der in dem Rechtstreit nicht klagebefugt war.  

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Besondere Bedeutung gerade für das Verkehrsrecht

Gemäß § 15 S.1 Fachanwaltsordnung (FAO) muss sich ein Rechtsanwalt jährlich fortbilden, um eine erworbene Fachanwaltsbezeichnung weiter führen zu können. Der BGH hatte darüber zu entscheiden, wie der erforderliche Bezug zum Fachgebiet des jeweiligen Fachanwalts aussehen muss. Nach Ansicht der Richter muss die besuchte Veranstaltung dem Aufbau, der Vertiefung und der Aktualisierung bereits vorhandener besonderer Kenntnisse in dem jeweiligen Fachgebiet dienen. Bloß Grundlagenkenntnisse noch einmal zu erwerben, die bei jedem Rechtsanwalt vorausgesetzt werden, reiche dafür nicht. Schließlich solle die Pflichtfortbildung die Qualität der anwaltlichen Beratung auch langfristig sichern, so die Karlsruher Richter, die für den Maßstab zum Erhalt des Titels an die Kriterien zu seinem Erwerb anknüpfen.  Es sei aber auch nicht zwingend erforderlich, dass die Veranstaltung nur ein Fachgebiet behandelt, wenn dort Wissen vermittelt wird, welches auf mehr als einem Gebiet von Bedeutung ist. Die besondere Bedeutung der Themen "Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik" gerade für das Verkehrsrecht sieht der Senat darin, dass die Fälle dort durchweg in der Öffentlichkeit spielten und überdurchschnittlich häufig von zunächst unbeteiligten Personen wahrgenommen würden. Richtig vernehmen zu können sei also für Verkehrsrechtler - anders als zum Beispiel für Vertragsrechtler - von großer Bedeutung. Auch vermittele das Seminar mehr als die in Studium und Referendariat erworbenen Grundkenntnisse. Dass die Fortbildung nicht alle Bereiche des Fachgebiets Verkehrsrecht ausschöpft, stehe ihrer Annerkennung ebenso wenig entgegen wie die Tatsache, dass von ihr auch jeder andere, forensisch tätige Rechtsanwalt profitieren könnte.

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2/2: Nicht die erwartete Grundsatzentscheidung

Die Grundsatzentscheidung, die insbesondere Seminaranbieter sich sicherlich erhofft hatten, ist das Urteil nicht geworden. Das liegt zum Teil an den eher zögerlichen, häufig als Ausschluss von Negativkriterien statt als Definition von positiven Voraussetzungen formulierten Argumenten des Senats. Die Entscheidung bezieht sich zudem nur auf die Vorschrift des § 15 Abs. 1 FAO in der Fassung vom 1. Juli 2009, die vorsah, dass der Fachanwalt an einer anwaltlichen Fortbildungsveranstaltung auf seinem Fachgebiet teilzunehmen habe. In der seit dem 1. Januar 2015 geltenden Fassung heißt es, dass er an fachspezifischen, der Aus- oder Fortbildung dienenden Veranstaltungen hörend oder dozierend teilnehmen muss. Ob die Ausführungen des Anwaltssenats auch auf die aktuelle Fassung übertragbar sein sollen, geht aus der Entscheidung nicht eindeutig hervor und war nach LTO-Informationen auch nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Kein Anspruch auf Verwaltungsakt, aber Feststellungsinteresse

Bemerkenswert ist aber, dass der Anwaltssenat der Klage des Fachanwalts nur in Bezug auf die Feststellung stattgegeben hat, dass es sich bei dem Seminar um eine i.S.v. § 15 Abs. 1 S. 1 FAO anerkennungsfähige Fortbildungsveranstaltung für das Fachgebiet Verkehrsrecht handelte. Einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Erlass eines selbständigen Verwaltungsakts, mit dem die Kammer abschließend über die Eignung einer Fortbildungsveranstaltung zur Erfüllung der Fortbildungspflicht entscheidet, lehnte der BGH hingegen mangels Rechtsgrundlage ab. Dass Anwälte damit möglicherweise in Unsicherheit mindestens den Ablauf eines Kalenderjahres abwarten müssen, bis die Kammer gegebenenfalls die Erlaubnis zum Führen des Fachanwaltstitels widerruft, weil sie ihre Fortbildungspflicht nicht erfüllt haben, nimmt der Senat dabei hin. Schließlich führe die erstmalige  Verletzung  der  Fortbildungspflicht  nicht  zwingend  zu  einem  Widerruf, und wer sich im folgenden Jahr überobligationsmäßig fortbilde, könne mit einer Ermessensausübung der Kammer zu seinen Gunsten rechnen. Ein Feststellungsinteresse billigt der BGH dem klagenden Fachanwalt dann aber doch zu. Schließlich liefe er sonst Gefahr, trotz überobligationsmäßiger Fortbildung in den Folgejahren, welche die Kammer immer so angerechnet hatte, dass seine Pflichtstunden als absolviert galten, als "Wiederholungsfall" eingestuft zu werden. Das hätte Auswirkungen auf  die  Ausübung des  Ermessens  im  Widerrufsverfahren, so der Senat.  

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