Karriereknick Kündigung?

"Ein Auf­he­bungs­ver­trag ist nie­mals besser"

von Tanja PodolskiLesedauer: 6 Minuten

Ein Aufhebungsvertrag, das klingt netter als eine Kündigung. Ist es nicht. Den Mitarbeiter kann sie nicht nur drei Monate Arbeitslosengeld kosten. Und auch der Arbeitgeber steht mit einer Kündigung besser da, erklärt Alexander Otto.

LTO: Herr Dr. Otto, selbst so mancher Jurist hat in eigener Sache schon Aufhebungsverträge unterschrieben. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Otto: Eine rationale gibt es dafür kaum. Aber Trennungsgespräche sind eine Extremsituation, vor allem für die Mitarbeiter. Den meisten Menschen  wird mit der Beendigung ihres  Arbeitsverhältnisses nicht nur die Einkommensgrundlage, sondern auch ein wesentlicher Teil ihrer Identität entzogen. Sie empfinden die Trennung als persönliches Versagen - auch wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses überhaupt nichts mit ihrer Person zu tun haben muss.

Oft schon unmittelbar im Trennungsgespräch wird ihnen dann ein Aufhebungsvertrag vorgelegt. Den sollten sie besser nicht unterschreiben – aber in einer solchen Situation sind auch Juristen nur Menschen. Und außerdem sind schließlich nicht alle Juristen Arbeitsrechtler und kennen automatisch sämtliche Folgen des Abschlusses eines Aufhebungsvertrags. 

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Kein Geld vom Arbeitsamt, keine Krankenversicherung auch für die Kinder

LTO: Aber von der dreimonatigen Sperrzeit hat ja eigentlich jeder schon einmal gehört …

Otto: Richtig, ist ein Aufhebungsvertrag bei der Meldung beim Jobcenter bereits unterschrieben, folgt in aller Regel eine dreimonatige Sperrzeit für den Erhalt des Arbeitslosengeldes. Über diese Sperrzeit, welche Sie ansprechen, gehen die Konsequenzen eines unbedacht unterzeichneten Aufhebungsvertrags aber hinaus. 

So besteht in diesem Zeitraum keine Pflichtversicherung etwa für die Krankenversicherung. Einen Monat lang ist bei den meisten Versicherungen eine Versicherung ohne Beitragszahlung möglich, für die übrige Zeit muss der Betroffene dann wählen, ob er das Risiko eingeht, bei seiner bisherigen Krankenversicherung  nicht mehr im vereinbarten Umfang versichert zu sein, oder ob er die Beiträge in Höhe von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil selbst übernimmt. Für die Übernahme dieser Kosten ist auch eine gute Abfindung schnell verbraucht. Alternativ hat der Arbeitslose mit Beginn des zweiten Monats bis zur zwölften Woche einer Sperrzeit dann nur noch den Basisschutz der Krankenversicherung der Arbeitslosen (KVdA) gem. § 5 Abs.1 Nr.2 Sozialgesetzbuch (SGB) V. Ein Anspruch auf Krankengeld oder sämtliche mit der eigenen Krankenkasse vereinbarten Zusatzleistungen besteht dann während der Sperrzeit nicht mehr(§ 49 Abs.1 Nr.3a SGB V). Außerdem entfällt die Rentenversicherungspflicht gemäß § 3 Satz 1 Nr.3 SGB V).

Der eingeschränkte Krankenversicherungsschutz betrifft nicht nur die ehemals Beschäftigten, sondern auch die über eine Familienversicherung mit versicherten Kinder.

Schließlich muss sich der Arbeitnehmer, der diesen unterschrieben hat, innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes bzw. spätestens drei Monate vor Ablauf des Anstellungsverhältnisses beim Jobcenter melden, das folgt aus § 38 Sozialgesetzbuch III.

Diesen starken Abweichungen bei den Fristen liegen die sehr unterschiedlich langen Kündigungsfristen je nach Dauer der Beschäftigung nach § 622 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zugrunde. Danach gilt die Drei-Tages-Frist für Mitarbeiter, die bis zu acht Jahre in einem Unternehmen beschäftigt waren.

Der Arbeitgeber muss nicht aufklären

LTO: Und über all diese Folgen muss ein Unternehmen, welches das Beschäftigungsverhältnis beenden will, den Mitarbeiter nicht informieren?

Otto: Die Frage, ob insofern eine Aufklärungspflicht des Arbeitgebers bestehen könnte, wurde in mehreren gerichtlichen Auseinandersetzungen geklärt. Im Ergebnis ist der Arbeitnehmer ein mündiger Bürger, der Verträge schließen kann, wie er möchte und sich selbst über die möglichen Folgen eines Aufhebungsvertrages eine zuverlässige Auskunft einholen muss (Anm. d. Red.: Landesarbeitsgericht Hamm, Urt. v. 07.06.2005, Az. 1Arbeit9 (2) Sa 30/05).

LTO: Wieso werden gleichwohl so oft Aufhebungsverträge geschlossen?

Otto: Da kommen verschiedene Aspekte zusammen. Ein erster ist das Gefühl der Fairness. Auch Arbeitgeber möchten sich in aller Regel fair und vernünftig trennen und keiner spricht gerne eine Kündigung aus. Die Ausnahme mag ein Gefühl der Genugtuung sein, wenn ein Mitarbeiter silberne Löffel geklaut hat – wie auch immer die in der heutigen Zeit aussehen mögen. Die Regel ist aber, dass die Trennung vom Mitarbeiter – wenn auch aus vielfältigen Gründen – unausweichlich ist.

Hinzu kommt je nach Art des Unternehmens, dass bei einer Kündigung häufig der Betriebsrat oder die Schwerbehindertenstelle anzuhören und einzubeziehen sind. Diese Beteiligung ist bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages in der Regel entbehrlich. Nicht zu unterschätzen ist zudem die Rechtssicherheit: Ist der Vertrag unterschrieben, droht dem Unternehmen kein gerichtliches Kündigungsschutzverfahren mehr.

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Eine faire Trennung – und wieso sie auch für den Arbeitgeber sinnvoll ist

LTO: Sie selbst vertreten in der Regel die Unternehmerseite. Wieso sollten Unternehmen es besser machen, wenn es für sie mit einem Aufhebungsvertrag so leicht ist, Mitarbeiter rechtssicher vor die Tür zu setzen? 

Otto: Auch Arbeitgeber dürfen nicht unterschätzen, wie wichtig eine gute Trennungskultur ist. Der Umgang mit Mitarbeitern ist über die sozialen Medien schnell verbreitet, und natürlich reden auch die Kollegen miteinander, selbst wenn Stillschweigen vereinbart ist. Unternehmen müssen sich daher fragen, welches Bild sie mit faktisch unfairem Verhalten von sich zeichnen – selbst wenn der Personaler das Budget für Abfindungen im Sinn behält. Die faire Trennung spart beiden Seiten nicht nur Zeit und Geld.

LTO: Wie sähe eine solche faire Trennung denn aus?

Otto: Das faire Vorgehen für beide Seiten beim Trennungsgespräch ist kurz zusammengefasst: Erst handeln, dann reden. Ein Trennungswunsch sollte immer klar kommuniziert sein, am besten in Form einer unmissverständlichen Kündigung, damit der Arbeitnehmer sieht, dass es keinen Weg zurück gibt. Der Arbeitgeber muss dem Mitarbeiter schriftlich kündigen. Um eine gute Trennungskultur zu pflegen, ist es an den Personalverantwortlichen, den Mitarbeitern zu erklären, dass diese Kündigung notwendig ist und ihn tatsächlich rechtlich besser stellt.

Der betroffene Mitarbeiter sollte dann ohnehin für das weitere Vorgehen rechtlichen Rat einholen, so dass ihm die Position des Arbeitgebers von seinem Anwalt noch einmal bestätigt werden kann.

Wenn der Aufhebungsvertrag unterschrieben wurde

LTO: Was ist zu tun, wenn bereits ein Aufhebungsvertrag unterschrieben wurde?

Otto: Wenn der Arbeitnehmer mit seinem unterschriebenen Aufhebungsvertrag direkt zum Jobcenter gegangen ist, ist ohnehin nichts mehr zu machen. Dann kommt die Sperrfrist.

Helfen kann man in der Beratung noch, wenn der Arbeitnehmer bisher nur eine Trennung in Aussicht gestellt bekommen oder das Angebot eines Aufhebungsvertrages erhalten hat. Dann sollten Verhandlungen mit dem Arbeitgeber erst aufgenommen werden, wenn tatsächlich die Kündigung auf dem Tisch liegt. Verabredet man dagegen eine Kündigung im Nachgang, um der Sperrfrist zu entgehen, ist dies eine höchst problematische Situation, in der sich alle Beteiligten in eine Grauzone mit womöglich strafrechtlich relevantem Handeln begeben.

In aller Regel sollte der Anwalt daher den Arbeitgeber erst kontaktieren, wenn die Kündigung eingegangen ist. Die Kündigung im Arbeitsrecht ist überhaupt nur formwirksam, wenn sie schriftlich zugeht, mündlich oder per Email reicht nicht aus, § 623 BGB.

Besser Abwicklungs- als Aufhebungsvertrag

LTO: Begrenzt man mit einer Kündigung nicht den eigenen Gestaltungsspielraum?

Otto: Nein, selbst mit einer Kündigung bleiben alle Wege offen. Der Arbeitgeber kann dem Mitarbeiter mit der Kündigung sofort einen Abwicklungsvertrag anbieten, in dem ebenso wie in einem Aufhebungsvertrag Ausstiegszeitpunkt, Abfindung, Freistellung und Zeugnis geregelt werden können.
Der Arbeitnehmer hat nach Erhalt der Kündigung drei Wochen Zeit, dieses Angebot zu verhandeln, dann müsste er ggf. Kündigungsschutzklage erheben, wenn er die Kündigung nicht akzeptieren will.

Sogar die Zeit des Ausstiegs lässt sich dann immer noch verhandeln. Eine Verkürzung der gesetzlichen Ausstiegsfrist bietet sich nicht an, weil die Abfindung dann auf das Arbeitslosengeld angerechnet wird. Eine Verlängerung der Frist ist aber möglich und wird sogar gerne gesehen. Die ist schließlich im Sinne der Jobcenter, weil sie unter Umständen kürzere Zeit Arbeitslosengeld auszahlen müssen, wenn die Menschen mehr Zeit haben, einen neuen Job zu finden.

Es gibt also sehr wohl Möglichkeiten, eine Trennung fair zu gestalten. Und Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber sind gut beraten, diese auch zu nutzen.

Dr. Alexander Otto ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei Buse Heberer Fromm.

Die Fragen stellte Tanja Podolski

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