Berufsprestige-Skala

Ärzte vor Richtern vor Anwälten vor…

von Constantin KörnerLesedauer: 4 Minuten
"Der Rechtsanwalt ist hochverehrlich, obwohl die Kosten oft beschwerlich", schrieb einst Wilhelm Busch. Zustimmung würde er heute wohl nur noch zur zweiten Hälfte erhalten. Wie die am 20. August veröffentlichte Berufsprestige-Skala des Allenbacher Instituts für Demoskopie zeigt, zählen Anwälte nur für 24 Prozent der Bürger zu den angesehensten Berufsträgern, Tendenz sinkend. Was ist da bloß passiert?

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Dass der örtliche Pfarrer auf der Straße voller Ehrfurcht mit "Hochwürden" angesprochen wird, dürfte hierzulande weitgehend der Vergangenheit angehören. Dennoch gab es immer und gibt es auch heute noch Berufe, denen die breite Öffentlichkeit mit einem gedanklichen Naserümpfen begegnet und solche, vor denen sie den Hut zieht. Der Frage, wer in welche Kategorie fällt, widmet sich das Allensbacher Institut für Demoskopie seit 1966 mit seiner Berufsprestige-Skala. Deren aktuelle Version beruht auf Umfragen, die Mitte bis Ende April von insgesamt 400 Interviewern im gesamten Bundesgebiet durchgeführt wurden. Aus einer vorgegebenen Liste muss der Befragte die fünf Berufe auswählen, die er am meisten schätzt beziehungsweise vor denen er die höchste Achtung hat. "Um die Umfrage repräsentativ zu machen, wählen wir die zu befragenden Personen anhand einer Quotenstichprobe aus. Das ist quasi ein Legoland der Bevölkerung, das diese maßstabsgetreu abbildet. Zusätzlich setzen wir nicht auf die Aussagebereitschaft des Einzelnen, sondern wählen die Zielpersonen nach diesen objektiven Kriterien aus. Deshalb können wir sicher sagen, dass unsere Umfrageergebnisse bis auf zwei Prozent Abweichung nach oben oder unten zutreffend sind", erläutert Thomas Petersen, studierter Kommunikationswissenschaftler und Projektleiter beim Allensbacher Institut.

Anwälte stürzen von 38 auf 24 Prozent ab

Zwar wurde der Fragebogen immer wieder einmal den aktuellen Strömungen angepasst, indem Berufe herausfielen und andere hinzukamen. Aber der Rechtsanwalt findet sich seit der ersten Erhebung Jahr für Jahr erneut auf der Liste. "Im März 1966 standen elf Berufe zur Auswahl. Damals kamen die Anwälte auf 37 Prozent und lagen damit im Mittelfeld", erinnert sich Petersen. Einmal, nämlich im Jahr 1995, standen neben dem Anwalt auch der Richter und Staatsanwalt zur Auswahl: "Da kamen die Richter auf 40 Prozent, die Anwälte auf 29 und die Staatsanwälte auf 23. Richter gehören generell zu den Berufen, die ein besonders hohes Ansehen genießen. Darüber können wir uns auch heute noch sicher sein, obwohl wir die Richter nicht mehr in der Liste haben." Ihren Spitzenwert erreichte die Anwaltschaft 1972 mit 38 Prozent und hielt diesen bis 1999 (damals 36 Prozent) relativ konstant. "Aber Anfang der 2000er Jahre rutschte der Wert plötzlich ab und verbleibt seitdem etwa auf dem heutigen Niveau von 24 Prozent, was ein historischer Tiefstand ist", analysiert Petersen. Weitaus besser hat es da ein anderer Beruf getroffen: "Unangefochtener Spitzenreiter ist der Arzt, der schon immer auf der Liste ist. Während er 1966 auf 84 Prozent kam, sind es auch heute noch immerhin 76 Prozent. Gesundheitsberufe stehen generell hoch im Kurs, was auch etwa für die Krankenschwester gilt."

Weit abgeschieden: Politiker und Banker

Das Schlusslicht bildeten lange Jahre die Politiker, die etwa 2006 nur bei sechs Prozent der Befragten ein hohes Prestige genossen. Abgelöst wurden sie vor drei Jahren jedoch durch die Aufnahme eines neuen Berufsstandes: "Erstmals 2010 haben wir den Banker in die Liste aufgenommen, wodurch die Politiker vom letzten Platz verdrängt wurden. Denn aktuell kommen die Banker auf gerade einmal 3 Prozent". Eine einfache Faustformel zur Bestimmung des Renommees einzelner Berufsbilder formuliert Petersen wie folgt: "Grundsätzlich zählen drei Faktoren:  Ein hoher Wissenstand wie etwa beim Hochschulprofessor, eine besondere Stellung in der Gesellschaft wie etwa beim Pfarrer und das Element des Helfens wie etwa beim Polizisten oder dem Arzt." Das allein kann den Abstieg des Anwalts im Vergleich zum Arzt indes nicht erklären – schließlich verfügen Anwälte über ein beträchtliches Fachwissen, haben als Organ der Rechtspflege eine besondere Stellung inne und helfen – zumindest manchmal – auch anderen Menschen. Warum dann also das eher ernüchternde Abschneiden?

Beim Anwalt ist des einen Freud des anderen Leid

Diese Selbsteinschätzung hält Petersen durchaus für zutreffend. Entscheidend sei aber die Sicht eines durchschnittlichen Bürgers. "Sie dürfen nicht vergessen, dass für jeden von uns ein Arztbesuch schon seit Kindestagen etwas Selbstverständliches ist. Dagegen finden Anwälte für die allermeisten Menschen doch nur in den Medien statt. Hinzu kommt ein ganz wesentlicher Faktor. Der Arzt hilft seinem Patienten. Das tut der Anwalt zwar auch gegenüber seinem Mandanten. Aber in der Regel besteht diese Hilfe doch darin, sich gegen einen Dritten zu richten. Diese Situation, sich auf Kosten eines anderen helfen zu lassen, haben wir beim Arzt gerade nicht." Aus Sicht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) ist der Umfragewert auf den ersten Blick nicht erfreulich. "Man muss aber berücksichtigen, dass ein Grund für das Ergebnis die in den 1990er Jahren erfolgte Aufnahme weiterer Berufe in die Befragung ist. Das verfälscht zumindest die Vergleichbarkeit der Ergebnisse. Seit zehn Jahren sind die Zahlen der Befragung für die Anwaltschaft in etwa stabil", bemerkt Hauptgeschäftsführer Dr. Cord Brügmann und schließt gleich noch eine Vermutung an: "Womöglich haben Rechtsdienstleistungen generell nicht mehr dieselbe Bedeutung wie vielleicht vor 20 Jahren."

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