Bankenrettung auf Zypern: "Wäre es Spanien, würde ich meine Euros in Dollars umtauschen"

20.03.2013

Zypern hat das Rettungspaket abgelehnt und damit auch dem Druck aus der Bevölkerung stattgegeben. Die Empörung über den Plan von EU und IWF, auch Bankkunden einen Beitrag leisten zu lassen, war groß. Was für Zypern geplant war, ob das auch deutsche Sparer treffen könnte und womit reiche Russen rechnen müssen, erklärt Bankenrechtler Matthias Casper im LTO-Interview.

LTO: Vergangenen Sonntag haben sich die Finanzminister der Euro-Zone und der Internationale Währungsfonds (IWF) auf ein Hilfspaket für Zypern geeinigt. Danach sollten die Bankkunden die Rettung mitfinanzieren, indem ein Teil ihrer Guthaben einbehalten wird. In der Presse hieß es, die Sparer würden enteignet. Stimmt das so?

Casper: Nein, die Beteiligung der zypriotischen Bankkunden an der Rettung wäre keine Enteignung im juristischen Sinn, zumindest nicht nach deutschem Verständnis. Denn eine Enteignung ist in Art. 14 Grundgesetz so definiert, dass der Staat dem Bürger etwas wegnimmt und  dafür eine Entschädigung zahlt. In Zypern geht es aber letztendlich um die Finanzierung einer Aufgabe, nämlich der Bankenrettung, sodass es sich um eine Sonderabgabe handelt.

LTO: Wie funktioniert diese Sonderabgabe?

Casper: Die Sparer sollen von ihren Einlagen 6,75 Prozent bzw. 9,9 Prozent nicht mehr ausbezahlt bekommen. Dieses Geld fließt an den zypriotischen Staat, der damit die Banken saniert. Die Banken erhalten also letzten Endes Geld vom Staat, die letzterer wiederum von den Sparern über die  Sonderabgabe erhalten soll.

LTO: Wären, wenn es zur Umsetzung des Plans gekommen wäre, auch deutsche Sparer, die in Zypern Geld angelegt haben, zu der Sonderabgabe herangezogen worden?

Casper: Im Grunde ja. Das richtet sich dann nach zypriotischem Recht. Allerdings dürfen innerhalb der EU die Nationalitäten nicht unterschiedlich belastet werden. Es wäre unzulässig, wenn nur Deutsche herangezogen würden, Griechen hingegen nicht.  Anleger aus Drittstaaten dürfte man nach dem Europarecht dagegen stärker belasten.

LTO: Zum Beispiel reiche Russen?

Casper: Genau.

"Hedgefonds könnten als Verursacher der Krise zur Eurorettung verpflichtet werden"

LTO: Wäre eine Sonderabgabe wie in Zypern geplant auch in Deutschland zulässig?

 Prof. Dr. Matthias Casper, Dipl.-Oec.Casper: Aus deutscher Perspektive halte ich das für äußerst bedenklich. Denn eine Sonderabgabe ist die Finanzierung eines bestimmten Zwecks durch eine einzelne Gruppe, konkret: der Bankenrettung durch die Bankkunden. Nach dem Bundesverfassungsgericht sind solche Sonderabgaben nur dann zulässig, wenn die belastete Gruppe auch einen Bezug zum finanzierten Zweck hat, die Kosten etwa verursacht hat. Ein Beispiel wäre eine Sonderabgabe für die Hersteller gefährlicher Gase zur Beseitigung einer Umweltverschmutzung.

Hier war der Plan aber so, dass alle Sparer belastet werden sollen, die Geld in Euro angelegt haben. Man wird aber nicht sagen können, dass alle, die ein Eurosparguthaben besitzen, für die Eurokrise verantwortlich sind oder dass eine besondere Verbindung zur Eurokrise besteht.  Deswegen ist äußert zweifelhaft, ob eine solche Belastung von Sparern zulässig wäre.

LTO: Was dürfte man stattdessen machen?

Casper: Nehmen Sie einmal an, wir würden die Hedgefonds als Verursacher der Eurokrise ausmachen und ihnen eine Sonderabgabe zur Eurorettung auferlegen. Damit hätten wir verfassungsrechtlich keine Probleme.

"Sonderabgabe hebelt Einlagensicherung aus"

LTO: In Deutschland besteht ein System der Einlagensicherung, das die Sparguthaben der Bankkunden schützen soll. Würde dieses System eingreifen, wenn in Deutschland der Fall Zypern einträte?

Casper: Das Einlagensicherungssystem würde beim Zusammenbruch einer Bank eindeutig eingreifen. Es funktioniert zweischichtig. Einmal existiert ein gesetzliches Regime, nach dem alle Banken verpflichtet sind, in einen Fonds einzuzahlen. Dieser Fonds sichert Sparguthaben bis zu einer Höhe von 100.000 Euro. Daneben gibt es noch eine freiwillige Einlagensicherung. Die Höhe dieser freiwilligen Sicherung ist dabei für jede Institutsgruppe  unterschiedlich.

LTO: Würde dieses System im Krisenfall ausreichen?

Casper: Nun, die Einlagensicherung ist ein fondsgestütztes System und die Fonds sind private Gesellschaften, die die eingezahlten Gelder verwalten. Diese Gesellschaften können natürlich auch insolvent werden. In dem Moment, in dem eine Bank zusammenbricht, sind die Einlagen hervorragend geschützt. Aber wenn eine Großzahl von Banken gleichzeitig zusammenbricht, wäre eine solche Einlagensicherung überfordert. Es ist auch nicht so, dass der Staat dann automatisch einspringt.

LTO: Schützt die Einlagensicherung auch vor einer Sonderabgabe wie sie auf Zypern geplant war?

Casper: Nein, sie greift nur, wenn eine Bank zusammenbricht. Wenn aber der Staat kommt und einen Teil des Guthabens als Sonderabgabe einzieht, dann hilft auch keine Einlagensicherung mehr.

LTO: Das heißt, durch eine Sonderabgabe wird das System der Einlagensicherung ausgehebelt?

Casper: Ja, das ist auch die Kritik, die sehr zu Recht an dem vorgesehenen Vorgehen auf Zypern geäußert wurde. Im Prinzip ist das ein Angriff auf die Sicherheit von Einlagen bis zu einem Betrag von 100.000 Euro. Gerade hierfür hat die EU aber ab dem Jahr 2011 das Einlagensicherungssystem noch einmal verbessert.

"Spareinlagen in Deutschland sind sicher, aber nicht gerade sicherer geworden"

LTO: Im Oktober 2008, nach der Lehman-Pleite, sind Angela Merkel und der damalige Finanzminister Peer Steinbrück vor die Presse getreten und haben gesagt, die Bundesregierung stehe dafür ein, dass die Einlagen der Sparer sicher seien. Wie verbindlich ist diese Aussage?

Casper: Das ist eine gute Frage. Überwiegend qualifiziert man – meines Erachtens zu Recht – diese Äußerung als sogenannte "weiche Patronatserklärungen". Das heißt, Frau Merkel ist zwar verpflichtet, rettend tätig zu werden, aber es ist letztlich nur eine politische Erklärung, die niemand einklagen kann. Die Erklärung gibt Sparern also keinen Anspruch wie bei einer harten Patronatserklärung.

LTO: Am Montag bekräftigte der Regierungssprecher Steffen Seibert aber noch einmal, dass das Merkmal einer Garantie sei, dass sie gilt. Ändert sich dadurch etwas?

Casper: Nein, für eine erhebliche rechtliche Haftungszusage braucht es schon mehr als eine beiläufige Erklärung des Regierungssprechers.

LTO: Sind die Spareinlagen in Deutschland nun sicher?

Casper: Ich würde es so formulieren: Sie sind noch sicher, aber nicht gerade sicherer geworden. Zypern ist wahrscheinlich ein Einzelfall, den man noch beherrschen kann. In dem Moment, wo Vergleichbares bei einer italienischen oder spanischen Bankenrettung passiert, könnte dies einen erheblichen Dominoeffekt nach sich ziehen. Da müsste man sich wirklich überlegen, ob man seine Euros nicht in Dollar oder Schweizer Franken umtauschen müsste.

LTO: Herr Professor Casper, vielen Dank für das Gespräch.

Prof. Dr. Matthias Casper ist Diplomökonom und Jurist. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Gesellschafts-, Bank- und Kapitalmarktrecht am Institut für Unternehmens- und Kapitalmarktrecht an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

Das Interview führte Ludwig Hogrebe.

Zitiervorschlag

Bankenrettung auf Zypern: "Wäre es Spanien, würde ich meine Euros in Dollars umtauschen" . In: Legal Tribune Online, 20.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8373/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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