Verwirrung um Online-Unterricht bei YouTube: Klavierspielen verboten!

von Dr. Marc-Oliver Srocke

27.05.2013

2/2: Urheberrechte: Nicht mehr ihre Verletzung gilt als verwerflich, sondern ihre Geltendmachung

Grund zur Empörung, wie sie seine Schüler, Anhänger und sonstigen Unterstützer nach Veröffentlichung seines Videos in der vergangenen Woche im Netz äußerten, könnten also allenfalls die nach bisherigem Kenntnisstand fernliegenden Forderungen des Mitbewerbers geben, nicht aber eventuelle Beseitigungs- oder Unterlassungs-Aufforderungen von YouTube oder Rechteinhabern, denn diese wären schlichtweg berechtigt.

Im Übrigen scheint de Heide sehr gut mit seinen Online-Tutorials verdient zu haben. In den Niederlanden gehörte er nach Angaben von heise.de zu den 150 besten YouTube-Partnern und hat sich von den erzielten Werbeeinnahmen kürzlich ein Haus gekauft – das er nun nach eigenen Angaben wieder verkaufen muss.

Die erzürnten Reaktionen sind in Anbetracht der persönlichen Lebensumstände des jungen Klavierlehrers einerseits verständlich. Losgelöst von dem nicht in allen Details bekannten Einzelfall aber sind sie auch Ausdruck eines grundlegenden, aber weit verbreiteten Fehlverständnisses. Niemand fragte, warum sich jemand - zumindest auch - mit der Auswertung fremder Urheberrechte ein ganzes Haus finanzieren kann. Stattdessen herrschte Entrüstung darüber, dass er es wieder verkaufen muss, weil die Urheber diese Auswertung ihrer Rechte womöglich nicht weiter dulden wollten. Nicht die rechtswidrige Verletzung von Urheberrechten wird als also ungehörig empfunden, sondern vielmehr ihre rechtmäßige Geltendmachung.

Der junge Niederländer kann dafür natürlich nichts. Auch war nicht die Zugänglichmachung fremder Inhalte Kern seiner Dienstleistung, die er über seinen YouTube-Channel angeboten und mit der er durch entsprechende Werbeeinnahmen sein Geld verdient hat. Dies war in erster Linie sicherlich die pädagogische Vermittlung der klavierspielerischen Fähigkeiten. Das unterscheidet de Heide von Rechtsverletzern, die allein mit der Verwertung fremder Leistungen Einnahmen erzielen.

Sein Angebot war aber gerade auch deshalb so attraktiv, weil er die Klavierkenntnisse seinen Schülern anhand aktueller Songs oder beliebter Klassiker vermittelt hat. Sonst hätte er auch einfach auf gemeinfreie Werke zurückgreifen können. Seine Ankündigung aus der vergangenen Woche, den Unterricht per YouTube gänzlich einzustellen, spricht sogar dafür, dass die Nutzung  der urheberrechtlich geschützten Hits und Klassiker existenziell für sein Geschäftsmodell war. Es spräche also überhaupt nichts dagegen, wenn er für diese Nutzung auch bezahlen müsste - zumal er mit den Tutorials ja auch gut verdient hat.

Rechteinhaber dürfen einschreiten – gegen jeden, der ihre Rechte verletzt

Diese kommerzielle Nutzung der urheberrechtlich geschützten Werke könnte im Übrigen einen guten Grund für die Rechteinhaber zum Einschreiten liefern beziehungsweise geliefert haben. Die Musikverwerter gehen bisher beispielsweise nicht gegen Jugendliche vor, die auf der Gitarre ihren Lieblingssong nachspielen und ohne jegliche Gewinnerzielungsabsicht eine Aufnahme davon ins Netz stellen. Und das ist auch gut so.

Erforderlich für die Geltendmachung von urheberrechtlichen Ansprüchen ist eine Gewinnerzielungsabsicht des Nutzers allerdings nicht. Und aus der Tatsache, dass zahlreiche andere unerlaubte Nutzungen bisher ungeahndet geblieben sind, könnte man den Musikverwertern auch keinen Strick drehen, wenn sie in Einzelfällen die Verbreitung von Coversongs im Netz doch nicht dulden und eine Löschung verlangen würden. Auch wenn YouTube voll ist von Coverversionen bekannter Musikwerke, an denen sich bisher niemand gestört hat, sind die Rechteinhaber frei in ihrer Entscheidung, gegen welche Verletzungen ihrer Rechte sie vorgehen wollen und gegen welche nicht.

Die Plattform YouTube wiederum haftet in Deutschland nach der Rechtsprechung des Landgerichts Hamburg (Urt. v. 20.04.2012, Az. 310 O 461/10) ab Kenntnis von einem Urheberrechtsverstoß, also in der Regel ab einem entsprechenden Hinweis des Rechteinhabers. Sollte es einen solchen Hinweis gegeben haben, hätte das Google-Tochterunternehmen den Niederländer - die Existenz eines vergleichbaren Haftungssystems dort vorausgesetzt – also sogar absolut zwingend zur Löschung auffordern müssen. Aber auch ohne eine entsprechende Löschungsaufforderung wäre es aus Sicht des Plattformbetreibers nachvollziehbar gewesen, de Heide zur Löschung aufzufordern, um einer entsprechenden Inanspruchnahme durch die Rechteinhaber von vorne herein aus dem Weg zu gehen.

Was auch immer genau geschehen sein mag: Letztlich bleibt nur der Vorwurf an Mark de Heide, sich augenscheinlich nicht um eine Rechtelizenzierung gekümmert zu haben, bevor er seine Videos hochgeladen hat. Aber das muss ja nicht zwingend das Ende seiner Tutorials bedeuten. Vielleicht findet er einen Weg, den Online-Klavierunterricht fortzusetzen, ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. Sein Bewusstsein für fremde Urheberrechte ist nun möglicherweise geschärft. In seinem jüngsten Online-Kommentar malt er jedenfalls keine Anführungszeichen mehr in die Luft, wenn er von "Copyrights" spricht.

Der Autor Dr. Marc-Oliver Srocke ist Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht bei Schultz-Süchting Rechtsanwälte in Hamburg.

Zitiervorschlag

Dr. Marc-Oliver Srocke, Verwirrung um Online-Unterricht bei YouTube: Klavierspielen verboten! . In: Legal Tribune Online, 27.05.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8807/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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