Impressumspflicht auf Xing: "Dann könnte ich mich umbenennen wie Kim Dotcom"

Interview mit Thomas Schwenke

18.02.2014

Thomas Schwenke ist einer von mehreren Anwälten, die von einem Kollegen abgemahnt wurden. Der Vorwurf: Er habe kein Impressum auf der Plattform Xing. Dabei hat der Social-Media-Experte sogar zwei. Für rechtlich zwingend hält Schwenke ein Impressum auf Xing nicht. Im Interview erklärt er, warum er Nutzern trotzdem rät, eines einzurichten.

LTO: Sie sind einer der Anwälte, die in den vergangenen Tagen wegen eines angeblich fehlenden Impressums auf Xing abgemahnt worden sind. Dabei haben Sie auf Ihrer Profilseite ein Impressum.

Schwenke: Ich habe sogar zwei. Allerdings nicht, weil ich meine, dass man bei Xing unbedingt ein Impressum braucht, sondern als Beispiel. Ich halte häufig Vorträge und Schulungen zur Nutzung von sozialen Medien. Da werde ich immer wieder gefragt, wo man ein Impressum am besten unterbringen kann. Da dient mir mein eigenes Xing-Profil als Anschauungsmaterial.

"Xing ähnelt eher einer Visitenkarte oder einem Forum als Facebook"

LTO: Für rechtlich zwingend halten Sie ein Impressum auf Xing also nicht. Warum?

Schwenke: Xing ist kein selbständiges Telemedium. Und nur diese brauchen nach dem Telemediengesetz ein Impressum. Allerdings definiert das Gesetz nicht, was ein Telemedium ist.

Thomas SchwenkeEs würde zu weit gehen, sämtliche Inhalte im Internet als Telemedium zu bezeichnen. Dann könnte ich mich wie Kim Dotcom umbenennen in thomas-schwenke.de/impressum oder so.

Ganz klar ein Telemedium ist eine Seite, auf der Beiträge veröffentlicht werden und über die der Seitenbetreiber herrschen kann. Social-Media-Profile liegen irgendwo dazwischen. Auf einer Facebook-Seite halte ich ein Impressum für notwendig, weil diese Profile sehr stark einer Webseite ähneln. Man kann Bilder posten, Links teilen, das Cover selbst gestalten, Beiträge verfassen. Das kann man auf einem Xing-Profil nicht alles. So ein Profil ist eher mit einer Visitenkarte vergleichbar.

LTO: Aber auch auf Xing kann man Dinge posten und Links teilen. Geht das nicht in Richtung Facebook, für das ja mehrere Gerichte mittlerweile ein Impressum fordern?

Schwenke: Xing nähert sich in der Tat immer mehr einer Seite wie Facebook an. Der Unterschied ist, dass die veröffentlichten Beiträge nicht direkt im Profil sichtbar sind. Das ähnelt dann doch eher einem Forum.

LTO: Würden Sie Nutzern trotzdem empfehlen, auf Xing ein Impressum einzurichten?

Schwenke: Ja, weil es Rechtsanwälte gibt, die meinen, dass man das bräuchte und einen abmahnen, wenn man es nicht hat. Und jede Abmahnung kostet Ärger, Zeit und Geld.

"Gesetzgeber sollte definieren, was ein Telemedium ist"

LTO: Wenn man auf Xing ein Impressum bräuchte, wo wäre es dann sonst noch nötig?

Schwenke: Dann müssten alle, die geschäftlich in Foren unterwegs sind, dort ein Impressum angeben. Am Ende wird das eine Vernunftsentscheidung des zuständigen Richters sein. Man kann ganz gut für beide Seiten argumentieren.

LTO: Sollte der Gesetzgeber klarstellen, auf welchen Seiten man ein Impressum braucht?

Schwenke: Ja, eine Definition des Begriffs "Telemedium" wäre gut.

LTO: Auf Xing gibt jeder alle möglichen Kontaktdaten an. Es geht ja gerade darum, miteinander zu kommunizieren, ein Netzwerk aufzubauen. Kann da ein Impressum überhaupt so viel mehr an Informationen bieten, dass eine Abmahnung gerechtfertigt wäre, wenn ein Impressum fehlt, obwohl das Gesetz es vorschreibt?

Schwenke: Ich denke in der Tat, dass das keine relevante Wettbewerbsbeeinträchtigung wäre, sondern eine Bagatelle. Immer vorausgesetzt, es gäbe überhaupt eine Impressumspflicht. Ob fehlende Impressumsangaben einen relevanten Wettbewerbsverstoß darstellen, ist an der EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken zu messen. Diese sieht zwar im Art. 7 Abs. 1 bis 3 Angaben gegenüber Verbrauchern als wesentlich an, stellt aber bei der Frage ob deren Vorenthaltung wesentlich war, auf den Einzelfall ab. Das heißt die Richtlinie unterscheidet zwischen der Wesentlichkeit der Information und der Wesentlichkeit der Vorenthaltung.

Die deutsche Umsetzung der Richtlinie hat diese Unterscheidung jedoch nicht übernommen, wie es etwa aus § 5a Abs. 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb herauszulesen ist. So gingen auch die deutschen Gerichte bisher stets davon aus, dass das Fehlen einer wesentlichen Information stets einen Wettbewerbsverstoß darstellt. Diese abweichende nationale Auslegung der Richtlinie ist jedoch gemäß Art. 3 Abs. 5 der EU-Richtlinie nur bis Juni 2013 zulässig gewesen. Bei einer nun erforderlichen streng richtlinienkonformen Auslegung wäre jedoch zu fragen, ob der Verbraucher die vorenthaltenen Informationen unter Berücksichtigung der Beschränkungen des Kommunikationsmittels und der Möglichkeit anderweitiger Informationsmöglichkeiten "je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen".

Das ist bei Xing meines Erachtens nicht der Fall. Auf den Profilen werden umfangreich Informationen angeboten, inklusive Anschrift und Möglichkeiten einer schnellen Kontaktaufnahme sowie Verweisen auf die Homepages, auf denen sich weitere berufsbezogene Angaben befinden. Man kann auch kaum annehmen, dass ein Verbraucher eine geschäftliche Entscheidung tatsächlich nicht oder anders getroffen hätte, wenn er zusätzlich zu den Kontakt-Informationen auf dem Xing-Profil auch noch die Umsatzsteueridentifikationsnummer seines Geschäftspartners gekannt hätte.

"Impressumspflicht müsste dann auch für Anwaltsverzeichnisse gelten"

LTO: Bisher sind nur Abmahnungen an Anwälte bekannt geworden. Wenn es eine Impressumspflicht auf Xing geben sollte, dann würde dies aber für alle Nutzer gelten?

Schwenke: Ja. Und auch nicht nur für Xing, sondern genauso für Anwaltsverzeichnisse, für jedes Forum und für jede Bewertungsseite, sobald diese nicht privat genutzt werden.

LTO: Sie haben über Twitter dazu aufgerufen, dass sich ebenfalls betroffene Kollegen bei Ihnen melden. Wie stark war die Rückmeldung?

Schwenke: Es haben sich nicht viele gemeldet. Ich kenne mit mir nur vier abgemahnte Kollegen. Vielleicht sind diese Abmahnungen nur Testballons.

LTO: Vielen Dank für das Gespräch.

Thomas Schwenke, Dipl.FinWirt(FH), LL.M. (Auckland), ist als Rechtsanwalt auf das Recht sozialer Medien spezialisiert und Autor des Buchs "Social Media Marketing & Recht".

Das Interview führte Claudia Kornmeier.

Zitiervorschlag

Thomas Schwenke, Impressumspflicht auf Xing: "Dann könnte ich mich umbenennen wie Kim Dotcom" . In: Legal Tribune Online, 18.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11042/ (abgerufen am: 22.04.2024 )

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